Roswitha Klugbauer, Restauratorin im Handwerk

"An diesen wunderschönen Möbelstücken setzen wir das Gelernte nun direkt in die Praxis um." (Foto: © Klugbauer)

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Steile Karriere für Moos im Schemel

Betriebsführung

Ihr Interesse an Geschichte und historischen Materialien führte die bayerische Raumausstatterin Roswitha Klugbauer nach Raesfeld. Und von dort aus ­direkt in eine Anstellung in einem Museum.

Angefangen hat ihre Geschichte ganz klassisch. Mit einer Raumausstatterlehre in Altfraunhofen in Niederbayern. "Ich lernte die modernen Handwerkstechniken kennen, polstern, nähen, Böden verlegen, Dekorationen montieren", erinnert sich Roswitha Klugbauer. "Aber es fehlten mir die Herausforderungen." So wechselte die angehende Handwerkerin zum dritten Lehrjahr in eine Werkstatt in Landshut. "Dort arbeitete ich selbstständiger und bekam es auch mit alten Möbeln zu tun." Restaurieren im Sinne von dem, was sie Jahre später in der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld lernen sollte, sei das aber nicht gewesen, betont sie. "Wir setzten die alten Möbel instand, ja, aber es wurde viel mit aktuellen Materialien erneuert, wenig erhalten."

Roswitha Klugbauer aber interessierte sich vor allem für alte Materialien und seit ihrer Kindheit auch für Geschichte. In der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld bei Münster gibt es die einzige Weiterbildung in Deutschland zum Restaurator im Raumausstatterhandwerk, wusste sie damals schon. Und das erschien ihr auch damals schon sehr verlockend. Dann kam ein Schlüsselerlebnis hinzu: "Ich habe mich in einen kleinen Fußschemel aus einer Kirche verliebt", strahlt sie heute noch. "Der war mit Moos gefüllt." Da gab es auch noch andere Materialien, die sie faszinierten. Je nachdem woher ein Möbelstück komme, sei es mit Seegras oder Alpengras oder auch mit Rosshaar gepolstert. Heute wird eine solche Polsterung oft durch Schaumstoff ersetzt. "Der ist zugegebenermaßen leichter zu verarbeiten und es geht auch viel schneller", räumt Klugbauer ein. Für die alten Materialien brauche man Fingerfertigkeit und Erfahrung. "Und man muss lange üben, bis die Form schön wird", schmunzelt Klugbauer. "Aber diese Arbeit hat so viel mehr Charme."

Sie hat es nie bereut

2012 hat sich Roswitha Klugbauer dann selbstständig gemacht. "Da habe ich mehr und mehr meine Defizite im Bereich der Kunstgeschichte und der Bewertung alter Möbel empfunden." Da als Unternehmerin die Freiheiten, die Tage zu gestalten, dann auch größer waren, war der Entschluss gefasst: "Ich gehe nach Raesfeld." Das war 2015.

Sie hat es nie bereut. Teuer sind die Kurse an der Akademie des Handwerks und sie schlucken viel Zeit. "Aber der große Erfahrungsschatz der Seminarleiter – sowohl in den praktischen Kursen als auch den theo­retischen Seminaren – hat mich unendlich bereichert", erinnert sich Klugbauer. Auch der Unterricht in Chemie und Physik hat meinen Horizont sehr erweitert. Besonders gern hat sie eine Schellackpolitur aufgebracht – "das führte mich sogar über mein eigenes Gewerk hinaus in die Welt der Schreiner".

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So viel wie möglich erhalten

In Raesfeld hat sie gelernt, alles Erhaltungswürdige zu erhalten. Das hat Roswitha Klugbauer in ihrer eigenen Werkstatt wirklich fortsetzen können. "Eine Kundin brachte mir zum Beispiel einen Empiresessel, dessen Bezugsstoff sie gern erhalten wollte." Klugbauer hat den Stoff nur gereinigt und den Sessel von unten geöffnet, um die maroden Federn zu reparieren. Ein anderes Mal habe sie für ein Sofa, das zwei Schwestern brachten, eine Dokumentation erstellt, wie es früher gestaltet war – einschließlich einer Materialsammlung. "Denn um das Sofa benutzen zu können, musste doch vieles erneuert werden." Und auch bei einem total durchgesessenen Kult-Ledersofa aus einer Diskothek konnte sie das Kultige bewahren. "Ich musste zwar die Sitzfläche erneuern, aber die Rückenlehne konnte mit dem alten Bezug all die Patina behalten."

Und wie soll jetzt Roswitha Klugbauers Zukunft als Raumausstatterin aussehen? "Ich habe wohl einen Traumjob bekommen", schmunzelt sie. Ab Dezember ist sie – neben der Arbeit in ihrer eigenen Werkstatt – für die Instandhaltung und Restaurierung der 2.500 Stühle und Sitzmöbel der Löffler Collection in Reichenschwand bei Nürnberg zuständig. Sie wird dort mit einem Kollegen zusammenarbeiten, der auch gerade die Fortbildung an der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld mit der Prüfung abgeschlossen hat. Der Unternehmer Werner Löffler, Inhaber einer Möbelfabrikation, trägt seit 1987 Stühle aus drei Jahrhunderten zusammen. "An diesen wunderschönen Möbelstücken werden wir das Gelernte nun direkt in die Praxis umsetzen können", freut sich die Restauratorin im Handwerk.


Berühmt über Deutschlands Grenzen hinaus

Foto: © Rolf Göbels, WHKTNur noch wenige Stellen gibt es in Deutschland, in denen ein Handwerker Kenntnisse und Techniken der Restaurierung erlernen kann. "Umso größer ist heute die Bedeutung der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld", betont Hans Hund, Vorsitzender des Träger- und des Fördervereins der Bildungsstätte. "Ohne Raesfeld würden in Zukunft die ausgebildeten Fachkräfte im Denkmalschutz und in der handwerklichen Restaurierung fehlen." Nur noch wenige Stellen gibt es in Deutschland, in denen ein Handwerker Kenntnisse und Techniken der Restaurierung erlernen kann. "Umso größer ist heute die Bedeutung der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld", betont Hans Hund, Vorsitzender des Träger- und des Fördervereins der Bildungsstätte. "Ohne Raesfeld würden in Zukunft die ausgebildeten Fachkräfte im Denkmalschutz und in der handwerklichen Restaurierung fehlen." 

Die Weiterbildungseinrichtung der Handwerksorganisationen Nordrhein-Westfalens hat eine lange Tradition. Gründungsauftrag der Akademie war 1952, das Know-how aus dem Erhalt der Anlage des Wasserschlosses von Raesfeld weiterzugeben. Aus dem großen Erfahrungsschatz in der Denkmalpflege konnte und kann man bis heute authentisch lehren und zur Pflege der Handwerkskultur beitragen. "Die Lehrgangsteilnehmer profi­tieren enorm von diesem so inspirierenden Umfeld", ist Hund überzeugt. Über die Grenzen Deutschlands hinaus habe sich die Akademie einen exzellenten Ruf erworben. "Nach der Öffnung von Osteuropa kamen vor allem Ungarn und Polen nach Raesfeld, um sich dort im Denkmalschutz bilden und im Restaurieren ausbilden zu lassen für die gewaltigen Auf­gaben, die in ihren Ländern auf sie warteten", so Hund. "Die Kurse werden wir in altbewährter Form auch in Zukunft anbieten." In die Lehrpläne auf Schloss Raesfeld haben aber auch neue Erkenntnisse Eingang gefunden. "Immer häufiger streben Denkmalschützer an, alte Bauwerke, Antiquitäten und Kunstschätze so zu erhalten, wie man sie vorfindet, statt ihren Originalzustand wiederherzustellen." Mit modernen Beschichtungen etwa könnten Fassaden im Ist-Zustand konserviert werden. "Gemeinsam mit den industriellen Herstellern von Materialien und Werkzeugen werden wir diesen Ansatz auch in Raesfeld verfolgen und in die Lehrgänge einfließen ­lassen", plant Hans Hund.


Moderne Anforderungen ­integrieren

Foto: © Rolf Göbels, WHKT"Ein weiterer Schub an Restaurierungsprojekten steht kurz bevor." Reiner Nolten, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld, ist sich da ganz sicher. "Nachdem bis in die 70er Jahre noch Wiederaufbau galt und in den 80er Jahren endlich Restauration entdeckt wurde, gab es eine weit verbreitete Liebe zu Antiquitäten und einen regelrechten Hype der Restauration von alten Möbeln und Gebäuden", erinnert er sich. "Dies flammte nach der Wiedervereinigung noch einmal im größeren Maße auf und brachte auch Aufträge im Westen." Danach fehlte überall das Geld. Nun aber habe der nach den Kirchen zweitgrößte Besitzer von Denkmalen, die öffentliche Hand, wieder hohe Steuereinnahmen und die Möglichkeit, alte Gebäude und ihr Inventar nach allen Regeln der Kunst instand zu setzen. 

"Wer als Handwerker einen Abschluss als ­Restaurator im Handwerk in Raesfeld absolviert hat, ist für solche Aufgaben hervor­ragend gerüstet", ist Nolten überzeugt. Vor allem durch die Abschlussarbeiten, die als Projektarbeit nicht nur beinhalten, ein Stück zu restaurieren, sondern in komplexer Herangehensweise auch die Materialien zu analysieren, eine Bestandsaufnahme niederzulegen, alle Schritte der Restaurierung zu dokumentieren und den finanziellen Rahmen wiederzugeben. Das bereite die Absolventen in besonderer Weise auf ihre zukünftigen Aufgaben vor. Und die bestätigen auch, dass ihnen dieses Know-how auch bei anderen Aufträgen zugutekommt. Aufträge fänden die exzellent ausgebildeten Restauratoren ganz leicht, betont Nolten, denn mit ihrer Ausbildung ­heben sie sich doch sehr von der Masse ab und ­können ­etwas Besonderes anbieten. 

Dabei gilt es oft, neue Bestimmungen mit den Anforderungen des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen. Heute gibt es erhebliche Verschärfungen im Brandschutz oder es sind energetische Vorgaben zu gewährleisten. Gesundheitsschädliche Materialien ­müssen ersetzt werden. Dafür sollte man sich natür­lich auch mit modernen Arbeitsweisen auskennen. So gebe es zum Beispiel digitale Techniken, die das Arbeiten sehr erleichtern.  "Intarsien lassen sich etwa digital sehr viel leichter ausschneiden, aber in Kenntnis der alten Methoden gelingt das einem Restaurator im Handwerk auch auf diese Weise sehr originalgetreu", erklärt Nolten. Die Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld müsse sich erneuern, mit der Zeit gehen und moderne Anforderungen und Arbeitsweisen in die Kurspläne ­integrieren, stellt Nolten fest. "Meine Aufgabe in den nächsten Jahren wird es sein, ­hierfür die entsprechenden neuen, modernen ­Ausstattungen in den Werkstätten zu ­schaffen."

Text: / handwerksblatt.de

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