Handwerk

Elektrotechnikermeister Sven Lindemann bildet Omar Khalil aus Aleppo in Greven aus. (Foto: © Peter Leßmann)

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"Ohne Vorurteile auf Geflüchtete zugehen"

Viele arbeitswillige, geflüchtete Mitarbeiter können nicht ewig auf einen Job warten. Willkommenslotsen der Handwerkskammer Münster unterstützen Betriebe und Mitarbeiter.

Kurz vor Abschluss seines elektrotechnischen Studiums musste Omar Khalil vor zweieinhalb Jahren zusammen mit seinen Eltern aus dem nordsyrischen Aleppo fliehen. Heute ist der 27-Jährige im Handwerksbetrieb Bunsieck & Partner im zweiten Ausbildungsjahr zum Elektroniker, Schwerpunkt Informations- und Telekommunikationstechnik. In der Berufsschule ist er Klassenbester und Deutsch spricht er fließend – beinahe akzentfrei. "Ich mag die deutsche Sprache. Viele ihrer Sprichwörter kenne ich schon aus meiner arabischen Muttersprache", bricht es aus Omar Khalil wie ein Begeisterungssturm über Deutschland heraus. 

"Dabei konnte Omar Khalil sechs Monate nach seiner Flucht beim Vorstellungsgespräch kaum ein Wort Deutsch", erklärt sein Chef und Ausbilder Sven Lindemann. "Wir haben uns deshalb bei diesem ersten Kontakt in Englisch ausgetauscht", fügt der Geschäftsführer hinzu. Für ihn als Unternehmer sei jedoch von Anfang an klar gewesen, dass die deutsche Sprache Voraussetzung für eine Ausbildung des Geflüchteten in seinem Betrieb ist. Der junge Mann besuchte deshalb in den noch verbleibenden vier Monaten bis zum Beginn der mit dem örtlichen Job-Center vereinbarten Einstiegsqualifizierung einen Sprachkurs.

Sprachlich schnell nach vorn gebracht

"Tatsächlich war in den ersten Monaten seiner Tätigkeit bei uns die Kommunikation noch etwas holprig", erklärt Lindemann. "Doch gerade der Besuch der Berufsschule und der Austausch im Betrieb haben mich sprachlich sehr schnell nach vorne gebracht", fügt Omar Khalil hinzu. Das Einstiegsqualifizierungsjahr verlief für den Geflüchteten so erfolgreich, dass er danach direkt ins zweite Ausbildungsjahr wechseln konnte. "Jetzt, da ich die Sprache beherrsche, fühle ich mich in der Berufsschule tatsächlich etwas unterfordert", erzählt Khalil, denn schließlich seien die Inhalte für ihn die Grundlagen seines Studiums in Syrien gewesen. Der Gedanke, nach der Berufsausbildung zum Elektroniker ein Studium zum Elektro-Ingenieur anzuschließen, liegt ihm deshalb nicht fern.

Auch Sven Lindemann ist sich darüber im Klaren, dass die enormen Potenziale seines Lehrlings derzeit in der Ausbildung nicht voll ausgeschöpft werden. Er fördert ihn deshalb durch zusätzliche Fachlehrgänge und bindet ihn auch durch seine tatkräftige Hilfe bei Behördengängen, bei der Wohnungssuche oder der Anerkennung von in Syrien erworbenen Qualifikationen an sein Unternehmen. Sogar einen Dienstwagen stellt er ihm in Aussicht. "Omar Khalil ist für mich als Fachkraft eine wirklich große Chance. Er ist motiviert, überaus lernbereit und bei allen beliebt. Da setze ich doch einfach sämtliche Hebel in Bewegung, um ihm eine dauerhafte Perspektive in meinem Unternehmen zu bieten." Anderen Betrieben möchte er mit dem Beispiel von Omar Khalil und dessen rasanter beruflicher Entwicklung Mut machen, ohne Vorurteile und Hemmungen auf Geflüchtete zuzugehen. "Das bringt beiden Seiten Gewinn."

 

Willkommenslotse: Mit dem Projekt "Willkommenslotse – Passgenaue Besetzung von Ausbildungsplätzen und ausländischen Fachkräften" werden geflüchtete Menschen in Ausbildung und Arbeit vermittelt. Handwerksbetriebe werden bei der Integration der Geflüchteten von der Handwerkskammer Münster beraten und unterstützt.
Kontakt: Bei Fragen helfen Siegfried Wochnik, Telefon 0251/7051115, und Michael Völker, Telefon 0251/7051146 weiter.
Internet: Weitere Informationen zum Projekt "Willkommenslotse" gibt es online zu finden

Text: / handwerksblatt.de

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