Flott geht es mit dem Rad über die ebenen Wege der Camargue bei Arles. (Foto: © picsol)

Flott geht es mit dem Rad über die ebenen Wege der Camargue bei Arles. (Foto: © picsol)

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Überraschende Blickwinkel

Römische Bauten in Vienne und Arles, der Weinbau an den Hängen oberhalb einer über Jahrhunderte kultivierten Landschaft und die Trägheit des Sommers. Mit dem Rad entlang der Rhone. Zur Foto-Galerie!

Jetzt ein paar Tage am Strand liegen. Grau du Roi im Frühsommer, das wäre genau der richtige Ort, um auszuspannen. Ein breiter heller Strand, ein lebhafter Markt, Restaurants, die noch nicht überfüllt sind – was könnte es besseres geben nach einer langen Radtour? Das wäre das Sahnehäubchen auf einer Tour entlang der Rhone, die in Lyon begonnen hat und bis in die Camargue führt, wo unter dem hellen Himmel alles ein bisschen langsamer zu gehen scheint.

Jahrtausende alte Kulturlandschaft

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Wer wie Millionen Urlauber mit dem Auto in den Süden fährt, der verpasst vielleicht das Beste. Dieser Gedanke drängt sich immer wieder auf in den Stunden auf dem Fahrradsattel, wenn man abends die kleinen Begegnungen am Fluss, die Pause im Schatten eines Obstbaumes oder den freundlichen Dialog beim Einkauf Revue passieren lässt. Ob auf kleinen landwirtschaftlich genutzten Wegen entlang des Flusses, auf eigens angelegten Radwegen oder auf den Landstraßen, über die der Weg von Zeit zu Zeit führt: Überall bietet die ViaRhona einen überraschenden Blickwinkel auf Städte und Landschaften, die seit Jahrtausenden kultiviert und bewirtschaftet werden.

Vienne und sein antikes Theater

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Da ist zum Beispiel Vienne, die Kleinstadt im Schatten von Lyon. Nach einer kurzen Zugfahrt durch die industrielle Peripherie von Lyon ist es gerade die richtige Zeit für einen Café im Schatten des römischen Tempels, des ersten einer langen Reihe von Zeugnissen der Römer, die entlang des Flusses die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein kurzer Spaziergang führt hinauf zum antiken Theater der Stadt mit seinen riesigen Ausmaßen, das im Sommer mit seinem Jazz-Festival über zwei Wochen lang Tausende Besucher anzieht. Auf dem gegenüberliegenden Flussufer dokumentiert das archäologische Museum, welch große Bedeutung Vienne als Hafenstadt und Lagerplatz für die Römer hatte.

Weinberge als ständiger Begleiter

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Dort ist auch der Einstieg für die Weiterfahrt. Nach wenigen Kilometern ist die Quirligkeit der Stadt vergessen. Unterhalb der Weinberge am rechten Rhone-Ufer dominieren Kulturen von Kirsch- und Aprikosenbäumen das Landschaftsbild. Kein Auto, kein Lkw fordert Konzentration. Dabei ist die Landstraße nur wenige 100 Meter entfernt. Immer wieder werden die Bahngleise gequert. Doch wer käme auf die Idee, dass hier je ein Zug fahren könnte? Und gerade zur rechten Zeit für die Radfahrer taucht bei Ampuis ein kleines Restaurant auf, mit einem guten Mittagstisch zu vernünftigem Preis. Und natürlich mit einem Glas Weißen, einem Viognier, wie er in der Gegend angebaut wird. Bis fast an die Küste sind die Weinberge ein ständiger Begleiter, an den Steilhängen von Tain l‘Hermitage ebenso wie auf den Feldern der Camargue, wo der "vin de sable" wächst.

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Bei Meisterbäcker Denis Maurin

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Überhaupt die Genüsse entlang der Rhone. Einer ihrer engagierten Botschafter ist Bäckermeister Denis Maurin in Valence, der das 1852 gegründete Familienunternehmen in sechster Generation führt. Mit Leidenschaft und Engagement erklärt er in seiner Werkstatt, wie die leicht süßliche schwere Backspezialität  der Gegend in Handarbeit entsteht, die Pogne. Und welche Zutaten in welcher Reihenfolge man braucht, um das salzige Gegenstück herzustellen, den "Suisse" in Form eines Mannes. Stolz präsentiert er sie in seinem gut frequentierten Bäckerladen nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt. Beides eignet sich gut für eine kurze Stärkung am Ufer der Rhone, stellt sich später heraus.

Das Modehaus Souleiado in Tarascon

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Ein Traditionalist anderer Art ist Daniel Richard, der aktuelle Chef des Modehauses Souleiado in Tarascon. Freundlich führt er die Besucher durch das Museum des Hauses, an dessen Wände Fotos von Brigitte Bardot und Isabel Adjani an das Renommee der Marke erinnern, deren Kleider, Trachten, Abendroben,  Bettbezüge und Laken längst nicht mehr in der Provence fabriziert werden. Doch die Erinnerung an eine große Tradition lebt. Zu Hunderten stapeln sich die schweren Holzblöcke in Magazinen, mit denen die Stoffe früher bedruckt wurden. Versteckt liegt das Museum  in den schmalen Gassen Tarascons, der Stadt mit den weißen Häusern, deren Silhouette von der gleichnamigen Festung über der Rhone geprägt ist. Von der Terrasse dort oben kündigt sich bereits das Mittelmeer an. Immer wärmer ist es in den letzten Tagen geworden.

Immer weiter Richtung Süden

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Der Süden, der "Midi" ist erreicht. In Tarascon gabelt sich die ViaRhona. Nach Grau du Roi geht es am Kanal entlang, der weiter bis zum Badeort Sète führt. Sportboote begleiten den Radfahrer auf seinem Weg Richtung Süden. An den Anlegestellen dösen ihre Besitzer in Liegestühlen vor sich hin. Zwischen Schilf tauchen im Marschland die schwarzen Stiere der Camargue auf. Auf einem kurzen Umweg führt die Strecke zum Tour Carbonnière mitten in den Sümpfen. Der einst zum Schutz der nahen Stadt Aigues Mortes befestigte Turm bietet die beste Gelegenheit, die Vogelwelt der Camargue zu beobachten.

Der Nationalpark der Camargue

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Einmal in der Natur des Nationalparks der Camargue verliert die Aussicht auf ein paar Badetage am Strand schließlich doch ihren Reiz. Am westlichen Ende des Rhone-Deltas lockt der zweite Endpunkt der ViaRhona: Port-Saint-Louis an der Mündung der Großen Rhone. Auf der Fahrt dorthin wartet ab Saintes Maries-de-la-Mer ein weiterer Höhepunkt: die Fahrt über die Digue de la mer, ein Schotterweg über den Deich, der das Meer von den Sümpfen und Teichen im Inneren der Camargue trennt. So nahe dürfte man den rosa Flamingos der Camargue nirgendwo sonst kommen. Wer wollte das verpassen?
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Auf 17 Etappen verbindet die ViaRhona entlang der Rhone Genf mit dem Mittelmeer. In großen Teilen ist die Beschilderung bereits vorhanden, im Verlauf des Jahres 2016 soll sie komplett abgeschlossen sein, eine durchgehende Trasse soll es bis Ende 2020 geben. Wer von Genf aus losfahren möchte, braucht im ersten Drittel bis Lyon gute Kondition, da auf den 60 Kilometern bis Seysssel etliche Steilstücke zu überwinden sind.

Etwa ab Lyon eignet sich die Strecke für normal trainierte Radfahrer. Immer wieder führt der Weg über Landstraßen, die aber zumeist wenig befahren sind. Größere Lücken hat die ViaRhona noch zwischen Pont Saint Esprit und Arles. Dort, im Umkreis von Lyon und von Genf bis Lyon empfiehlt es sich aktuell für wenig erfahrene Radfahrer den Zug zu nehmen. Die regionalen Züge "ter" nehmen Räder ohne Voranmeldung kostenlos mit.

Vor allem die Gasthäuser mit dem Label "Accueil Velo" sind gut auf die Bedürfnisse von Radfahrern eingestellt, doch es gibt sie nicht überall. Eine Unterstellmöglichkeit für sein Rad findet man jedoch immer, ebenso die Möglichkeit den Akku aufzuladen, falls man mit dem E-Bike unterwegs ist.  Wer das Risiko scheut, am Spätnachmittag nach einem Hotel zu suchen, sollte auf eine gute Planung Wert legen.

An- und Rückreise sollten ebenfalls sorgfältig geplant werden. Von den beiden Endpunkten geht es mit "ter"-Zügen zurück nach Arles. Die französischen Schnellzüge TGV nehmen zwar Räder mit, aber nur in geringer Anzahl, gegen Zusatzkosten und nur mit Reservierung. In der Schweiz empfiehlt sich bei der Fahrt nach Genf zu Stoßzeiten, einen Platz für das Velo zu reservieren. Auf überregionalen Zügen muss in Deutschland und in der Schweiz eine Fahrradkarte gelöst werden. Flüge nach Lyon führen meist über Paris. Air France nimmt Fahrräder gegen Voranmeldung mit, besteht aber auf einer Verpackung. Radkartons für die Rückfahrt gibt es in größeren Flughäfen am Schalter von Air France zum Preis von sechs Euro.

Alle Informationen über die einzelnen Etappen, Sehenswürdigkeiten (auch abseits der Strecke) und Unterkünfte gibt es im Internet auf www.viarhona.com. Dort kann die Strecke als GPX-Datei auf ein Navigationsgerät geladen werden.

Text: / handwerksblatt.de

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