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Die Wissenschaftler Tim Meier-Dörnberg (r.) und Maximilian Michel im Hefezentrum Weihenstephan: Hefe trägt viel zum Geschmack von Bier bei, ist aber in ihren Eigenschaften und ihrem Verhalten noch wenig erforscht. (Foto: © FZW BLQ/TU München)

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Neuartige Bierkreationen ermöglichen

Bier-Forscher aus Weihenstephan ­wollen die Vielfalt der Hefen in den Brauereien und damit das Geschmacksspektrum des Getränks vergrößern. Erste Ergebnisse bereichern bereits die Bier-Landschaft.

Hefen sind kapriziöse Wesen. Zwar fressen sie alle gern Kohlenhydrate, einige aber keinen Malzzucker, andere sterben bei einem Alkoholgehalt größer als zwei Prozent ab. "Beim Brauen von Bier müssen die kleinen Fermentierer aber gerade das alles gleichzeitig leisten", schmunzeln die Diplom-Ingenieure Tim Meier-Dörnberg und Maximilian Michel vom Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität der Technischen Universität München. Gemeinsam haben die beiden Experten für Brauwesen und Getränketechnologie im Rahmen ihrer Dissertation vorhandene Hefen analysiert und katalogisiert und ganz neue gefunden, mit denen sich hervorragend Bier brauen lässt.

Dafür wurde den beiden im letzten Jahr der Forschungspreis der Heinrich-Funke-Pschorr-Stiftung verliehen, die junge Wissenschaftler im Bereich der Brauwissenschaften fördert. "Ein wirklich praxisrelevantes Forschungsprojekt, das uns Brauern eine breite Klaviatur zur kreativen Nutzung verschiedener Brauhefestämme an die Hand gibt", lautete das Fazit des Beirates der Wissenschaftsförderung der Deutschen Brauwirtschaft (Wifö), der die eingereichten Arbeiten bewertete. Von der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF), die stets eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und wirtschaftlicher Anwendung schlägt, wurde das Forschungsprojekt im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) gefördert.

Sechs Hefearten für alle Biere weltweit

Foto: © Iaroslav Danylchenko/123RF.com"Nur etwa sechs verschiedene Hefearten werden weltweit für das Brauen von Bier eingesetzt", weiß Tim Meier-Dörnberg, "eine davon für obergäriges Brauen, eine für untergäriges". Von diesen hält das Forschungszentrum Weihenstephan etwa 200 verschiedene Stämme vor, die irgendwann schon zum Einsatz kamen. Aber in heutiger Zeit, in der die Braukessel riesig und die Bierproduktion schnell sein müssen, werden nur noch wenige Hochleistungshefen verwandt. "Das bedeutet leider auch den Rückgang der aromatischen Vielfalt des Bieres, da die Hefe viel zum Geschmack des Getränks beiträgt", erklärt der Wissenschaftler. Um den Brauereien zu ermöglichen, auch unbekannte Hefen einzuschätzen und kreativ zu verwenden, hat Meier-Dörnberg ein standardisiertes Verfahren entwickelt und damit 40 Hefestämme charakterisiert.

Es sei nicht leicht, immer gleiche Versuchsbedingungen zu schaffen, da es sich ja um lebende Spezies handele, so der Getränkeingenieur. "Wir haben mit Hilfe einer standardisierten Würze und einer standardisierten Vergärung für jede Hefe die für den Brauer wichtigen Daten wie etwa die Gärungszeit- und Gärungsgeschwindigkeit ermitteln können, die Veränderung des pH-Wertes, das Flokkulationsverhalten – das heißt, wie schnell sich die Hefe absetzt – , und natürlich die Geschmackskomponenten", berichtet Meier-Dörnberg. Der Geschmack lässt sich mit den quantifizierbaren Anteilen an aromaaktiven Substanzen im fertigen Bier, wie Ester, Phenolen oder Schwefelverbindungen durchaus objektivieren. "Wir haben Kölsch, Alt, Trappist, Stout, Weizen, Ale, Lager, Pils und Export gebraut und untersucht", so Meier-Dörnberg. "Staatlich geprüfte Verkoster aus unserem Institut haben uns zudem ihre Aromaeindrücke zu den Biersorten – wie fruchtig oder würzig – mitgeteilt." Für zehn der Hefen haben die Wissenschaftler ein Poster (siehe Link) mit all diesen Angaben gedruckt, das man kaufen kann. "Wir verkaufen diese Hefen an unserem Hefezentrum, so dass die Brauereien damit arbeiten können", bietet Meier-Dörnberg an.

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700.000 natürliche Hefen zur Auswahl

Maximilian Michel hat indes mit demselben Verfahren nach ganz neuen Hefen gesucht. "Grundsätzlich hatte ich etwa 700.000 in der Natur vorkommende Hefearten zur Auswahl", lacht er, "aber es ließen sich 500 Kandidaten ausmachen, von denen nur 25 den Zucker aus der Bierwürze vergären können." Als Beispiel kann "Torulaspora delbrueckii T9", die bereits für Wein genutzt wird, dienen. "Wir fanden heraus, dass diese Hefe bei der Fermentation der standardisierten Würze vier Prozent Alkohol mit vielen fruchtigen Aromen bildete. Ein optimales Ergebnis entstand bei 20 °C ­Fermentationstemperatur. Die Startzahl an Hefezellen muss aber etwa sechsmal höher sein als sonst notwendig." Zwei weitere neue Hefen konnten Michel und Meier-Dörnberg charakterisieren, die sich für das Bierbrauen eignen und die das Institut in Weihenstephan nun den Brauereien anbietet. "Da gibt es etwa ‚Securitas – TUM193‘, wie wir sie genannt haben, mit deren Hilfe das Bier durch viel Schwefeldioxid geschmacklich länger stabil bleibt. Oder auch ,Tropicus – TUM 506‘, mit dem das Bier nach tropischen Früchten schmeckt."

Die neuen Hefen stoßen bei den Brauereien auf großes Interesse und werden bereits eingesetzt. "Insbesondere Klein- und Kleinstbrauereien erobern sich mit innovativen Bierkreationen den Markt", haben Meier-Dörnberg und Michel erfahren. Umgekehrt können Brauereien in Weihenstephan auch eigene Hefen testen lassen – was im laufenden Braugeschäft nicht möglich ist. Ein ­Anschlussforschungsprojekt haben die beiden Bierforscher schon im Visier. Eine große Datenbank an Hefen soll entstehen. "Wir gehen davon aus, dass noch weit über 650.000 Spezies unentdeckt und unbeschrieben sind."


Hintergrund: Ein Hefen-Poster gibt es online hier zu kaufen.

Text: / handwerksblatt.de

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