Staatsministerin Annette Widmann-Mauz verschafft sich gerne selbst ein Bild, wie es mit der Integration von Geflüchteten in Ausbildung und Beschäftigung vorangeht – hier in der Getreidemühle Kienzlen in Tübingen.

Staatsministerin Annette Widmann-Mauz verschafft sich gerne selbst ein Bild, wie es mit der Integration von Geflüchteten in Ausbildung und Beschäftigung vorangeht – hier in der Getreidemühle Kienzlen in Tübingen. (Foto: © Integrationsbeauftragte)

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"Das Handwerk geht mit gutem Beispiel voran"

Betriebsführung

Annette Widmann-Mauz lobt das Engagement des Handwerks bei der Integration von Geflüchteten. Das Asylrecht und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen klar voneinander getrennt werden.

Die Termine im Handwerk genießt sie sehr, versichert die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, beim Gespräch mit unserer Redaktion im Bundeskanzleramt. Die CDU-Politikerin aus Baden-Württemberg besucht regelmäßig die Lossprechungsfeiern im Handwerkskammerbezirk Reutlingen. Sie ist also bestens im Bilde.

DHB: Frau Staatsministerin, Sie besuchen ab und zu Handwerksbetriebe, in denen Geflüchtete ausgebildet und beschäftigt werden. Wie sind Ihre Eindrücke?
Widmann-Mauz: Etliche Betriebe setzen sich mit viel Engagement dafür ein, dass geflüchtete Menschen als Azubis oder Beschäftigte beruflich und gesellschaftlich Fuß fassen. Damit leistet  das Handwerk  einen unersetzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Gleichzeitig ist dieser Einsatz im eigenen Interesse der Betriebe. Sie sichern sich damit ihren Nachwuchs und potenzielle Unternehmensnachfolger.

DHB: Mit welchen Schwierigkeiten sind die Unternehmen konfrontiert?
Widmann-Mauz: Oft geht es um Fragen des Aufenthaltsstatus und bei Menschen mit einer Duldung um die Perspektive einer dauerhaften Beschäftigung. Eine Rolle spielen auch unterschiedlich ausgelegte Ermessensspielräume in den Bundesländern. Gerade bei der Ausbildungsduldung brauchen wir eine bundeseinheitliche Umsetzung der Regelungen, damit sowohl die Geflüchteten als auch die Betriebe Sicherheit haben und sich auf das Wesentliche konzentrieren können – nämlich in Ruhe zu arbeiten.

DHB: Welchen Beitrag leistet die Wirtschaft, besonders das Handwerk?
Widmann-Mauz: Mittlerweile sind fast 350.000 Menschen aus den Asyl-Hauptherkunftsstaaten in Arbeit, die allermeisten sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Und von den Auszubildenden mit Fluchthintergrund wird mehr als ein Drittel im Handwerk ausgebildet. Das ist eine enorme Leistung. Dieses Engagement wünsche ich mir auch von anderen Wirtschaftszweigen, in denen die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften sehr hoch ist, z.B. in der Pflege, Gastronomie oder im Transportwesen. Das Handwerk geht hier mit gutem Beispiel voran.

DHB: An der Integration sind viele Akteure beteiligt. Manchmal hakt es zwischen ihnen ziemlich.
Widmann-Mauz: Seit 2015 hat Deutschland sehr viele geflüchtete Menschen aufgenommen. In der ersten Phase lag der Fokus auf der Unterbringung und Erstversorgung. Jetzt muss die Integration weiter vorangetrieben werden, in Bildung, auf dem Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft. Dazu müssen alle – die Unternehmen, das BAMF mit den Integrationskursen, die Bundesagentur für Arbeit, die Ausländer- und Sozialbehörden – eng zusammenarbeiten und sich abstimmen. Das bleibt eine echte Herausforderung, auch weil die Chancen auf dem Arbeitsmarkt regional unterschiedlich sind.

DHB: Wie können Sie dabei helfen?
Widmann-Mauz: Der Bund unterstützt die Länder finanziell, etwa mit Integrationspauschalen. Diese Mittel werden von den Ländern an die Landkreise weitergegeben, zum Teil auch für kommunale Integrationsmanager. Wichtig ist, die Maßnahmen vor Ort noch effizienter zu machen, indem bestehende Doppelstrukturen beseitigt und Synergien weiter verstärkt werden. Auch die Willkommenslotsen, die vom Zentralverband des Handwerks koordiniert und vom Bund finanziert werden, leisten einen wichtigen Beitrag, um Geflüchtete auf ihrem Weg in eine Ausbildung, ein Praktikum und in Jobs zu begleiten. Die rund 170 Willkommenslotsen unterstützen die Betriebe überall in Deutschland bei der Zusammenarbeit mit den Behörden. Das hat sich bewährt. Die Willkommenslotsen leisten einen enorm wichtigen Beitrag zur Integration.

DHB: Von den Betrieben wird oft die inkonsequente Umsetzung der 3+2-Regelung beklagt. Wo liegen hier die Probleme?
Widmann-Mauz: Die  3+2-Regelung war ein wichtiger Schritt. Jetzt muss es darum gehen, dass sie auch überall in Deutschland gut umgesetzt wird. Dafür mache ich mich stark. Außerdem wollen wir die Regelung auf die Helferberufe ausweiten. Damit es bei der 3+2-Regelung keine Unklarheiten bei den Begrifflichkeiten mehr gibt, hat der Bund eine Auslegungshilfe erlassen. Wichtig ist, jetzt mit den Ländern genau zu prüfen, woran es im Detail hapert, damit wir zu einer bundesweit einheitlichen Rechtsanwendung kommen. Wenn sich alle im Ziel einig sind, bin zuversichtlich, dass das auch gelingt.

DHB: Die Vermittlung von Deutschkenntnissen spielt eine erhebliche Rolle, damit die Geflüchteten schnell Fuß fassen können in der Berufsschule und in den Betrieben. Wie kann man das Angebot weiter verbessern?
Widmann-Mauz: Sprache ist ein wichtiger Schlüssel für die Integration und oft Voraussetzung dafür, gesellschaftlich und beruflich Fuß zu fassen. Deshalb haben wir die Förderung von Sprachkursen mit beruflichem Schwerpunkt verstärkt und mit den Angeboten der Bundesagentur für Arbeit verzahnt. Probleme vor Ort gibt es dort, wo keine richtigen Fachklassen zusammenkommen oder die Mindestschülerzahl unterschritten wird. Hier müssen gemeinsam mit den Bildungsministerien der Länder und den berufsbildenden Schulen Lösungen gefunden werden.

DHB: Könnten nicht auch die Ausbildungszentren des Handwerks solche Sprachkurse anbieten?
Widmann-Mauz: Das klingt nach einem pragmatischen Ansatz. Es ist gut, wenn von Seiten der Wirtschaft ein maßgeschneidertes Angebot entwickelt wird. Das dürfte auch im Interesse der Betriebe und der Geflüchteten sein. Die Handwerkskammern können dabei wichtige Unterstützung leisten, denn sie wissen genau, wie viele Auszubildende es pro Innung gibt und kennen die betrieblichen Erfordernisse. Daraus lassen sich – abgestimmt mit der Bundesagentur für Arbeit – neue Angebote entwickeln.

DHB: In welchem Verhältnis werden das Asylrecht und das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz stehen?
Widmann-Mauz: Das Asylrecht wird weiterhin allen Menschen offenstehen, die verfolgt werden oder vor Bürgerkrieg und Terror fliehen. Dies ist ein Zugang unter humanitären Gesichtspunkten. Dagegen wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz den gesteuerten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt regeln – und zwar nach dem Bedarf unserer Wirtschaft. Beides muss klar voneinander getrennt bleiben, um keine falschen Anreize zu schaffen. Klar ist aber auch, dass wir für die gut integrierten Geduldeten, die bereits hier sind, beruflich Fuß gefasst haben und die unsere Wirtschaft dringend braucht, eine pragmatische Lösung brauchen. Dafür mache ich mich stark.

DHB: Welche Kriterien werden Fachkräfte, die aus Drittstaaten zu uns kommen wollen, erfüllen müssen?
Widmann-Mauz: Darüber diskutieren wir gerade sehr intensiv. Sicher ist: Es muss eine klare Zusage für einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz vorliegen. Hinzu kommen beispielsweise die berufliche Qualifikation und das Sprachniveau. Außerdem werden wir sehr genau darauf achten, dass alle, die zu uns kommen, die Prinzipien unseres Rechtsstaats und unserer Rechtsordnung respektieren.

DHB: Doch auch die Arbeitgeber sind gefordert.
Widmann-Mauz: Richtig, sie müssen ebenfalls bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Vor allem müssen sie ortsübliche oder Tariflöhne bezahlen. Eine Zuwanderung in die steuerfinanzierten Sicherungs- oder Aufstockersysteme ist ausgeschlossen, weil die Fachkräfte ja Einkommen deutlich über dem Existenzminimum erzielen. Ich würde mir außerdem wünschen, dass Arbeitgeber die neu angekommenen Fachkräfte in der ersten Phase bei der sozialen Integration unterstützen und auch etwas für die Familien tun – z.B. bei der Suche nach einem Kita-Platz helfen, wenn es keinen Betriebskindergarten gibt.

DHB: Im Ausland erworbene Qualifikationen anrechnen zu lassen, ist aufwändig und dauert mitunter sehr lange. Das Handwerk hat Ihnen dazu etwas vorgeschlagen.
Widmann-Mauz: Es muss unser Ziel sein, bilaterale Vereinbarungen mit den Ländern abzuschließen, die ähnliche oder vergleichbare Ausbildungsniveaus haben. Außerdem müssen wir bei den Berufsanerkennungsverfahren besser werden, da sind wir einer Meinung. Die Anregung des Handwerks fließt in die Beratungen mit ein.  

DHB: Bei der Suche nach Fachkräften konkurrieren wir mit vielen anderen Staaten. Wie wollen Sie die klügsten und besten Köpfe nach Deutschland locken?
Widmann-Mauz: Das wird nur gelingen, wenn Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen. Die Industrie hat Niederlassungen im Ausland. Das Handwerk engagiert sich seit Jahrzehnten beruflich z.B auch in Afrika. Solche gewachsenen Verbindungen und guten Beziehungen müssen wir nutzen. Wir bauen Kompetenzzentren in den Partnerländern auf. Hier arbeiten Auslandsvertretungen, Außenhandelskammern und Goethe-Institute Hand in Hand. Durch deren gebündeltes Know-how können Visa schneller erteilt und Abschlüsse schneller anerkannt werden. Und auch das Deutsch-Lernen klappt zügiger. Damit bereiten wir Menschen, die zu uns kommen wollen, bereits in ihrer Heimat so gut wie möglich auf das Ankommen in Deutschland und den direkten Einstieg in die Arbeitswelt vor.

DHB: Die Anwerbeländer dürften von den deutschen Akquisetätigkeiten wenig begeistert sein.
Widmann-Mauz: Eine Talentabwanderung darf es nicht geben. Das sehen übrigens auch deutsche und international operierende Unternehmen mit Sitz in potenziellen Anwerbestaaten so. Die Kompetenzzentren können aber auch in die andere Richtung funktionieren. Wer in seine Heimat zurückkehren möchte, bringt die in Deutschland erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten mit und kann damit in seinem Herkunftsland etwas Neues aufbauen. Auf diese Weise entstehen mit den Herkunftsländern echte Partnerschaften.

DHB: Wann wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft treten?
Widmann-Mauz: Die Arbeiten daran laufen. Ich bin zuversichtlich, dass das Kabinett den Gesetzesentwurf noch dieses Jahr verabschiedet und ans Parlament weiterreicht. Wir wollen es schnell und qualitativ hochwertig ins Bundesgesetzblatt bringen. Die deutsche Wirtschaft benötigt Fachkräfte aus dem Ausland. Je eher wir ein gutes Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben, desto besser.

DHB: Welche Rolle spielen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, damit mehr Menschen aus dem Ausland bei uns lernen und arbeiten möchten?
Widmann-Mauz: Eine sehr wichtige. Wir müssen ein Land bleiben, in dem sich Zuwanderer willkommen fühlen, respektvoll behandelt werden und gleichberechtigt sind – unabhängig von ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion.

DHB: Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat kürzlich eine Resolution verabschiedet, die für ein weltoffenes, liberales und demokratisches Deutschland eintritt. Wie stehen Sie dazu?
Widmann-Mauz: Die Resolution des ZDH ist ein wertvoller Beitrag in der gesellschaftspolitischen Diskussion. Das Handwerk bekennt sich klar zum Geiste des Grundgesetzes. Werte wie Respekt oder Toleranz werden von den Familienbetrieben nicht nur gefordert, sondern auch selbst vorgelebt. Die Resolution stärkt denjenigen den Rücken, die tagtäglich zu diesen Werten stehen. Das sind die Handwerker in den Betrieben, aber auch alle anderen, die Verantwortung für diesen Staat und diese Gesellschaft übernehmen.

Das Interview führten Michael Block und Bernd Lorenz.

Text: / handwerksblatt.de

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