SHK, Notdienst

Thorsten Schniedertöns vom SHK-Meisterbetrieb Rademacher in Bocholt ist während des Notdienstes für die Kunden per Handy erreichbar (Foto: © Sven Betz)

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Allzeit bereit mit gepacktem Werkzeugkoffer?

Nicht nur Ärzte und Feuerwehr, auch SHK- und Elektrohandwerker müssen manchmal zu Notfällen beim Kunden anrücken. Wir erklären, was das Arbeitsrecht dazu sagt.

"Der Notdienst gehört bei uns dazu, das weiß jeder Mitarbeiter", sagt Joachim Rademacher, Inhaber eines SHK-Fachbetriebs in Bocholt. Er hat den Arbeitsalltag gut organisiert, reihum sind seine Leute am Wochenende für den Notdienst eingeteilt, unter der Woche ist er selber zuständig. Die zweite Rufnummer der Firma wird auf das Handy desjenigen weitergeleitet, der gerade dran ist. "Samstags ist am meisten los, da müssen wir etwa ein- bis dreimal raus. In der Woche im Schnitt einmal." Das sei schon eine große Belastung für die Belegschaft.

SHK und Elektro sind die Handwerke, bei denen der Notdienst ein Teil des Kundenservice ist. Nicht gerade ein Trumpf im Ärmel bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. "Beim derzeitigen Fachkräftemangel ist die Freizeitgestaltung für die Mitarbeiter ein ganz wichtiger Punkt", weiß Julia Gerke, Juristin bei der Handwerkskammer Münster. Damit ein Betrieb trotzdem für Bewerber attraktiv ist, muss er mit einer guten Personalpolitik punkten. Ganz wichtig ist dabei die Kommunikation. "Die Arbeitnehmer müssen vorher wissen, was sie erwartet", erklärt Gerke.

Bei Rademacher gibt es einen klaren Zuständigkeitsplan dafür, auf wen die Notrufnummer umgeleitet wird, aber die Kollegen können auch untereinander mal tauschen. "Notdienst heißt nicht, dass der Mitarbeiter den ganzen Tag mit gepacktem Werkzeugkoffer auf dem Sofa sitzt", betont der SHK-Meister. Die Leute müssen nicht innerhalb weniger Minuten beim Kunden sein.

EuGH-Urteil hat keine große Auswirkung

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Damit unterscheidet sich diese handwerkliche Arbeit rechtlich ganz wesentlich von den Einsätzen der öffentlichen Helfer wie Notarzt und Feuerwehr. Um einen belgischen Brandbekämpfer ging es nämlich in einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das bei einigen Handwerkern für Verwirrung sorgte. "Ein verstopfter Abfluss ist kein brennendes Haus, die Feuerwehr dient der öffentlichen Gefahrenabwehr", erläutert Gerke. Anders als in manchen Medien berichtet, habe das EuGH-Urteil keine große Auswirkung auf deutsche Arbeitsverhältnisse. In dem besagten Fall hatte der Feuerwehrmann auf Bezahlung seiner Bereitschaftszeiten geklagt und vom EuGH recht bekommen (siehe Kasten "Feuerwehrmann-Urteil").

"Müssen wir nun unsere Leute im Notdienst anders vergüten?" Diese Frage bekommt die Juristin nun immer wieder gestellt. Sie beantwortet sie mit einem klaren Nein. Der EuGH sagt nichts darüber, wie Bereitschaftszeiten konkret bezahlt werden müssen. Das zu entscheiden sei Aufgabe der nationalen Gerichte, betonten die Luxemburger Richter. Hier seien die jeweiligen Länderregeln ausschlaggebend.


"Das deutsche Recht unterscheidet zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft", erklärt Gerke. "Der Notdienst der Firma Rademacher ist als Rufbereitschaft einzustufen." In dieser Zeit dürfen sich Arbeitnehmer aufhalten, wo sie wollen, müssen jedoch erreichbar sein. Wird der Mitarbeiter in der Rufbereitschaft nicht zur Arbeit zitiert, gilt sie als Ruhezeit. Bezahlt werden nur die tatsächlich während des Notdienstes gearbeiteten Stunden, nach den jeweils anwendbaren Arbeits- oder Tarifverträgen (siehe Infokasten "Tarifverträge"). "Meistens werden die Stunden abgefeiert", resümiert SHK-Meister Rademacher seine Betriebspraxis.

Unterschied zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

Foto: © pixelery/123rf.com

 

Sobald – wie in dem EuGH-Fall – der Arbeitgeber jedoch verlangt, dass der Mitarbeiter ständig binnen kürzester Zeit zur Verfügung steht, ist von einem Bereitschaftsdienst auszugehen. Die Grenze zur Rufbereitschaft zieht der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) anhand der deutschen Rechtsprechung bei 30 Minuten. "Für Bereitschaftsdienst muss – über die gesamte Zeit – der Mindestlohn gezahlt werden", erklärt Juristin Gerke. Dies bedeutet allerdings auch, dass die Bezahlung für Bereitschaftsdienst niedriger ausfallen kann als der übliche Lohn, wenn dieser höher ist als der Mindestlohn.

Notdienst ist also finanziell und personell eine größere Aufgabe für einen Handwerksbetrieb. Viele Firmen bieten daher heute nur noch Wartungs-Dienste. Wenn man Pech hat, kann aus dem Notfallservice nämlich ein echtes Problem erwachsen, wie in dem Fall, den Kammerjuristin Gerke zuletzt beraten hat: Da waren bei einem SHK-Betrieb über Weihnachten so außergewöhnlich viele Notfall-Anrufe eingegangen, dass der dafür bereitstehende Anrufbeantworter voll gesprochen war. Ein weiterer Kunde konnte deshalb sein Anliegen nicht loswerden und musste ein anderes Unternehmen mit der Not-Reparatur beauftragen. Der daraus resultierende Konflikt wurde inzwischen aber einvernehmlich beigelegt.

Verträge sollte man anpassen

"Bei der Vertragsgestaltung mit dem Kunden sollte man den Notdienst mitbedenken", rät Gerke. "Wichtig ist es, die Dienstleistung genau festzulegen und wer sie in Anspruch nehmen darf. Alte Verträge sollte man sich genau ansehen und gegebenenfalls anpassen." Bei Rademacher können nur Bestandskunden den Notdienst rufen. Diese zahlen dafür den ganz normalen Stundensatz, ohne Aufschläge. "Das ist kein Geschäft, sondern Service und damit Kundenbindungs-Marketing", betont der Bocholter. Seine Kunden danken es ihm.

 

Abgrenzung Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst 

Kriterium: Wie schnell muss der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sein? 

Über 30 Minuten (ZDH aufgrund BAG-Rechtsprechung) = Rufbereitschaft
- ist grundsätzlich Ruhezeit 
- nur die Stunden werden bezahlt, die tatsächlich gearbeitet werden, inklusive Wegezeit (Achtung: Tarifverträge können abweichende Regelungen enthalten)
- Tariflohn

Unter 30 Minuten (damit gibt der Arbeitgeber indirekt den Aufenthaltsort vor) = Bereitschaftsdienst
- ist grundsätzlich Arbeitszeit
- wird insgesamt bezahlt
- Mindestlohn (mindestens)                                                                                                                        aki

 

Feuerwehrmann-Urteil des EuGH:
Der Feuerwehrmann aus Belgien war verpflichtet, im Notfall innerhalb von acht Minuten einsatzbereit zu sein. Das habe ihm praktisch unmöglich gemacht, einer anderen Tätigkeit nachzugehen, so das Urteil. Muss sich der Arbeitnehmer aber an einem vom Chef bestimmten Ort aufhalten, um innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung zu stehen, ist das als Arbeitszeit zu entlohnen, urteilten die EU-Richter. Angesichts dieser Einschränkungen unterscheide sich die Situation des Mannes von der anderer Arbeitnehmer, die einfach nur für ihren Arbeitgeber erreichbar sein müssten. Für unerheblich hielten sie es, dass der Arbeitnehmer sich dabei zu Hause aufhielt (21. Februar 2018, Az. C-518/15).


Tarifverträge SHK und Elektro in NRW:
Die Tarifverträge für SHK- und Elektrohandwerk in NRW sehen für die gesamte Zeit der Rufbereitschaft eine Vergütung vor – nicht nur für die tatsächlich geleisteten Stunden, wie es sonst die juristische Regel ist.
Beide Tarifverträge enthalten diese Klausel: "Arbeitnehmer, die nicht im Betrieb anwesend zu sein brauchen, sich aber für einen eventuellen Einsatz bereithalten müssen (Rufbereitschaft), erhalten für diese Zeit eine Vergütung. Der Personenkreis, der Zeitraum und die Höhe der Vergütung sind durch Betriebsvereinbarung festzulegen. Ist kein Betriebsrat vorhanden, legen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Zeitraum und die Höhe der Vergütung für die Rufbereitschaft eigenständig fest."

 

Text: / handwerksblatt.de

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