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(Foto: © ZDH)

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Seit 125 Jahren im Einsatz

Die Selbstverwaltung des Handwerks ­feiert das 125-jährige Jubiläum. Die Institution "Handwerkskammer" hat sich bewährt – und ist heute wichtiger denn je.

Sie machen eine Arbeit, die keiner sieht: die Verantwortlichen in der Handwerksorganisation, vom Spitzenverband im Bund über die Länder bis hin zur Kreisebene. "Die Gesetzgebung geht zu oft an der Lebensrealität von Betrieben und Unternehmern vorbei", sagt der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich. Und beschreibt so die "unsichtbare" Arbeit, die Lobbyarbeit: Schlimmstes in Vorhaben zu verhindern und in für das Handwerk richtige Bahnen lenken.

Interessen des Handwerks fördern

Tatsächlich ist das sogar gesetzlich festgeschrieben: Die Handwerkskammern haben die Aufgaben, "die Interessen des Handwerks zu fördern und für einen gerechten Ausgleich der Interessen der einzelnen Handwerke und ihrer Organisationen zu sorgen, die Behörden in der Förderung des Handwerks durch Anregungen, Vorschläge und durch Erstattung von Gutachten zu unterstützen …" schreibt die Handwerksordnung (HwO, § 91) vor – Lobbyarbeit als gesetzlicher Auftrag.

Zu den jüngsten Erfolgen zählen beispielsweise die Rückvermeisterung einzelner Gewerke, deren Meisterpflicht in den 90er Jahren bei den letzten großen Änderungen gefallen war, aber auch große Erleichterungen und Ausnahmen für Handwerksbetriebe bei neuen Gesetzen. Klar ist auch: Nicht immer gelingt es, alle Forderungen durchzusetzen, wie die einzelnen Betriebe zum Beispiel an der Bürokratie jeden Tag aufs Neue schmerzlich erfahren.

Doch die Lobbyarbeit ist nur ein Aspekt der Arbeit der Handwerksorganisation. Zu den Aufgaben des Selbstverwaltungsorgans der deutschen Wirtschaft zählen hoheitliche Aufgaben, darunter:

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- Lobbyarbeit auf regionaler Ebene (und über ­Landes- bzw. Bundesvertretung auch auf höheren Ebenen)
- Regelung der Berufsausbildung inklusive Aus- und Weiterbildungen
- Prüfungswesen
- Führen der Handwerksrolle (Liste aller Betriebe im Kammerbezirk)
- Betriebsberatung in berufsbildenden, technischen, betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragen
- Rechtsaufsicht über die nachgeordneten ­Institutionen

Kleine Zeitreise


Seit der Gründung der Handwerkskammern am 1. April 1900 haben sich ihre Aufgaben immer wieder verändert. Das Wendejahr für die Struktur in Deutschland war 1871, die Gründung des ersten Nationalstaats. In der Folge wurden einheitliche Gesetze eingeführt, die die bis dato zersplitterten Regionalvorgaben ersetzten und zum Teil unter französischem Einfluss entstanden. Eine der wichtigsten Neuerungen war das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das zum 1. Januar 1900 in Kraft trat.

Drei Jahre zuvor hatte die Novelle der Gewerbeordnung die rechtlichen Grundlagen für die Handwerkskammern geschaffen – sie sah deren Einrichtung vor, die am 1. April 1900 schließlich in Kraft trat. Sie beendete die bisherige Verwaltung des Handwerks durch Handels- und Gewerbekammern. Die Selbstverwaltung war für das Handwerk allerdings kein Neuland, konnten doch die Meister auf eine Jahrhunderte alte Tradition, die der Zünfte, zurückblicken.

Schon damals gab es eine Vollversammlung, auch wenn sie sich damals von den heutigen deutlich unterschied. Aber ein Kernelement war schon damals dabei: die Beteiligung von Arbeitnehmern, die einzigartig ist und bei keinem anderen Kammerwesen zu finden ist. Schon damals gab es einen Gesellenausschuss. Heute wird die Zusammensetzung der Vollversammlung in allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl bestimmt. Und zwar mit Vertretern aus dem Arbeitgeber- und dem Arbeitnehmerlager. Arbeitnehmer stellen übrigens auch Vizepräsidenten.

Bildung stets im Fokus


Schon damals war eine der wichtigsten Aufgaben die Schaffung eines Ausbildungssystems. Zur Erinnerung: "Made in Germany", der heutige Qualitätsbegriff, war ursprünglich in Frankreich und England als Warnung vor schlechter Qualität von Produkten gedacht. Deutsche Waren galten als billig, aber eben auch als schlecht – und mit der Schaffung klarer Ausbildungsstrukturen änderte sich die Qualität deutscher Produkte. Hinzu kam auch damals schon die Aufgabe, sich für die Interessen der Handwerksbetriebe übergeordnet einzusetzen und staatliche Institutionen zu beraten, um die Mitglieder zu fördern.

Die Nazis schließlich führten zwar 1935 den großen Befähigungsnachweis ein, mit der Maßgabe, dass jeder, der einen Betrieb führen und Lehrlinge ausbilden will, ihn haben muss. Die Kammern hingegen vermischten sie mit den Wirtschafts- sowie den Industrie- und Handelskammern zu Gauwirtschaftskammern und brachten sie auf Parteilinie. Zudem war Schluss mit der Selbstverwaltung, was geschah, bestimmte allein der Reichswirtschaftsminister. Ein Schlag, von dem sich die Kammern nach dem II. Weltkrieg erst mühsam erholten. Ihre Aufgabe waren zunächst schlichte Rohstoffzuteilungen sowie die Entnazifizierung der selbstständigen Handwerker. Gleichzeitig bauten sie die Kreishandwerkerschaften und Innungen neu auf und bekamen schließlich den Status als Körperschaft des Öffentlichen Rechts, eben jener Selbstverwaltung, wie wir sie heute kennen - aber zunächst beispielsweise nur in Nordrhein-Westfalen.

Das lag an den Besatzungszonen: Die unter britischer und französischer Herrschaft stehenden Zonen bekamen ihren Status zunächst zurück, in den amerikanisch besetzten Regionen gab es zunächst eine völlige Gewerbefreiheit. Dort war Schluss mit dem Großen Befähigungsnachweis, die Kammern und Innungen durften sich in freie Vereine mit freiwilliger Mitgliedschaft umformen – und natürlich war auch Schluss mit jedweder hoheitlicher Tätigkeit. Öffentliche Funktionen waren schlichtweg untersagt. Auch im Osten hatten die Kammern ihre eigene Geschichte. In der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) durften sie nach Kriegsende agieren, aber zunächst nur auf Landesebene, ehe sie nach Abschaffung der Länder 1952 dann ein Jahr später auf Kreisebene arbeiten durften. Von einer Selbstverwaltung waren sie genauso weit entfernt wie zur Zeit der Nationalsozialisten. Weder Berufsausbildung noch Prüfungswesen waren ihnen gestattet; sie standen unter Aufsicht des Bezirksrats. Ihre Aufgabe: Sie sollten den privaten als auch selbstständigen Handwerksmeister, der sich in einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) zusammengeschlossen hatte, politisch beraten und fördern. Mit der Wende bekamen sie dann automatisch das im Westen etablierte Kammersystem.

Das hatte seinen Status 1953 mit der Handwerksordnung (HwO), dem Gesetz für das Handwerk, festgeschrieben bekommen. Schon damals waren die Aufgaben für Kammern, Kreishandwerkerschaften und Innungen festgelegt, ebenso wie die Zahl der Berufe. In der aktuellen Fassung listet die HwO in der Anlage A und B alle 145 Gewerke, getrennt nach zulassungspflichtigen und nicht zulassungspflichtigen bzw. handwerksähnlichen. 53 meisterpflichtige Gewerke gibt es sowie über 130 Ausbildungsberufe.

"Die Gesetzgebung geht zu oft an der Lebensrealität von Betrieben und Unternehmern
vorbei."
Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands 
des Deutschen Handwerks (ZDH)

Heute sind Handwerkskammern eine oft zu Unrecht beschimpfte Institution ("Die schicken doch nur Beitragsbescheide!"), was vor allem daran liegt, dass sich die wenigsten mit dem umfassenden Dienstleistungsangebot "ihrer" Handwerkskammer auseinandersetzen. Denn die Handwerkskammern sind vor allem eins: Sie sind für die Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber da und sind bei jedweder Frage rund um das Handwerk der richtige Ansprechpartner. Zu den derzeit wichtigsten Themen zählen unter anderem die Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung und eben die Förderung von idealen Rahmenbedingungen für das Handwerk.

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Text: / handwerksblatt.de

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