Im Tandem erfolgreich: Beim Senior Experten Service (SES) unterstützen Menschen mit langjähriger Berufserfahrung individuell Auszubildende und Schüler. (Foto: © stockbroker/123RF/123RF.com)

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Mit Senior-Experten zum Ausbildungserfolg

Senior-Experten geben ihr Wissen an Azubis weiter. Dem einen hilft es, die Lehre überhaupt erst zu beenden. Andere verbessern dadurch ihre Noten. Die individuelle Betreuung ist sehr gefragt.

Vor seiner Pensionierung war Wolfgang Dieter Striening 35 Jahre lang bei einer Tochtergesellschaft des Thyssen-Krupp-Konzerns beschäftigt, zuletzt als Leiter Personalmarketing. Außerdem hatte er sich über zwei Jahrzehnte in seinem Reiterverein als Jugendwart engagiert. Dass nun mit einem Mal das erworbene Fachwissen sowie die in Beruf und Freizeit gesammelten Erfahrungen nutzlos sind, wollte der diplomierte Volkswirt und Soziologe nicht hinnehmen. Deshalb ist er gleich nach dem Renteneintritt beim Senior-Experten-Service eingestiegen. Der SES ist in mehreren Einsatzfeldern im In- und Ausland tätig.

Nachhilfe in Mathe, Deutsch und WiSo

Striening ist im Schulprogramm und bei der Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (VerA) aktiv. Zum einen unterstützt er die Lehrkräfte der Abschlussklasse an einer Förderschule und einer Internationalen Förderklasse (IFK) an einem Berufskolleg. In kleinen Gruppen vermittelt er den Schülern das, was er am besten kann: Mathematik, Deutsch und Wirtschaft.

Außerdem betreut er junge Menschen individuell im Rahmen von VerA. Zurzeit sind es drei. Sie alle haben einen Migrationshintergrund, sind aber in unterschiedlichen Bereichen der beruflichen Bildung vertreten. "Hadi lernt einen gewerblich-technischen Beruf, Khadr macht eine kaufmännische Ausbildung und Abdullah besucht ein Berufskolleg." Je nach Bedarf fördert er sie zielgerichtet in Mathematik, Deutsch oder Wirtschafts- und Sozialkunde (WiSo).

Überschaubarer Einsatz

Die Einsätze an den Schulen sind gut planbar. An zwei Tagen in der Woche ist Striening jeweils vormittags für circa zwei Stunden am Berufskolleg und an der Förderschule tätig. Die VerA-Einsätze dagegen richten sich nach dem individuellen Bedarf. Sie dauern eine bis anderthalb Stunden, variieren aber in den zeitlichen Abständen. "Der gute Abdullah meldet sich meistens, wenn eine Klassenarbeit ansteht. Mit Hadi treffe ich mich alle 14 Tage, um die Texte aus den Lehrbüchern durchzugehen und Fachdeutsch zu trainieren. Und bei Khadr steht demnächst die Abschlussprüfung an."

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In der Regel fährt Striening zu seinen Schülern nach Hause. Ist es dort zu unruhig, überlegt er sich eine Alternative. "Das ist ganz individuell. Da muss man sich so ein bisschen rantasten." In den Schulen steht Striening ein festes Klassenzimmer, bei Bedarf sogar ein Raum für Einzelbesprechungen zur Verfügung.

Vier von fünf durch die Prüfung gebracht

Foto: © Peter LeßmannSeine Bilanz kann sich sehen lassen. 80 Prozent seiner bisherigen Schützlinge hat er erfolgreich durch die Prüfungen gebracht. "Manche hätten es auch ohne mich geschafft, aber so waren sie eine Note besser." Ein VerA-Einsatz endet spätestens mit dem Abschluss der Ausbildung. Doch Förderbedarf besteht in Einzelfällen auch noch danach. Sunai hat Striening schon während ihrer Friseurlehre begleitet. Abgeschlossen hat sie sie als Innungsbeste. Nun wird noch die Meisterschule drangehängt. Der Senior-Experte unterstützt sie außerhalb des Programms auch bei diesem Schritt.

Über die erfolgreiche Ausbildungsbegleitung der Geschwister Feuaz und Salama hat er deren ältere Schwester Salwa kennengelernt. Sie brauchte den Meisterabschluss im Friseurhandwerk unbedingt, weil sie schon einen gut laufenden Salon hat. Mit etwas Nachhilfe in Mathematik und Betriebswirtschaftslehre wurde diese Prüfung geschafft.

Aufgrund dieser positiven Erfahrung befürwortet Striening eine Ergänzung des SES-Programms. Nach einer erfolgreichen Begleitung bis zur Gesellenprüfung könnte dann noch eine anschließende Unterstützung zur Weiterbildung beantragt werden. Dies könne zunächst etwa im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt werden.

Steigende Nachfrage

Die Unterstützung der Senior-Experten ist in letzter Zeit "massiv nachgefragt" worden. Dies dürfte auch so bleiben. Striening führt dies auf zwei Entwicklungen zurück: Die Zuwanderung nach Deutschland wird auch weiterhin bestehen. "Den Migranten mangelt es nicht an den handwerklichen Fähigkeiten, aber sie brauchen eine individuellere Förderung, die ihnen die Sprache, theoretische Grundkenntnisse und weiche Faktoren wie Umgangsformen oder Zuverlässigkeit vermittelt." Zum zweiten wird es zunehmend wichtig werden, qualifizierte Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund zu unterstützen, "denn ein sichtbarer Erfolg in Ausbildung und Beruf ist der beste Nachweis für eine gelungene Integration". Die Angebote des Senior-Experten-Service können dabei eine große Hilfe sein.

Dringend neue Kräfte gesucht

Wer sich beim SES engagieren möchte, findet zahlreiche Informationen (darunter die Registrierungsunterlagen) im Internet. Anfragen werden aber auch telefonisch entgegen­genommen unter 0228 / 26090-0. Der Senior-Experten-Service braucht dringend neue Kräfte. "Zurzeit begleiten wir 60 bis 65 Auszubildende. 25 sind noch auf der Warteliste", erklärt Martin Lohmann, der als VerA-Regionalkoordinator für den Handwerkskammerbezirk Münster tätig ist. Im Moment stehen ihm 90 Senior-Experten zur Verfügung. Einer von ihnen ist Wolfgang Dieter ­Striening. Um die steigende Nachfrage zu bewältigen, bräuchte Lohmann weitere 50 bis 60 ehrenamtlich engagierte Helfer.

Probleme bereitet ihm vor allem die räumliche Verteilung. "Um Münster herum haben wir sehr viele Senior-Experten, im östlichen Teil des Kammerbezirks haben wir dagegen zu wenige." Vorgabe des SES ist, dass ein Senior-Experte im Rahmen von VerA maximal drei Azubis betreut und dafür nicht weiter als 20 Kilometer fährt. Der Mangel ist jedoch nicht nur im Münsterland spürbar. "Die Ausbildungsbegleitung ist bundesweit stark gefragt. Damit brauchen wir auch deutlich mehr Senior-Experten", weiß Martin Lohmann.

Text: / handwerksblatt.de

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