Handwerk

Bei der Handwerkskammer Rheinhessen stehen Birgit Scholz-Wilhelm (m.), Silke Hellmeister (l.) und Claudia Herbert-Demtröder (r.) bei Fragen rund um die ÜLU Rede und Antwort. (Foto: © Andreas Schröder)

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Gleichbleibende Qualität der Ausbildung sichern

Im Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt spricht Birgit Scholz-Wilhelm über die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung.

Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) ist seit vielen Jahren die dritte Säule der dualen Ausbildung im Handwerk. Bei der Handwerkskammer Rheinhessen sind Birgit Scholz-Wilhelm, Silke Hellmeister und Claudia Herbert-Demtröder für alle vertraglichen Angelegenheiten rund um die ÜLU zuständig. Das Deutsche Handwerksblatt sprach mit Birgit Scholz-Wilhelm über die Idee hinter der ÜLU und über die Fragen, die den Ausbildungsbetrieben am häufigsten auf den Nägeln brennen.

DHB: Warum gibt es überhaupt die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung im Handwerk?
Scholz-Wilhelm: Viele Handwerksbetriebe sind sehr spezialisiert und decken in ihren Tätigkeiten nicht das gesamte Spektrum der Berufe ab, in denen sie ausbilden. Die "überbetriebliche Lehrlingsunterweisung", kurz ÜLU, ergänzt und unterstützt die betriebliche Ausbildung vom ersten bis zum letzten Ausbildungsjahr in den Handwerksbetrieben. Sie sichert damit die gleichmäßig hohe Qualität der Ausbildung jedes Berufes im Handwerk, unabhängig von dem Spektrum des einzelnen Handwerksbetriebes. Die Lehrgänge vermitteln berufsspezifische praktische Fertigkeiten und Kenntnisse und sind ein fester Bestandteil der dualen Berufsausbildung im Handwerk.

DHB: Wonach richten sich die Inhalte der ÜLU genau?
Scholz-Wilhelm: Das Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik in Hannover erarbeitet mit den Fachverbänden für jeden Kurs sogenannte Unterweisungspläne. Das sind die Pläne, nach denen der Kurs durchgeführt werden muss, damit er durch Bundes- und Landeszuschüsse förderfähig ist. Ausgenommen hiervon sind nur die Bauberufe. Diese richten sich nach der sogenannten Stufenausbildung Bau, für die es speziell festgelegte Übungsreihen gibt.

DHB: Muss jeder Betrieb seinen Azubi für die überbetriebliche Ausbildung freistellen?
Scholz-Wilhelm: Ja, jeder Kurs, der von der Vollversammlung der Handwerkskammer beschlossen wurde, ist verpflichtend. Das heißt der jeweilige Betrieb ist ausbildungsrechtlich zur Freistellung des Auszubildenden und zur Entsendung in die überbetriebliche Unterweisung verpflichtet. Außerdem ist wiederum jeder Auszubildende seinem Betrieb gegenüber verpflichtet, an den Lehrgängen der überbetrieblichen Unterweisung teilzunehmen.

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DHB: Was passiert, wenn es betriebliche Engpässe gibt und der Azubi dringend gebraucht wird? Kann man in Monaten, in denen in den Betrieben Hochsaison herrscht, nicht einfach auf die ÜLU verzichten?
Scholz-Wilhelm: Leider nein. Unsere Werkstätten sind fast das komplette Jahr voll belegt. Ausgenommen hiervon sind meist nur die Sommerferien, die den Azubis für Urlaube zur Verfügung stehen sollen. Aus organisatorischen Gründen ist es nicht möglich, ganze Monate ohne Unterweisung zu lassen. Es trifft aber in der Regel unterschiedliche Azubis und Betriebe. Um es klar zu sagen: Betriebliche Gründe sind leider kein Entschuldigungsgrund für die Nichtteilnahme an einem Kurs. Die Azubis sind in jedem Fall freizustellen.

DHB: Was passiert, wenn in einer Woche ein Tag ausfällt, etwa weil der Ausbilder der Handwerkskammer plötzlich erkrankt und keine Vertretung möglich ist?
Scholz-Wilhelm: Auch wenn wir uns sehr darum bemühen, dass so etwas selten vorkommt, ganz zu vermeiden ist das natürlich nicht. Wir müssen solche Tage immer nachholen, denn die Kursfinanzierung der Fachkurse durch Bundes- und Landesfördergelder gilt nur für vollständig unterrichtete Wochen mit 40 Unterrichtsstunden.

DHB: Warum kostet die ÜLU eigentlich so viel Geld für den Betrieb? Das kommt ja auf das Azubigehalt noch oben drauf.
Scholz-Wilhelm: Ich kann verstehen, dass 200 Euro oder mehr pro Woche kein Pappenstiel für einen Betrieb sind. Die Kurse selbst sind jedoch sehr viel teurer. Neben einer Förderung der Fachkurse durch Bund und Land beteiligt sich auch der Haushalt der Handwerkskammer mit über einer Million Euro im Jahr an der Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung. Darin enthalten sind dann Beitragsgelder von allen Mitgliedsbetrieben der Kammer. Übrigens ist dieser Anteil der Handwerkskammer Rheinhessen besonders hoch und die wöchentliche Gebühr für die Betriebe vergleichsweise moderat. Erwähnt sei aber auch noch, dass es im Bereich des Baus ein eigenes Finanzierungssystem über die Sozialkasse Bau gibt. Hier erhalten die Betriebe keine gesonderte Rechnung.

DHB: Früher wurden die Azubis in der ÜLU auch mal für Berufsbildungsmessen eingesetzt oder haben gemeinnützige handwerkliche Arbeiten erledigt. Oft konnten sie so auch die jeweiligen Innungen unterstützen. Warum ist die Kammer hier in den letzten Jahren so restriktiv geworden?
Scholz-Wilhelm: Leider befinden wir uns mit der ÜLU in einem sehr engen Korsett aus Regelungen durch die Fördergeber. Wir haben hier nahezu keinen Spielraum mehr für eigene Gestaltungen. Die Ausbildung selbst darf nur in geprüften Werkstätten der Berufsbildungszentren stattfinden, die vorgegebenen Lehrpläne sind zu 100 Prozent einzuhalten. Wir kämpfen aber weiterhin dafür, dass es hier in Zukunft flexiblere Lösungen gibt.

 

Kontaktadressen: Birgit Scholz-Wilhelm Tel.: 06131/ 9992 640 E-Mail: b.scholz-wilhelm@hwk.de, Silke Hellmeister Tel.: 06131/ 9992 544 E-Mail: s.hellmeister@hwk.de, Claudia Herbert-Demtröder Tel.: 06131/ 9992 643E-Mail: c.herbert@hwk.de

Text: / handwerksblatt.de

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