Ausbildungsbotschafterin Luisa Rosemann (M.) hat bei einem ihrer Einsätze Levin Bee (r.) als neuen Auszubildenden angeworben – sehr zur Freude ihrer Chefin Caroline Schwanbeck; Foto: © Oliver Pohl (Foto: © Oliver Pohl)

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Ausbildungsbotschafterin bringt Top-Bewerber mit

Zwei Lehrstellen hätte Caroline Schwanbeck voriges Jahr zu besetzen gehabt. Doch bis zum Frühjahr ist die Ausbeute unter den Bewerbern eher mager. Eine Auszubildende sorgt dafür, dass die Suche gut endet.

"Mit einem Mal kam diese Top-Bewerbung von einem Schüler rein, mit der wir nicht gerechnet hätten", erinnert sich Caroline Schwanbeck, Konditormeisterin aus Iserlohn. Eingefädelt hatte den Überraschungserfolg ihre Auszubildende Luisa Rosemann. Die 21-Jährige ist Ausbildungsbotschafterin.

Von ihrem Einsatz an der Hauptschule im Stadtteil Letmathe, die einen Handwerkertag für die achte bis zehnte Jahrgangsstufe organisiert, kehrt Luisa Rosemann zunächst enttäuscht zurück. "Ich hatte das Gefühl, dass die meisten Schüler gar keine Lust hatten, mir zuzuhören, und nur eine Unterschrift wollten, dass sie bei mir gewesen sind." Nicht so Levin Bee. Nachdem der Ansturm seiner Mitschüler auf die kostenlosen Kekse nachgelassen hat, geht er auf die Ausbildungsbotschafterin zu, um sich gezielt zu informieren.

Nach dem Abitur herrschte bei Luisa Rosemann "totale Planlosigkeit", wie es weitergeht. Die Berufsorientierung am Gymnasium habe lediglich aus einem zweiwöchigen Praktikum bestanden, das sie mangels Ideen bei ihrem alten Kindergarten absolvierte, ihr aber gar nichts gebracht habe. "Bei uns wurde vorausgesetzt, dass wir alle studieren. Aber eigentlich wäre es schön gewesen, wenn wir mehr über Ausbildungsberufe erfahren hätten." Genau das ermöglicht sie nun anderen. "Mit meiner Berufswahl bin ich überglücklich. Als Ausbildungsbotschafterin kann ich mein Wissen an die Schüler weitergeben, Fragen individuell beantworten und sie damit schneller auf den richtigen Weg bringen."

"Bis zum Handwerkertag war ich mir unsicher, was ich beruflich machen möchte", blickt Levin Bee zurück. Er weiß, dass er gerne backt. Den Beruf des Konditors kennt er aber nicht. Berufenet – die Datenbank der Bundesagentur für Arbeit – hilft ihm weiter. Bei seiner Suche nach Ausbildungsbetrieben stößt er auf den Facebook-Auftritt von Caroline Schwanbecks "Tortenatelier". "Die Bilder der Torten haben mir sehr gut gefallen." Die restliche Überzeugungsarbeit leistet die Ausbildungsbotschafterin. "Luisa hat mir viele Informationen gegeben. Danach wusste ich: Das ist es! Ich möchte Konditor werden!"

Noch am selben Tag schickt der Zehntklässler Caroline Schwanbeck eine E-Mail mit seiner Bewerbung. Die Konditormeisterin antwortet schnell. Sie vereinbart mit ihm, dass er in den Osterferien eine Woche zum Probearbeiten vorbeikommt. "Das war echt super", fasst Caroline Schwanbeck ihre Eindrücke von Levin Bee zusammen. Gleich am Samstag lädt sie ihn und seine Eltern zum Gespräch ein. "Danach habe ich direkt den Ausbildungsvertrag fertig gemacht."

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Eines der "wirkungsvollsten Programme"

Das Engagement der Ausbildungsbotschafter fruchtet. Doch deren Erfolg ist schwierig zu beziffern. "Nicht jeder Bewerber sagt, dass er durch die Auszubildenden auf einen Beruf aufmerksam geworden ist, und nur wenige Betriebe denken daran, beim Vorstellungsgespräch danach zu fragen", erklärt Bianca Weickardt. Aber das Konzept ist für die Projektkoordinatorin der Handwerkskammer Südwestfalen einfach stimmig: "Azubis erzählen Schülerinnen und Schülern auf Augenhöhe, warum sie sich für ihren Beruf entschieden haben und weshalb sie Spaß daran haben." Deshalb hält sie die vom Land NRW und dem Europäischen Sozialfonds geförderte Initiative für eines der "wirkungsvollsten Programme".

Positiv wirke es sich auch bei den Auszubildenden aus. "Wer regelmäßig vor einer Klasse mit 30 Schülern steht, der geht auch selbstsicherer und selbstbewusster in die Gespräche mit Kunden und Prüfern", beobachtet Bianca Weickardt. Diesen Effekt würde sich Caroline Schwanbeck für Levin Bee wünschen. Noch ist aber offen, ob der 16-Jährige in die Fußstapfen von Luisa Rosemann und Eva Bromberg, der zweiten Ausbildungsbotschafterin aus dem "Tortenatelier", treten wird. "Im Vergleich zu den ersten Monaten hat Levin schon große Fortschritte gemacht, aber er ist immer noch ein bisschen schüchtern", so die Konditormeisterin.

Luisa Rosemann ist eine von rund 90 aktiven Ausbildungsbotschaftern der Handwerkskammer Südwestfalen. Bianca Weickardt koordiniert deren Einsätze. Sie plant die Junghandwerker möglichst an Schulen im direkten Umfeld ihrer Betriebe ein, "damit die Azubis nicht zu lange freigestellt werden müssen und damit Ausbildungsverhältnisse wie bei Levin Bee entstehen". Die Einsätze spricht Bianca Weickardt immer mit den Betrieben ab. "Im Mai brauche ich bei Frau Schwanbeck gar nicht anzurufen", sagt sie lachend. "Wegen der vielen Hochzeiten kann sie auf ihre Ausbildungsbotschafterinnen Luisa Rosemann und Eva Bromberg nicht verzichten."
Für Bianca Weickardt ist dies kein Nachteil. Schließlich werden die Ausbildungsbotschafter geschult und von ihr auf den Einsätzen begleitet. Ein professioneller Vortrag, der alle Fragen beantworte, sei sogar eher kontraproduktiv. "Am schönsten ist es, wenn sich zwischen Ausbildungsbotschaftern und Schülern ein lebhaftes Gespräch entwickelt."

Wenn Caroline Schwanbeck als Erste an vielversprechende Talente kommen möchte, muss sie direkt an der Quelle präsent sein. Dass die eigenen Azubis für sie an den Schulen neue motivierte Azubis anwerben, gefällt ihr. "Eigentlich kann mir nichts Besseres passieren."

Text: / handwerksblatt.de

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