Symbol für das Ruhrgebiet und den Bergbau: die Zeche Zollverein in Essen. (Foto: © bjoernalberts/123RF.com)

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Welche Perspektiven hat das Ruhrgebiet?

Betriebsführung

Die Ära des Bergbaus im Ruhrgebiet geht zuende. Welche Zukunftsperspektiven hat die Region? Das Handwerk fordert eine strukturpolitische Neuausrichtung der Ruhrförderung in Richtung Mittelstand.

Mit Schließen der letzten Zeche im Revier in Bottrop zum Jahresende kommt es zu einer historischen Zäsur im Ruhrgebiet. Nach über zwei Jahrhunderten wird dann der Steinkohlebergbau an der Ruhr Geschichte sein. Der Strukturwandel beginnt nicht mit der letzten Schließung, sondern läuft bereits seit Jahrzehnten und hat teils dramatische Ausmaße angenommen. Viele Großkonzerne, auch aus der mit dem Bergbau eng verflochtenen Eisen- und Stahlindustrie, sind verschwunden oder nutzen andere Produktionsstandorte. Die Folge: Im Vergleich mit dem Bundes- und Landesdurchschnitt fallen Bruttosozialprodukt, Bruttowertschöpfung und privates Einkommen. Arbeitslosigkeit, Armutsrisiken und die kommunale Verschuldung steigen.

In der Debatte um die Zukunft des Ruhrgebiets melden sich jetzt 14 Organisationen des Handwerks, darunter die Handwerkskammern Dortmund, Düsseldorf und Münster – gemeinsam decken sie das Ruhrgebiet mit ihren Bezirken ab – sowie elf Kreishandwerkerschaften mit einem Positionspapier zu Wort. Die zentrale Botschaft des Papiers lautet: "Die Metropole Ruhr muss zukünftig vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen setzen, will sie die Abhängigkeit von Monostrukturen ausgleichen und Ausbildung, Beschäftigung und Innovationskraft entwickeln."

 Mentaler Wechsel hin zu kleineren Einheiten

Das Handwerk nennt in dem Papier vier Handlungsfelder: 1. Bildung und Qualifikation, 2. Wettbewerb, Finanzierung, Förderung, 3. Wachstum, Innovation und Digitalisierung und 4. Integrierte Raumentwicklung und Umweltpolitik. Die drei Kammern haben sich arbeitsteilig mit den Handlungsfeldern beschäftigt. Die Kammer Düsseldorf war dabei zuständig für Feld eins, die Kammer Dortmund für Feld zwei und drei, die Kammer Münster für Feld zwei und vier.

Ruhr Forum Handwerk
Das Handwerk Region Ruhr lädt am 4. September zur Diskussionsveranstaltung "Ruhr Forum Handwerk" im Erich-Brost-Pavillon der Zeche Zollverein in Essen ein. Nach einem Impulsvortrag von Landesministerin Ina Scharrenbach beginnt eine Podiumsdiskussion mit Akteuren aus Politik und Handwerk. Die Veranstaltung startet um 18 Uhr. Anmeldungen bitte an die bei der Kammer Dortmund unter ilka.berg@hwk-do.de bis zum 28. August.

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"In der Region Ruhr wurde zu lange und zu sehr auf große Einheiten gesetzt. Das hat zu ökonomischen Monostrukturen geführt, die im Wettbewerb zu unflexibel waren", sagt Andreas Ehlert. Die Region brauche einen mentalen Wechsel hin zu kleineren Einheiten, zu mehr Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. "Das verlangt eine Qualifikationskultur, die jedem Menschen die Chance bietet und Zutrauen vermittelt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und zum Unternehmer des eigenen Lebens zu werden", so der Präsident des Kammer Düsseldorf.

Stärkere Entflechtung von Staat und Wirtschaft

Ehlert fordert besondere Anstrengungen bei der Qualifizierung junger Menschen, um sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren und nicht in Transfersysteme zu führen. Solche Anstrengungen seien auch bei der Integration von Flüchtlingen notwendig. "Unser Grundsatz lautet: Wer bleiben darf, braucht auch passgenaue Qualifikationsangebote in Schule und Ausbildung, damit er sich beruflich und sozial integrieren kann. Hier ist das Handwerk ein Partner mit Erfahrung und Kompetenz." Berufliche Bildung sei der Schlüssel für Integration, sozialen Aufstieg und Karriereperspektiven. Ziel müsse es daher sein, dass alle Schulabgänger ausbildungsreif sind.

Berthold Schröder wünscht sich im Bereich Markt und Gewerbeförderung mehr Leistungswettbewerb und weniger wirtschaftspolitischen Interventionismus. Wenn sich die öffentliche Hand unternehmerisch betätigt, habe sie zahlreiche Wettbewerbsvorteile und schwäche so den ortsansässigen Mittelstand, erklärt der Präsident der Kammer Dortmund. "Die Region Ruhr benötigt daher eine stärkere Entflechtung von Staat und Wirtschaft, denn nur durch fairen Leistungswettbewerb entstehen tragfähige Innovationen."

Digitalisierung stellt Betriebe vor Herausforderungen

Digitalisierung und Innovation seien eng miteinander verknüpft. "Die digitale Revolution hat die Notwendigkeit zur ständigen Entwicklung und Verbesserung noch einmal beschleunigt." Diese Tatsache stelle Unternehmen, die berufliche Bildung und Beratungs- und Unterstützungsangebote vor große Aufgaben, da viele Handwerksunternehmen sich noch die nötigen Kompetenzen aneignen müssen, um sich auf die Digitalisierung auszurichten. "Um marktfähige Innovationsprozesse anzustoßen, benötigen wir eine stärkere Kooperation zwischen Forschung und mittelständischer Wirtschaft", fordert Schröder. Förderstrukturen beim Thema Innovationen sollten möglichst offen gehalten werden.

Der Präsident der Kammer Münster, Hans Hund, fordert geeignete Gewerbestandorte für das Handwerk, das als "wohnortnaher Arbeitgeber, Produzent und Dienstleister eine unverzichtbare ökonomische und gesellschaftliche Rolle" erfülle. Standorte bestehender Unternehmen müssten gesichert werden, vor Verdrängung durch andere Nutzungen - wie Wohnbebauung - geschützt und ein Flächenangebot für Erweiterung und Neuansiedlung von Betrieben geschaffen werden.

Mittelstandsfreundliche Verwaltungen gefordert

Außerdem müssten sich alle Verwaltungen in der Metropole Ruhr auf die Anforderungen des Mittelstands mit schnellen Genehmigungsverfahren und einer unbürokratischen Vergabepraxis einstellen. "Zu einem mittelstandsfreundlichen Klima und zu fairen Wettbewerbsbedingungen gehören auch eine effektive Bekämpfung der Schwarzarbeit, illegalen Beschäftigung und prekärer Arbeitsverhältnisse." Im Bereich Verkehr fordert Hund sichere Mobilität und die garantierte Erreichbarkeit der Zentren sowie die Ertüchtigung und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

Text: / handwerksblatt.de

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