Forum Handwerksrecht 2019

Dozenten auf dem Forum Handwerksrecht: Prof. Dr. Gunther Friedl (LFI), Jakob Stefan Baschab (Hauptgeschäftsführer der Bundesinnung der Hörakustiker), Dr. Frank Hüpers (Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern),Prof. Dr. Simon Bulla, Prof. Dr. Martin Burgi (LFI und Universität München), Klaus Schmitz (Referatsleiter Handwerksrecht im ZDH), Prof. Dr. Johann-Christian Pielow (Universität Bochum) (Foto: © HWK München (Michael Schuhmann ))

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Rückkehr zur Meisterpflicht nur für wenige Gewerke

Die Wiedereinführung der Meisterpflicht war eines der aktuell wichtigen Themen, das Wissenschaftler, Praktiker und Verwaltungsmitarbeiter auf dem "Forum Handwerksrecht" diskutierten.

"Praxis trifft Wissenschaft", war das Motto des Forums Handwerksrecht, zu dem das Ludwig-Fröhler-Institut (LFI) am 7. Juni in München eingeladen hatte.  Prof. Dr. Gunther Friedl begrüßte die rund 100 Teilnehmer bei schönstem Sommerwetter, bevor Prof. Dr. Martin Burgi in seinem Fachvortrag die Zukunftsaussichten von Meisterbrief und Handwerksordnung vorstellte.

Der beratende Direktor am LFI und Inhaber eines Lehrstuhls an der Universität München kommt in seinem rechtswissenschaftlichen Gutachten zur Wiedereinführung der Meisterpflicht bei B1-Handwerkern zu dem Ergebnis, dass diese sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich gerechtfertigt werden kann. Neben dem Schutz von Leben und Gesundheit seien auch Gemeinwohlbelange wie Ausbildungssicherung und Ausbildungsleistung, Verbraucherschutz und Qualitätssicherung sowie eine handwerksbezogene Mittelstandsförderung gewichtige Gründe.

Keine Angst um die A-Handwerke

Die aktuelle Diskussion konzentriere sich dabei auf die Rückführung nur einiger B1-Handwerke, berichtete er. "Die A-Handwerke sind nicht gefährdet!" betonte Burgi. Das Bundesverfassungsgericht gebe dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum und habe die Meisterpflicht immer wieder abgesegnet. "Sogar bei Friseuren, und dort geht es nicht um Leben und Tod." Auch habe sich in den Europa-Gremien noch nie jemand Gedanken um die A-Handwerke gemacht. Burgi mahnte: "Die Gegner der Meisterpflicht sollten das Verfassungsrecht nicht benutzen, um ihre politischen Positionen zu begründen."

Dr. Frank Hüpers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für München und Oberbayern moderierte die anschließende Diskussion. Er berichtete ebenfalls, dass die Politik nur ein Dutzend Gewerke zur Rückführung in die Meisterpflicht im Auge habe. "Das Gelingen hängt auch davon ab, ob die große Koalition überhaupt Bestand hat", ist seine Einschätzung.

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Hüpers begrüßte auch die Vertreter des Bundes unabhängiger Handwerker (BUH), die sich rege an der Diskussion beteiligten: "Danke für Ihre Courage, freiwillig in die Handwerkskammer zu kommen!" Jonas Kuckuck vom BUH hatte die Abschaffung der Meisterpflicht gefordert: "Das deutsche Handwerksrecht ist verstaubt und veraltet. Österreich hat zuletzt entmeistert und es war kein Weltuntergang!"

"Handwerker sind heute chronisch überarbeitet"

In seinem Fachvortrag stellte Prof. Dr. Johann-Christian Pielow, von der Ruhr-Universität Bochum anschließend handwerksrelevante Entwicklungen im Gewerberecht vor. Er bemerkte einen Trend zur Re- und Überregulierung bei erlaubnispflichtigen Gewerben. Die Regelungen würden immer komplexer und teilweise widersprüchlicher. "Handwerker sind heute chronisch überarbeitet. Ich habe mir letzte Woche die Finger wundgewählt, um jemanden zu finden, der mein defektes Thermostat repariert", berichtete er von eigenen Erfahrungen.

Jakob Stephan Baschab, Hauptgeschäftsführer der Bundesinnung der Hörakustiker, referierte über "Modernes Gesundheitshandwerk zwischen Wettbewerb, Sozialversicherung und Handwerksordnung". Er beschrieb die Zielkonflikte der Branche: "Die Hörakustiker unterliegen wegen der Rezeptflicht dem Willen der HNO-Ärzte und dem Willen der Krankenversicherungen." So werde man von verschiedenen Institutionen gegängelt und im Wettbewerbsrecht seien die Spielregeln ungleich. "Unsere Mitglieder müssen alle 20 Monate eine Betriebsbegehung zur Antikorruption über sich ergehen lassen, das gibt es sonst nirgendwo, nicht im Handwerk oder bei Ärzten."

Reisegewerbe ist ein Bruch im System

Facility Management und Handwerk standen im Mittelpunkt des Fachvortrags von Klaus Schmitz, Referatsleiter Handwerksrecht im ZDH. Er stellte die Frage, ob große Unternehmen verpflichtet sind, ihre technischen Dienstleistungen in die Handwerksrolle eintragen zu lassen. Müssen sie nicht, wenn es sich um einen unselbständigen Hilfsbetrieb handelt, lautete seine Antwort. Komplexer sehe die Thematik aber innerhalb einer Konzernstruktur aus.

Der Umgang mit Reisehandwerkern war Inhalt des Vortrags von Prof. Dr. Simon Bulla. "Seit 2004 steht das Reisegewerberecht mit dem großen Befähigungsnachweis in einem nicht lösbaren Spannungsverhältnis, das ist ein Systembruch", stellte er fest. Statistisch auffällig seien allerdings nur die Friseure, das Problem sei zahlenmäßig im Handwerk gar nicht so groß.

Gesetz zur HwO-Reform soll noch dieses Jahr kommen

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Den Schlusspunkt setzte ZDH-Chef Holger Schwannecke mit seinem Bericht aus Berlin. "Bundespolitisch gibt es gravierend falsche Weichenstellungen, da gibt es nichts zu beschönigen", bedauerte er. Die Reform sei 2004 ein schmerzlicher Prozess für das Handwerk gewesen. "Wir wollen jetzt keine Rolle rückwärts machen, auch wenn dieser Eindruck in den Medien entsteht." Hinsichtlich der Auswahl der Gewerke, in denen die Meisterpflicht wieder eingeführt werden soll, müssten Kriterien transparent dargestellt werden. Die Gefahrgeneigtheit soll dabei eine entscheidende Rolle spielen und bestehende Betriebe sollen Bestandsschutz bekommen. Bis zum Sommer 2019 will die Politik einen Gesetzentwurf zur Reform der Handwerksordnung erarbeiten, der im Herbst im Bundestag beschlossen und Anfang 2020 in Kraft treten soll.

Bei der Diskussion um den Meistertitel kam auf der Veranstaltung auch ein Urteil zur Meisterpflicht an Supermarkt-Fleischtheken zur Sprache. Hier lesen Sie mehr dazu!

Text: / handwerksblatt.de

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