"Weder der Arzt noch der Handwerker hat seinen Beruf ergriffen, um Buchhaltung zu machen", sagt Jens Kassow, Geschäftsführer der Deutschen Verrechnungsstelle.

"Weder der Arzt noch der Handwerker hat seinen Beruf ergriffen, um Buchhaltung zu machen", sagt Jens Kassow, Geschäftsführer der Deutschen Verrechnungsstelle. (Foto: © Deutsche Verrechnungsstelle)

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Verrechnungsstellen: Die Rechnung ist aus dem Sinn

Rechnungen drucken, sie verschicken und den Zahlungseingang Rechnungen drucken, sie verschicken und den Zahlungseingang überwachen. Das kann man auch anderen überlassen.

Handwerker können sich zurzeit nicht vor Aufträgen retten. Die Zeit, um offene Rechnungen nachzuhalten und sich um Zahlungserinnerungen zu kümmern, haben viele oft nur abends oder am Wochenende. Hier setzt ein aktueller Service an, mit dem man sich Zeit und Ärger ersparen kann: eine ausgelagerte Buchhaltung mit professionellem Mahnwesen und auf Wunsch auch Factoring. Jens Kassow ist Geschäftsführer der Deutschen Verrechnungsstelle (DV).

DHB: Herr Kassow, Verrechnungsstellen kennt man von Ärzten. Seit 2016 bieten Sie einen vergleichbaren Service für Handwerk und Mittelstand an. Also, dass die Rechnungen nicht vom Betrieb selbst, sondern von der Deutschen Verrechnungsstelle verschickt und überwacht werden. Warum ist diese Zielgruppe für Sie so interessant?
Kassow: Weder der Arzt noch der Handwerker hat seinen Beruf ergriffen, um Buchhaltung zu machen, um Rechnungen zu schreiben, zu mahnen und sich um die ganzen Formalien zu kümmern. Bei den Ärzten ist das System einer Verrechnungsstelle bereits vor fast 100 Jahren entwickelt worden und mittlerweile voll etabliert. Beim Handwerker noch nicht.

DHB: Warum gab es das bislang denn nicht?

Kassow: Das liegt unter anderem daran, dass es den typischen Handwerker nicht gibt, sondern viele unterschiedliche Branchen mit ganz unterschiedlichen Anforderungen. Trotzdem liegt es eigentlich auf der Hand, dass Handwerker einen solchen Service brauchen, damit sie mehr Zeit für ihre Kernkompetenz haben. Wir haben hierfür eine Reihe von Dienstleistungen zusammengeführt und verknüpft. Dabei bieten wir vor allem ein professionelles Rechnungs- und Forderungsmanagement, wie es sonst eigentlich nur Großhandelsunternehmen und Dax-Unternehmen zur Verfügung steht.

DHB: Wie kann man sich das Prozedere vorstellen?

Kassow: Der Handwerker schreibt seine Rechnung und stellt sie uns als maschinenlesbare PDF-Datei zur Verfügung. Das heißt, er lädt sie in unserem Online-Portal hoch. Wir drucken und versenden daraufhin die Rechnung an seine Auftraggeber, wir halten den Zahlungseingang nach und übernehmen das gesamte Mahnwesen. Und wir geben dem Handwerker ständig Feedback über den Status der Zahlung im Online-Portal. Das ist der Kern unserer Dienstleistung. Inbegriffen ist ein weiterer Vorteil: Bevor ein Handwerker überhaupt einen Auftrag annimmt, kann er dank Zugriff auf eine Auskunftei und den darin enthaltenen Bewertungen vorausschauend entscheiden, ob er mit einem Kunden überhaupt zusammenarbeiten möchte. Dadurch können spätere Scherereien schon im Vorfeld vermieden werden. Außerdem kann man die volldigitalisierte Rechnung über eine Datev-Schnittstelle direkt an den Steuerberater weitergeben.

DHB: Was passiert, wenn der Kunde einmal nicht pünktlich zahlt?

Kassow: Dann geht zuerst eine Zahlungserinnerung raus, dann eine Mahnung und die dritte Mahnstufe ist ein persönliches Telefonat. Einige unserer Kunden hatten anfangs etwas Sorge, weil die eigenen Kunden von Fremden gemahnt werden. Aber unsere Mitarbeiter sind darin ausgebildet, besonders wertschätzend mit den Kunden umzugehen, gerade bei solchen eher unangenehmen Themen. Wir wollen schließlich niemanden vor den Kopf stoßen oder gar Kunden vergraulen, sondern vielmehr die Gründe herausfinden, warum jemand sich schwertut, eine Rechnung zu bezahlen. Ist er knapp bei Kasse und möchte in Raten zahlen? War er vielleicht mit der Leistung nicht zufrieden? Dann geben wir sofort ein Feedback an den Handwerker. Wenn jemand aber ein regelrechter Profi im Nichtbezahlen von Rechnungen ist, dann finden wir auch dies heraus und reden Klartext. Die Erfolgsquote ist übrigens exzellent.

DHB: Warum sollte ein Handwerker seine Buchhaltung überhaupt auslagern?

Kassow: Momentan sind Zahlungsausfälle bei den meisten recht überschaubar. Das muss aber nicht so bleiben, wenn die Konjunktur ins Stocken gerät. Unser Problem in Deutschland ist aktuell nicht, ob der Kunde zahlt, sondern wann. Kunden lassen sich immer länger Zeit, ihre Rechnung zu begleichen. Der Handwerker wird dann zur Bank des Kunden. Gerade Großunternehmen reizen ihre Zahlungsziele gerne aus. Zu einem erheblichen Teil muss auch erinnert und gemahnt werden. Da macht es erfahrungsgemäß tatsächlich einen Unterschied, ob ich als Elektriker oder Tischler die Mahnung verschicke, oder ob das die Deutsche Verrechnungsstelle tut. Dadurch erhält das Ganze einen behördlichen Anstrich. Außerdem schicken wir die nächste Mahnung zügig hinterher. Diese Resolutheit wirkt. Nur zwei Prozent unserer Fälle geraten ins Inkassoverfahren, die Ausfallquote liegt bei unter 0,02 Prozent.

DHB: Zusätzlich bieten Sie den Unternehmen auch Factoring an. Auch das ist bei kleinen und mittleren Unternehmen noch nicht so weit verbreitet.

Kassow: Der Kunde kann entscheiden, ob ihm die Basisdienstleistung reicht, weil er keinen Liquiditätsbedarf im Unternehmen hat, oder ob er zusätzlich eine Vorfinanzierung in Form von Factoring möchte. Hier arbeiten wir mit der Factoringgesellschaft "abcfinance" zusammen. Wir sind in diesem Fall eine vermittelnde Stelle zwischen den Unternehmen und der Factoringgesellschaft. Der Betrieb hat dann innerhalb von zwei Bankarbeitstagen nach Ankauf der Rechnung den Rechnungsbetrag abzüglich der Factoringgebühr von 3,6 Prozent auf seinem Konto. Jeder kann das nutzen, es gibt keinen Mindestumsatz, vorausgesetzt wird nur eine gewisse Mindestbonität. Wir akzeptieren Gewerbe- und Privatkunden. Ausgeschlossen ist nur das Bauhauptgewerbe. Dachdecker, Gerüstbauer und die gesamten Baunebengewerbe können unseren Service durchaus nutzen.

DHB: Gibt es sonst noch Unternehmen, für die Factoring nicht infrage kommt?

Kassow: Wer seine Leistungserbringung nicht im Griff hat, wer also ständig mit Reklamationen zu tun hat, für den bringt Factoring zusätzliche Probleme mit sich, da auch hiermit Verpflichtungen einhergehen. So müssen Reklamationen innerhalb einer Woche geklärt werden, da sonst das vorgeschossene Geld wieder zurückgebucht wird. Man muss also ein einwandfreies Geschäft liefern oder Missstände schnell begleichen. Umso sinnvoller ist es deshalb auch, immer mit Abnahmeprotokollen zu arbeiten. Aber bei solchen Fragen stehen wir unseren Kunden mit Rat und Tat zur Seite.

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Das Interview führte Kirsten Freund.

Text: / handwerksblatt.de

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