Bei den Regelungen zum Krankengeld müssen Selbstständige aufpassen.

Bei den Regelungen zum Krankengeld müssen Selbstständige aufpassen. (Foto: © gajus/123RF.com)

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Krankengeld: Was müssen Selbstständige beachten?

Selbstständige versprechen sich häufig zu viel vom Krankengeld. Doch unsinnig ist die Absicherung nicht. Wer die Fallstricke kennt, ist vor falschen Erwartungen gefeit.

"Warum doppelte Freude bereiten", scherzt der Rheinländer, "einmal beim Versprechen und einmal beim Einlösen?" Der Spaß hört spätestens auf, wenn Zusagen im Geschäftsleben nicht eingehalten werden. Doch mitunter liegt es auch an falschen Erwartungen. Ein Beispiel für ein vermeintlich nicht gehaltenes Versprechen steckt in der Regelung zum Krankengeld (KG) und trifft vor allem Selbstständige. Sie wiegen sich damit in scheinbarer Sicherheit.

Das musste auch Heribert Müller (Name von der Redaktion geändert) erfahren. Sein Handwerksbetrieb wurde von einem Großkunden übel abgezockt. Der Betrieb schlitterte fast in die Insolvenz. Im Folgejahr brach Inhaber Müller unter der psychischen Belastung zusammen. Diagnose Burnout. Die Kasse verweigerte ihm jedoch das mitversicherte KG. Begründung: Der Verlust vom Vorjahr.

Kein Krankengeld bei Verlust vor Krankheit

Was hat es damit auf sich? Das Krankengeld fängt den finanziellen Ausfall während einer längeren Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit auf. Es handelt sich um eine Lohnersatzleistung nach Paragraf 32b Abs.1 des Einkommensteuergesetzes. Knackpunkt ist das sogenannte "Bereicherungsverbot". Das schützt die Kasse vor Missbrauch und besagt, niemand darf sich mit KG besserstehen als unter gesunden Bedingungen.

Wenn im maßgeblichen Zeitraum vor der Erkrankung kein Gewinn, sondern ein Verlust angefallen ist, gibt es demnach kein KG. Die wenigsten sind sich dessen bewusst. KG ist auf 90 Prozent des Nettoeinkommens gedeckelt. Bei Selbstständigen wird der Nettogewinn (Umsatz minus Aufwand und Steuern) der vorangegangenen zwölf Monate herangezogen.

Nicht mehr als das Nettoeinkommen!

Was das KG in der gesetzlichen Kasse, ist das Krankentagegeld (KTG) in der privaten Krankenversicherung. Privatversicherte können die Höhe ihres KTGs theoretisch zwar mit der Versicherung frei aushandeln. Das gilt auch für gesetzlich Versicherte, die für eine längere Arbeitsunfähigkeit privat vorsorgen oder ihren gesetzlichen KG-Anspruch privat aufstocken. Doch Vorsicht: Wenn’s ans Zahlen geht, greift auch hier das Bereicherungsverbot, sprich die Obergrenze Nettogewinn.

Privatversicherungen stellen dabei auf den gleichen Bemessungszeitraum von üblicherweise zwölf Monaten vor Beginn der Erkrankung ab. Etwaige KG-Zahlungen müssen auf das KTG angerechnet werden. „Es ist daher nicht sinnvoll, ein Krankentagegeld abzusichern, das deutlich oberhalb des Nettoeinkommens liegt“, rät der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Lediglich unterhalb der Obergrenze herrscht Vertragsfreiheit. Wer genügend finanziellen Spielraum hat, muss mit dem KTG also keinesfalls den gesamten Nettogewinn absichern.

Keine Begrenzung beim KTG-Bezug

Der Bezug von KTG ist zudem nicht auf 78 Wochen begrenzt, wie das KG der Kasse. Allerdings prüfen die Privaten, ob aus der Arbeitsunfähigkeit (AU) wegen anhaltender Erkrankung womöglich eine Berufsunfähigkeit (BU) geworden ist. Denn: Mit Eintritt der BU endet der Anspruch auf KTG. Eine KTG-Versicherung sichert nur den "vorübergehenden Verdienstausfall aufgrund von Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit" ab.

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Eine Übersichtsgrafik zu den AU-Klauseln verschiedener Versicherungsgesellschaften kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Wohl dem, der dann eine BU-Versicherung mit "AU-Klausel" hat. Sie sorgt für einen reibungslosen Übergang von der Arbeits- zur Berufsunfähigkeit. Ansonsten mutiert der Übergangszeitraum zur Durststrecke, denn die BU-Prüfungen der Versicherer ziehen sich locker mehrere Monate hin. In dieser Zeit fließt weder KG, KTG noch die BU-Rente. Inzwischen bieten knapp ein Dutzend Versicherer solche Klauseln an. Die Einzelheiten hat die Ratingagentur Franke und Bornberg in einer Tabelle zusammengestellt, die Sie unter handwerksblatt.de finden.

Alternative zum Krankentagegeld?

Die "AU-Klausel" greift in der Regel, wenn seit mindestens sechs Monaten eine Krankschreibung samt ärztlichem Attest vorliegt. Dann fließt die vereinbarte BU-Rente schon während der Versicherer noch in der BU-Prüfung steckt. Manche Ratgeber sehen in der "AU-Klausel" daher eine Alternative zum KTG.

Doch davon halten die Ratingexperten nichts: "Wir sehen die AU-Klausel in der BU nicht als Alternative zu einer Krankentagegeldversicherung an. Die AU-Klausel leistet in der Regel erst nach sechs Monaten, während das KTG passgenau auf die finanziellen Bedürfnisse abgestimmt werden kann und sollte. Auch liegt das KTG oft wesentlich höher als eine BU-Rente."

Krankengeld von der Kasse

Krankengeld zahlen die Kassen ab der sechsten Woche einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit; längstens 78 Wochen lang für dieselbe Erkrankung. Es ist in erster Linie für Angestellte gedacht und schließt deshalb an das Ende der Lohnfortzahlung des Arbeitgebers an. Als Selbstständiger in der gesetzlichen Krankenkasse können Sie wählen, ob Sie KG mitversichern wollen oder nicht. Es kostet durchschnittlich einen Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent auf den regulären ­Beitragssatz. Insbesondere bei schlechter Gesundheit ist das KG fast die einzige Lösung.

Einige Kassen bieten zudem sogenannte Wahltarife an. Hier dürfen Alter und Vorerkrankungen keine Rolle spielen. Aber Achtung: Sie binden sich für drei Jahre an den Wahltarif. In dieser Zeit kann die Kasse nicht ­gewechselt werden. Die Höhe des KGs beträgt bei Selbstständigen 70 ­Prozent des Arbeits­einkommens, das heißt Mieteinkünfte oder Kapitalerträge werden nicht ­berücksichtigt. Maximal zahlen die Kassen 98,88 Euro am Tag, das heißt 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung (4.237,50 Euro ­monatlich im Jahr 2016). Bei Selbstständigen, die Verlust machen, entfällt der Anspruch auf KG. 

Krankentagegeld von der Privatversicherung

Selbstständige können alternativ oder ­zusätzlich zum KG (von der Kasse) bei einer privaten Krankenversicherung ein Tagegeld absichern. Voraussetzung ist allerdings eine gute Gesundheit, sonst wird es teuer oder man wird gar nicht angenommen, je nach Alter und Vorerkrankungen. Der Vorteil gegenüber der Kassenleistung: Die ­Konditionen sind flexibler. Wahlweise können Sie Krankentagegeld (KTG) ab der dritten Woche, aber auch früher oder später, vereinbaren. Das hängt allein von Ihren finanziellen Polstern ab.

Bis zum Nettoeinkommen darf die Höhe des KTGs frei gewählt werden. Das kann sinnvoll sein, wenn genügend ­Reserven vorhanden sind. Mehr bringt jedoch nichts. Bei Selbst­ständigen wird im Krankheitsfall bestenfalls 80, meist 70 ­Prozent des Gewinns vor Steuern im Schnitt der vergangenen zwölf Monate gezahlt. Etwaiges KG wird im Leistungsfall angerechnet.

Tarifvergleich lohnt sich

Bevor Sie einen privaten Krankentagegeld-Vertrag abschließen, sollten Sie ihn auf Herz und Nieren prüfen. Die Experten des Verbraucherportals Finanztip empfehlen dazu im Internet die Seite "versicherung-vergleiche.de". Hier lassen sich nicht nur ­Beiträge vergleichen, sondern auch ­wichtige Leistungsbausteine. Wichtig ist etwa, dass eine Erhöhung des KTGs ohne erneute Gesundheitsprüfung ­möglich ist.

Empfehlenswert ist auch der ­Zusatzbaustein "Leistung bei ­teil­weiser Arbeitsunfähigkeit", falls man nach der Krankheit erst mal nur mit halber Kraft wiedereinsteigen kann. Vorsicht: Bei Rückfällen rechnen die meisten Versicherer die Krankheitstage zusammen. Das wiederum verkürzt den Leistungszeitraum.

Praktische Neuerung

Die kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der Kassen haben das Antragsverfahren beim Krankengeld ­vereinfacht. Vor 2016 musste ein Antragsteller zusätzlich ur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt noch ein Formular bei der Kasse einreichen und zuvor vom Arzt aus­füllen lassen. Die umständliche Prozedur führte zu zeitlichen Verzögerungen und die wiederum zu gefährlichen Lücken beim Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Das sorgte für Abzüge beim Krankengeld bis hin zum Ausfall.

Seit Januar ist das anders. Jetzt genügt nur noch ein ­Formular, das ­IT-gestützt in den ­Praxen verfügbar ist.

Text: / handwerksblatt.de

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