Heimat für Fischerboote und Segelyachten: Der Vieux Port von Marseille. (Foto: © Helge Bendl)

Heimat für Fischerboote und Segelyachten: Der Vieux Port von Marseille. (Foto: © Helge Bendl)

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Das Salz in der Suppe

In Marseille wurde einst die Königin der Fischgerichte erfunden. Bis heute gibt es hier die beste Bouillabaisse der Welt – und auch ein paar Küchenrevolutionäre, die sie gerade neu erfinden.

Wenn Maria und das Jesuskind erröten, hoch oben auf der Kirchturmspitze der Basilika von Notre-Dame-de-la-Garde, gibt sich die Nacht geschlagen. Dann muss man raus aus den Federn, raus auf die Straße, ran an die Kaimauer. Es ist zwar verdammt früh, aber trotzdem die beste Zeit: Weil er dann aufwacht, der Hafen. Wo sie die besten Zutaten für die Bouillabaisse verkaufen, kennt man bestimmt auch die besten Adressen für das berühmteste Fischgericht der Stadt.

Am Hafen von Marseille

An der Hafeneinfahrt branden Wellen an einen durchbrochenen Riesenwürfel: Das Museum MuCEM feiert die Zivilisationen des Mittelmeers. Seit Fußgänger am Quai des Belges Vorfahrt haben, hört man dort nicht mehr den Verkehr brausen, sondern das Klimpern der Segelyachten. Eines nach dem anderen machen hier Fischerboote am Kai fest, um den Fang der Nacht anzupreisen.

Felsenfische sorgen für den würzigen Geschmack

Christian Buffa dreht eine schnelle Runde. Der Küchenchef des "Miramar“ lässt sich seine Ware zwar vom Großmarkt liefern. Sein Fischrestaurant liegt aber am Hafen, und so kauft er hier doch zusätzlich ein, heute grinsende Seeteufel und ein paar Kilo "Poissons de Roche“. Felsenfische? "So nennt man die kleinen Fische aus den Calanques. Früher war das Beifang, den niemand haben wollte. Doch ich sage Ihnen: Die Winzlinge geben der Bouillon ihren würzigen Geschmack.“

Welche Delikatessen müssen in den Topf?

Einmal im Monat zeigt Buffa Besuchern bei einem Kochkurs, was die echte, die gute, die berühmte Bouillabaisse ausmacht. Die Kriterien haben seine Kollegen schon 1980 in einer "Suppen-Charta“ festgelegt. Mindestens vier, noch besser aber sechs der folgenden Delikatessen müssen in den Topf: Roter oder Weißer Drachenkopf, Petersfisch, Seeteufel, Knurrhahn, Meeraal, dazu je nach Gusto Miesmuscheln, Meeresspinnen, Garnelen oder Langusten

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Im "Miramar“ wird die Bouillabaisse traditionell in zwei Gängen serviert: Zuerst die sämige Fischsuppe mit der provenzalischen Knoblauch-Mayonnaise-Soße "Rouille“ und Croutons, dann – wenn man eigentlich schon satt ist –  noch als Hauptgang der filetierte Fisch mit Gemüse.

Eine Fischsuppe als Kunstwerk

"Eine Bouillabaisse ist ein echtes Kunstwerk“, sagt Christian Buffa, der noch unter der Kochlegende Paul Bocuse gelernt hat. "Bouillir heißt kochen, à baisse auf kleiner Flamme. Man braucht also Zeit – zack-zack geht das nicht. Und die Bouillabaisse muss frisch sein, wenn sie serviert wird, nicht aufgewärmt – sonst zerfällt der ganze gute Fisch.“

Billige Kopien aus der Dose

20192 HB 036Weil aber die meisten Marseille-Besucher nicht 50 Euro und mehr für eine echte Bouillabaisse ausgeben wollen, kommt das berühmte Gericht auch in billigen Kopien auf den Tisch. Touristenfallen machen ihr Geschäft mit Suppe aus der Dose, oder mit Schummelei – wenn bei den Fischen mal der französische, mal der provenzalische Name genannt wird, obwohl es sich um die gleiche Art handelt. Die Lokalpatrioten der Bouillabaisse-Charta halten dagegen.

Neue Interpretationen und Variationen

20192 HB 034Gleichzeitig spielt sich dieser Tage in Marseille eine kulinarische Revolution ab: Köche verwenden die klassischen Zutaten, interpretieren das Fischgericht aber neu. Lionel Levy kombiniert Safran-Kartoffelbrei mit einer Emulsion aus Ei, Olivenöl und Mascarpone, geschäumtem Fischsud und pochiertem Petersfisch. "Ich wollte eine leichte Vorspeise mit delikater Konsistenz entwickeln. Der Name, Bouille-Abaisse-Milchshake, hat einige Leute aber ziemlich aufgeregt“, grinst er. Die Kreation hat sich trotzdem zum Highlight der Karte in der Brasserie Les Fenêtres entwickelt, ebenso wie das Bouille-Abaisse-Consommé aus rohen und gekochten Felsenfischen, das der mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Chef nebenan im Gourmet-Restaurant Alcyone serviert.

Bouillabaisse als Burger

20192 HB 035 147710Den Vogel abgeschossen hat indes Sylvain Robert, ein junger Wilder, der im Restaurant L'Aromat den Kochlöffel schwingt: Bei ihm gibt es die Bouillabaisse als Burger. Im Brötchen, krustig wie Croutons, steckt der Fisch. Dazu serviert er ein Glas Fischsuppe und "Panisses“, Pommes aus Kichererbsenmehl. Die Wächter der Tradition waren natürlich empört – bis sie probieren durften.
Fotos: © Helge Bendl

REISEINFOS MARSEILLE

Anreise: Mit dem eigenen Auto über die "Autoroute du Soleil“, mit dem Flugzeug zum 30 Kilometer entfernten Flughafen Marseille-Provence, oder per Bahn – mit dem Schnellzug TGV sind es ab Paris nur drei Stunden.

Essen: Traditionelle Bouillabaisse servieren das Miramar (12 quai du Port, Tel. +33 4 9191 1040) und Chez Michel (6 rue des Catalans, Tel. +33 4 9152 3063). Im Intercontinental Hotel gibt es Bouille-Abaisse-Milchshake in der Brasserie Les Fenêtres und Bouillabaisse-Consommé im Sterne-Restaurant Alcyone (1 place Daviel, Tel. +33 4 1342 4242). Als Burger kommt die Bouillabaisse im L'Aromat auf den Tisch (49 rue Sainte, Tel. +33 4 9155 0906).

Ausflug: Die Kalksteinfelsen und versteckten Buchten der Calanques kann man zu Fuß oder per Mini-Kreuzfahrt entdecken.

Tipp: Mit dem "Marseille City Pass“ (gültig von 24 bis 72 Stunden) fährt man gratis mit Bus, U-Bahn und Ausflugsbooten und hat freien Eintritt bei Museen.

Reiseinfos für Marseille und die Region Bouches-du-Rhône.

Text: / handwerksblatt.de

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