Handwerk

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Zurück ins Mittelalter

Panorama - Reise

Auf den Spuren der Handwerker in Guédelon – seit 20 Jahren bauen Profis und Laien in Burgund nach alten Methoden eine Burg. Hier wird Handwerksgeschichte lebendig.


Es knarzt und quietscht. Welch arme Gestalt müht sich in dem großen Tretrad, um mit Muskelkraft schwere Steine auf die Burgmauern zu hieven? „Alles Freiwillige", berichtet Hein Koenen. Der niederländische Maurer erläutert, dass das dreifache Körpergewicht auf diese Weise in die Höhe befördert werden kann.

Koenen führt über eines der ungewöhnlichsten Projekte weit und breit. Die Sonne hat das Haupthaus und die Burgmauern in ein warmes Licht getaucht. Mit mittelalterlichen Materialien und Methoden hämmern, mauern und zimmern hier Laien und Profis an einem großen Projekt: In Guédelon, im Herzen Burgunds, entsteht eine Burg, genauer eine Burg nach philippinischen Kartenvorlagen.

HandwerkArbeiten wie Handwerker im Mittelalter

Die abgefahrene Idee hatte Michel Guyot, Schlossbesitzer von Saint-Fargeau als er sein Schloss sanieren ließ. Ihn hat die Neugier gepackt: Wie haben Handwerker im Mittelalter gearbeitet? Wie haben sie einen Kreuzgang gemauert oder den Dachstuhl auf dem Haupthaus montiert?

Heute dient das Projekt Guédelon als Erfahrungs- und Informationsprojekt für Historiker, Architekten, alle Gewerke des Handwerks und Sachverständige europaweit. Motor dieser Kommunikationsbewegung ist das Pendant von Michel Guyot, die Kunsthistorikerin Maryline Martin. Sie arbeitete zunächst für Natur- und Umweltprojekte, setzte straffällig gewordene Jugendliche ein, suchte Finanziers für das Vorhaben Guédelon. Am 1. Mai 1998 starteten die Burgbauer. 25 Jahre Bauzeit sind angesetzt.

Muskelkraft statt Maschinen

Stein für Stein wird bis heute im Steinbruch gehauen, werden Bäume gefällt, um die Balken mit der Axt zu formen, Ziegel werden aus Ton geformt und gebrannt, sogar die Stoffe und Farben werden eigenhändig hergestellt. Wer in Guédelon anheuert, wird wie in einer Zeitmaschine ins 13. Jahrhundert zurückgeschickt. Kein Maschinenlärm ertönt, Pferdegetrappel ist zu hören, alles läuft über menschliche oder tierische Muskelkraft.

HandwerkMörtel wird aus Sand, Tonerde und gelöschtem Kalk hergestellt. Beim Kalk bedienen sich die Handwerker aus Guédelon neuzeitlicher Materialien, weil das Löschen von Kalk zu gefährlich ist. Aber Nägel, Zapfen, Scharniere, Ziegel, Bohlen, Schlösser – alle möglichen anderen Stoffe und Bauteile sind original nach Methoden aus dem 13. Jahrhundert gefertigt. Zimmermann Bertrand Sauvaget kommt aus Nantes, um hier vier Tage zu helfen und zu lernen. 700 Freiwillige kommen jedes Jahr zu der Baustelle in Burgund, außerdem sind 65 Mitarbeiter fest angestellt, von denen 35 am Bau der Burg arbeiten.

Heute finanziert sich die Burg vor allem über Besucher. Von März bis November haben Touristen, Schulklassen, historisch Interessierte die Möglichkeit, alles auf dem Gelände zu inspizieren und ganz nah heranzutreten. 300.000 sind es jedes Jahr, davon allein 50.000 Kinder. Mehr Informationen zu der Burg, dem Projekt und Burgund gibt es hier und hier.

Text und Fotos: Rüdiger Gottschalk

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Die Werkstätten an der Burg

Geschichtsunterricht live für Jung und Alt: Schmiede, Zimmerer, Maurer und viele andere Handwerke lassen Guédelon entstehen. Die Werkstätten sind rings um die Burg verteilt. Die Steinmetze arbeiten vorne links am Haupteingang der Burg.

Panorama Burgund

Vor allem Sandstein und weißer Kalkstein dienen als Material. Der harte Kalkstein für Fenster- und Türrahmen bzw. Gewölberippen stammt aus einem 30 km entfernten Steinbruch. Der rötliche Sandstein wird vor Ort gebrochen. Die Steinmetzarbeit ist eine Kunst. Jeder Steinmetz wird nach seinem Zeichen, das er in den gehauenen Objekten verewigt, bezahlt.

Schmiede reparierten Werkzeug

HandwerkDie Schmiede arbeiten rechts neben der festen Brücke am Haupteingang der Burg. Zugbrücken hatten nur größere Städte. Die Reparatur von Werkzeug ist das tägliche Metier des Schmieds.

Der Eisenpreis war im Mittelalter horrend, da die Erzgewinnung so aufwändig war. So verwendeten die Schmiede gebrochenes Werkzeug oder Waffen auch immer wieder. Türangeln, Türbeschläge, Fenstergitter und die Nägel stellten sie her. Allein 700 Nägel wurden in die Brücke eingehämmert.

Mauern mit Setzwaage, Senk- und Bleilot

Die Maurer sind überall auf der Baustelle zu finden. Zwei Männer und eine Frau mischen den Mörtel aus gelöschtem Kalk, Sand und Wasser. Der Kalk wird aus Sicherheitsgründen nicht vor Ort hergestellt, sondern angeliefert.

Der Kalk-Mörtel ist so hergestellt, dass er nicht zu schnell trocknet, was den Bauprozess nur erschweren würde. Setzwaage, hölzernes Dreieck mit Senklot, Bleilot, Winkelmaß sind die Werkzeuge des mittelalterlichen Maurers.

Zimmerer: Beil statt Säge

HandwerkDie Zimmerer bearbeiten die vierkantig behauenen Eichen. Dachgebälk, Brücke, Hebegeräte – die Arbeit der Zimmerer ist vielseitig. Wichtig ist die Art der Balkenbearbeitung. Mit dem Beil bearbeitete Balken gelten – so die Burghandwerker – als wesentlich stabiler als gesägt.

Größte Herausforderung der Baustelle war bisher die Montage des Dachstuhls auf dem Wohngebäude des Lehnsherren. Dreiviertel haben die Zimmerer vorproduziert, dann wurde das Gebälk mit Kränen auf das Dach gezogen und später die restlichen Balken ergänzt.

Ziegelhersteller verwenden Tonerde aus der Region

Dachziegel und Bodenfliesen werden von dem Ziegelhersteller aus der schweren Tonerde in Guédelon hergestellt. Ein Rahmen aus Holz bestimmt die Form, danach werden die Ziegel auf ein Traggitter gelegt. Fast 3000 Ziegel werden pro Brand in einem Ziegelofen bei 1100 Grad gebrannt. Die Korbmacher stellen die sogenannten Manes her, große feste Weidenkörbe mit vier Griffen. So werden Mörtel und kleinere Steine transportiert.

Die Färber stellen die Farben her und bearbeiten die Stoffe. In der Werkstatt wird die Wolle gesponnen und gefärbt.
Hanf- und Leinenseile werden auf der Baustelle als Verbinder verwendet. Der Seiler benutzt vier Stränge, um ein Seil herzustellen.
Text und Fotos: Rüdiger Gottschalk


TIPPS von Burgund-Tourismus

Auxerre, eine mittelalterliche Stadt mit gut erhaltenem Kern, bietet Stadtviertel voller Geschichte: Architektur, Häuser, Straßen und Gassen sind wie geöffnete Bücher, die einen Blick in Vergangenheit und Gegenwart erlauben. Dem reichen Kulturerbe ist es zu verdanken, dass Auxerre 1995 in das Netzwerk der „Villes d'Art et d'Histoire" aufgenommen wurde – hier vereinen sich die schönsten Städte Frankreichs. Office de Tourisme d'Auxerre et de l'Auxerrois, 2 Quai de la République - 89000 Auxerre, 0033 3 86 52 06 19, info@ot-auxerre.fr, ot-auxerre.fr

Vézelay ist ein mittelalterliches Dorf, das sich im Süden der Yonne, nahe bei Avallon, befindet. Das Dorf wird von der Basilika Sainte Marie Madeleine, 11. / 12. Jahrhundert, geprägt. Die schmalen Gassen, die von alten Häusern eingefasst sind, und die mittelalterlichen Festungsmauern zeugen vom reichen Kulturerbe. 12 Rue Saint-Etienne, 89450 Vézelay, Tel.: 0033 3 86 33 23 69, vezelaytourisme.com/

Die Abtei von Fontenay ist eine der ältesten Zisterzienserabteien Europas. Gegründet wurde sie 1118 durch den Hl. Bernhard in einem sumpfigen Tal. Die romanische Architektur der Abtei hat sich nicht verändert. Mit Ausnahme des Refektoriums sind alle Säle und viele Einrichtungen intakt geblieben: die Kirche, der Schlafsaal, das Kloster, der Kapitelsaal, die Heizung, die Räume des Abtes und die Schmiede. Heute zieht Fontenay jährlich mehr als 120.000 Besucher an. Neben den Besichtigungen werden auch kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte und Theater in der Abtei organisiert. 21500 Montbard, Tel.: 033 3 80 92 15 00, abbayedefontenay.fr

Châteauneuf-en-Auxois befindet sich im Département Côte-d'Or, zwischen Dijon und Autun. Die beeindruckende Burg aus dem 12. Jahrhundert, auf einem Felsvorsprung erbaut, prägt die Ebene und den Canal de Bourgogne. Besucher können durch die mittelalterlichen Gassen spazieren und die schönen Häuser der Händler aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert entdecken. Ein Spaziergang zum Dorfausgang wird mit einem außergewöhnlichen Ausblick belohnt. region-bourgogne.fr/chateauneuf

In Dijon zeigt das Museum der Schönen Künste im östlichen Flügel des Herzogspalastes flämische Meister wie Melchior Broederlam, ergänzt durch französische und italienische Werke. Aber es gibt noch mehr zu entdecken, zum Beispiel ein interessanter holzgetäfelter Raum mit Arbeiten des Designers Hughes Sambin aus dem 16. Jahrhundert, aber auch moderne und zeitgenössische Galerien. Musée des Beaux-Arts; Tel.: 0033 80 74 52 09, http://mba.dijon.fr/

In Cap Canal gilt es, den Canal de Bourgogne zu entdecken, unbestritten ein Highlight und touristischer Trumpf der Region Burgund. Das Office de Tourisme de Pouilly en Auxois erweckt dieses Kulturerbe zum Leben. Besucher können eine kommentierte Kreuzfahrt auf dem mit Sonnenenergie betriebenen Ausflugsschiff La Billebaude machen. La Capitainerie, Port de Plaisance - 21320 Pouilly-en-Auxois, Tel.: 033 3 80 90 77 36, capitainerie@cap-canal.fr, cap-canal.fr

Nahe Avallon, zwischen Puisaye und Morvan, gleichzeitig in Nähe der Autobahn A6 (Lyon-Paris), findet sich La Cimentelle. La Cimentelle ist ein großes Anwesen, das von einem Park mit reichem Baumbestand umgeben ist. Nathalie und Stéphane empfangen mit großem Vergnügen Gäste und bieten individuelle Zimmer, Suiten und Gîtes ab 90€ pro Nacht. Daneben kann man am Gästetisch speisen und an themenbezogenen Aktivitäten teilnehmen. Hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis. 4 rue de la Cimentelle, 89200 Vassy les Avallon (Etaule), Tel.: 033 3 86 31 04 85, lacimentelle@orange.fr, lacimentelle.com

Ein besonderer Ort der Sterne-Gastronomie zieht seit Jahrzehnten Besucher in seinen Bann. Ein außergewöhnlicher Ort mit harmonischem und zugleich elegantem Dekor, wo Modernität und Tradition perfekt verschmelzen. Aufenthalt im Hotel mit Sauna und Schwimmbad zu stolzen, aber angemessenen Preisen möglich. 21210 Saulieu, Tel.: 03 33 80 90 53 53, contact@bernard-loiseau.com, bernard-loiseau.com

Auf einer Anhöhe über dem Dörfchen Aloxe Corton erstreckt sich die Villa Louise. Seit drei Generationen im Besitz einer Winzerfamilie, bildet die Domaine mit ihrem Bau aus dem 17. Jahrhundert eine Oase von Ruhe und Heiterkeit. Direkt hinter dem Park beginnen die grünen und hügeligen Ausdehnungen der Côte de Beaune, die Weinberge von Corton – der einzige rote Grand Cru der Region. Entspannung findet man auch in den Dämpfen des Hammam, im Schwimmbad oder in den Clubsesseln des Ruheraums. Sehr gute Dienstleistung! 9 rue Franche, 21420 Aloxe Corton, Tel.: 033 3 80 26 46 70, contact@hotel-villa-louise.fr, hotel-villa-louise.fr

Text: / handwerksblatt.de