Sammelklage; Musterfeststellungsklage

Viele Klägre gehen bei der Sammelklage gemeinsam vor Gericht (Foto: © dolgachov/123RF.com)

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Sammelklage: Eine(r) für alle

Bundesregierung und EU haben Pläne für Sammelklagen vorgelegt. Verbraucher sollen damit ihre Rechte gemeinsam durchsetzen können. Aber die Entwürfe unterscheiden sich ein wenig.

Das Bundesjustizministerium will noch dieses Jahr eine sogenannte Musterfeststellungsklage (MFK) einführen. Bislang gibt es nur für geschädigte Kapitalmarkt-Anleger spezielle Musterverfahren. Die MFK soll helfen, wenn viele Verbraucher vom gleichen Verhalten eines Unternehmens betroffen sind, zum Beispiel den AGB einer Bank oder Versicherung.

Verbraucherschützer fordern die Einführung einer MFK schon lange, der Dieselskandal hat die Sache nun politisch beschleunigt. Denn bisher haben die Kunden nur die Möglichkeit, den Autohändler oder Hersteller einzeln auf Schadensersatz oder Rückabwicklung zu verklagen. Sie können dabei zwar spezialisierte Anwaltskanzleien einschalten, tragen aber das Risiko – und im schlimmsten Fall alle Kosten, auch die der Gegenseite – selbst. Bei der MFK tragen die Verbraucher kein Risiko, werden im Erfolgsfall aber voll entschädigt. Statt einzelner Kläger sollen künftig Verbraucherverbände stellvertretend für alle Beteiligten einen Prozess führen können, um die entscheidenden Fragen vor Gericht zu klären.

Am 1. November soll das Gesetz zur Einführung der MFK in Kraft treten, sagt der aktuelle politische Fahrplan. Dann könnten alle, die in 2015 einen Schummel-Diesel gekauft haben, noch zu ihrem Recht kommen, bevor es verjährt. Ist eine MFK anhängig – Verbraucherverbände stehen schon in den Startlöchern – können sich Betroffene binnen zwei Monaten in ein Klageregister eintragen lassen und damit die Verjährung hemmen. Der Gesetzentwurf soll im Mai im Bundestag verhandelt werden. Er verlangt auf Betreiben der CDU/CSU, dass ein Verein mindestens 350 Mitglieder haben und sich seit vier Jahren für Verbraucherschutz einsetzen muss, um eine MFK einreichen zu können.

 

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Die Verbände der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand, unter anderem der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), bezweifeln, dass die Einführung neuer Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes in Deutschland notwendig sei. Sie befürchten, dass mit Musterfeststellungsklagen auch in Deutschland eine Klageindustrie nach US-Vorbild entsteht, wo praktisch jede Kanzlei einen solchen Prozess führen kann. Sie fordern daher wirksame Schranken gegen Missbrauch der Sammelklage.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherschutzzentrale Bundesverband, sieht das ganz anders: "Die Musterfeststellungsklage bedeutet das Gegenteil der amerikanischen Klageindustrie. Sie schafft Rechtsklarheit auf Basis von gesetzlich geregelten Anwaltshonoraren. Anders als bei den US-amerikanischen Sammelklagen gibt es in Deutschland keine Klageanreize durch Erfolgshonorare oder einen pauschalen Strafschadenersatz, der Unternehmen disziplinieren soll."

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Mittlerweile ist in den USA nach der Sammelklage gegen VW auch eine gegen BMW eingereicht worden. Mitangeklagt ist dabei der Automobilzulieferer Bosch, von dem die BMW-Dieseltechnologie stammt. In Österreich läuft seit April eine von höchster Stelle initiierte Kollektivklage: Das Sozialministerium und die Bundesarbeitskammer haben den Verbraucherschutzorganisation "Verein für Konsumenteninformation" (VKI) damit beauftragt, an 16 Gerichten gegen Volkswagen vorzugehen.

EU-Pläne gehen über deutschen Entwurf hinaus

Der "New Deal for Consumers", den die EU-Kommission zur Änderung der Verbraucherschutz-Richtlinie vorgelegt hat, umfasst ebenfalls eine Verbandsklage. Sie soll Verbraucherschutzorganisationen das Recht geben, im Namen geschädigter Kunden gegen Unternehmen vor Gericht zu ziehen. Sind die Betroffenen bekannt und haben sie einen vergleichbaren Schaden erlitten, sollen diese Institutionen klagen dürfen, sofern sie nicht gewinnorientiert arbeiten und ihre Finanzierung offenlegen. Stellt das Gericht dann grundsätzlich ein Recht auf Entschädigung fest, könnten die Verbraucher sich auf das vorherige Urteil beziehen. Nur "qualifizierte Institutionen" sollen klageberechtigt sein. So will man verhindern, dass eine Klageindustrie nach US-Vorbild entsteht. Bisher kennen nur wenige EU-Mitgliedstaaten eine Kollektivklage, so etwa Österreich, Frankreich, Portugal und Italien. Auch in Großbritannien reichte kürzlich eine Kanzlei eine Sammelklage gegen VW ein.

An wichtigen Punkten gehen die europäischen Pläne über den Berliner Entwurf hinaus: Deutsche Verbände können mit der MFK nur klären lassen, ob das Unternehmen grundsätzlich ein Verschulden trifft. Stellt ein Gericht dies fest, müssen die betroffenen Verbraucher ihre Ansprüche anschließend selbst gerichtlich geltend machen. Der EU-Entwurf hingegen gibt den Verbänden die Möglichkeit, konkrete Schadenersatzansprüche einzuklagen und nicht nur abstrakte Vorfragen zu klären.

Prozessfinanzierer 
Es ist nur so etwas Ähnliches wie eine Sammelklage: Prozessfinanzierer lassen sich die Ansprüche der Autokäufer abtreten und bündeln sie. Dafür tragen sie bei einer Niederlage das Risiko, im Erfolgsfall kassieren sie eine Provision von 20 bis 36 Prozent des Schadensersatzes. Die Roland Prozessfinanz AG aus Köln ist an der österreichischen Sammelklage gegen Volkswagen beteiligt und rechnet mit 15.000 Klägern. Ähnlich viele Schadenersatzklagen hatte der Prozessfinanzierer Myright bereits im Herbst 2017 gegen den Autobauer beim Landgericht Braunschweig eingereicht. Im April verbündeten sich vier große deutsche Logistikverbände mit insgesamt 12.000 Mitgliedsunternehmen, um über Myright gegen alle Diesel-Hersteller vorzugehen.

 

Text: / handwerksblatt.de

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