Das Ausstellungsplakat im Eingangsbereich des Kultur- und Bildungszentrums C-Mine, das auf dem Gelände der ehemaligen Kohlegrube von Winterslag im belgischen Genk angesiedelt ist. (Foto: © Jürgen Ulbrich)

Das Ausstellungsplakat im Eingangsbereich des Kultur- und Bildungszentrums C-Mine, das auf dem Gelände der ehemaligen Kohlegrube von Winterslag im belgischen Genk angesiedelt ist. (Foto: © Jürgen Ulbrich)

Vorlesen:

Am Anfang war die Beinschiene

Die Ausstellung "The World of Charles and Ray Eames" im belgischen Genk zeigt noch bis einschließlich 28. Mai das Leben und Wirken des legendären US-Designer-Duos.

Ray und Charles Eames gehörten zu den wichtigsten und innovativsten Designern des 20. Jahrhunderts, besonders ihr 1956 entwickelter Lounge Chair mit seiner gepolsterten Sesselschale, der bis heute unverändert gekauft werden kann, machte sie weltberühmt. 2017 zeigte das Design- und Kulturzentrum C-mine im belgischen Genk die Ausstellung "The World of Charles and Ray Eames", die mit Hilfe von Möbeln, Briefen, Fotos, Zeichnungen und Multimedia-Installationen einen tiefen Einblick in die Welt der beiden außergewöhnlichen wie ungemein produktiven Menschen gab.

Legendäres Eames-Mobiliar

"The World of Charles and Ray Eames" präsentierte rund 380 Objekte, darunter so legendäre wie revolutionäre Möbelentwürfe wie etwa der "Dining Chair" aus formgepressten Sperrholz, das sie mit viel handwerklichem Geschick unter der Verwendung von Dampf und Hitze bieg- wie dreidimensional formbar gemacht hatten. Oder aber den "DSS" aus glasfaserverstärktem Kunststoff, den "Wire Chair" aus Drahtgeflecht oder aber ihr wohl berühmtestes Produkt, den legendären Sessel mit Ottomane, den Lounge Chair. Die meisten ihrer bahnbrechenden Entwürfe werden noch heute von Herman Miller in den USA und Vitra in Deutschland produziert, beide Firmen erlangten durch die Herstellung der Eames-Möbel Weltgeltung. 

Eine einzigartige Erfolgsgeschichte

Das US-Designer-Paar Ray (1912-1988) und Charles (1907-1978) heiratete 1941 nach dem Scheitern ihrer jeweils ersten Ehe, noch im gleichen Jahr gründete es das eigene Eames-Office und fertigte in den Kriegsjahren 1941-1943 zunächst Beinschienen für die US-Army. Die bis zu dem Zeitpunkt gebräuchlichen Schienen aus Stahl hatten sich als zu inflexibel und zu schwer erwiesen, die von Eames konstruierte Beinschiene hingegen war schon aufgrund des Materials – erhitztes und geformtes Schichtholz – sehr biegsam und leicht. Dies war der Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, denn mehr als 150.000 Beinschienen wurden von den US-Militärs angeschafft, auch wirtschaftlich war die Beinschiene der erste durchschlagende Erfolg. Ganz im Gegensatz zu dem von ihnen entworfenen Rettungskorb aus Schichtholz, der ein Prototyp blieb und nie in Produktion ging.

Multitalente mit Qualitätsanspruch

Nach dem Krieg lag der Fokus der Multitalente Ray und Charles – beide hatten einen sehr hohen Qualitätsanspruch – auf der Entwicklung ihrer bereits angesprochenen Sitz-Elemente, die Formen- und Farbenvielfalt war gewaltig, bald schmückten ihre Produkte Haushalte, Arztpraxen, Schulen oder gar ganze Büroetagen. Massenfertigung war angesagt, die Erträge sprudelten. Rund 40 Möbelsysteme für Büros, Wohnhäuser und öffentliche Einrichtungen hat das Eames-Paar in seiner langen Karriere entworfen, viele davon sind heute längst Kult-Klassiker.

Das könnte Sie auch interessieren:

Design auch für das eigene Haus

Doch über das reine Möbel-Design beschäftigte sich das Ehepaar mit vielerlei Dingen, so thematisiert die Retrospektive Industrieprodukte, Filme, Spielzeug und vieles Privates, darunter Briefe, seltene Fotografien – Charles war ein leidenschaftlicher Fotograf – oder ein Modell des weltberühmten Eames-Hauses "Case Study House Nr. 8" im kalifornischen Los Angeles. Ob bunte Masken, die Nase eines Flugzeugs oder Computerexperimente in Video-Installationen, "The World of Charles and Ray Eames" beweist, dass das Designer-Duo die Gesellschaft ein großes Stück nach vorne gebracht hat, wie es Kuratorin Catherine Ince einst zur Ausstellungseröffnung in London formulierte. Und was sagte Eames eigentlich selbst über seine Berufung: "Die Rolle eines Designers ist das eines sehr gut wie nachdenklichen Gastgeber, der die Bedürfnisse seiner Gäste erwartet."

Niedriger Stuhl für Billy Wilder

Wie gut die beiden Ehepartner diesen Wahlspruch von Eames beherzigten, zeigt ihre Beliebtheit schon zu Lebzeiten: Ihr Haus im Pacific-Palisades-Viertel von Los Angeles nahe am Pazifik – übrigens eine wunderbare Bühne für ihre Ideen – entwickelte sich zu einem wahren Hollywood-Treffpunkt für Freunde aus dem Showbiz. Sie gehörten zu jenem Kreis, in dem sich viele linksgerichtete Künstler und Regisseure engagierten, unter anderem der legendäre Komiker Charlie Chaplin oder der berühmte Komödien-Regisseur Billy Wilder ("Manche mögen's heiß"). Für den letztgenannten konstruierten die kongenialen Ehepartner einen besonders niedrigen Stuhl, da Wilder die Angewohnheit hatte, wild aufzuspringen – wenn er sich wieder einmal über irgendetwas im Fernsehen aufregte.

Fotos:  © Jürgen Ulbrich 

"The World of Charles and Ray Eames“ wurde von der Kuratorin Catherine Ince der Londoner Barbican Art Gallery erstellt, im Herbst 2015 eröffnet und stieß auf riesiges Publikumsinteresse und großes Kritikerlob. Nach Stationen in Schweden und Portugal war die Ausstellung in Genk zu sehen, sie wurde von den beiden belgischen Designern Jo Klaps und Patrick Reuvis an den Standort C-mine angepasst, ohne die ursprüngliche Idee zu berühren. Mehr Infos zu Genk und Umgebung!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: