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Soldatenfriedhof bei Verdun. Foto: Rüdiger Gottschalk

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100. Jahrestag der Schlacht um Verdun

Panorama - Reise

Bereits 100 Jahre liegt die Schlacht um ­Verdun zurück – aus heutiger Sicht ist sie ein Lehrstück für die Bewältigung der Erbfeindschaft zwischen zwei Staaten.

Fleury-devant-Douaumont ist heute noch eine französische Gemeinde, mit einem richtigen Bürgermeister. Das Irritierende: kein Mensch lebt in dem formal existierenden Ort. Was sich paradox anhört, gehört zur Logik eines Krieges, der niemals vergessen wird. Der niemals vergessen werden darf.

La Grande Guerre, der Erste Weltkrieg, hat dieses Dorf für immer zerstört. Hier hat nie wieder jemand gewagt zu bauen, Felder zu bestellen oder Brot zu backen. Einige Steine mit der Aufschrift wie Boulanger oder Ferme erinnern an Gebäude, die dort standen. Heute, 100 Jahre nach der großen Schlacht um Verdun, ist das Gelände mit Munition verseucht, was auch erklärt, warum niemand freiwillig mit einem Bagger gräbt. Knochen ragen immer wieder aus dem Erdreich. Patronenhülsen, Erkennungsmarken, Helme – Militariaschrott liegt hier zuhauf unter der Erde.

Rote Zone bei Douaumont

Ein paar Motorradfahrer halten an der D 913, viele Franzosen, Belgier und auch ein paar Deutsche besuchen das Phantom-Dorf. Es zählt zu den sogenannten "zerstörten Dörfern" im Verteidigungsring von Verdun. Fleury-devant-Douaumont ist für das Vaterland gefallen, wie die Franzosen pathetisch sagen. Soweit man schaut ist die "rote Zone" da, wo wirklich nichts mehr entsteht, wo nur Gedenken und Erinnerung Platz haben.

Folgt man der D 913 nordwestlich, landet der Tourist an der Festung Douaumont. Zweieinhalb Meter dicke Betonwände, zusätzlich anderthalb Meter Sand, dann noch mal fünf Meter Erde sollten Schutz bieten vor den 1000 Kanonen der Deutschen, die mit zehn Divisionen anrückten und die drei französischen Divisionen mit 200 Kanonen ins Hinterland zurückdrängten. "Es war ein industrieller Krieg gegen Menschen, gegen die Soldaten, die sich in den 30 Festungen rund um Verdun zu verschanzen suchten", erzählt Vincent Jacquot vom Tourismus-Département Meuse.

300.000 Tote in der Schlacht um Verdun

Foto: Tourismus-Départment Meuse Foto: Tourismus-Départment Meuse

Am 21. Februar 1916 starten die Deutschen den Angriff auf Verdun, die bis dato größte Kanonenoffensive der Geschichte. Vier Tage später stehen sie vor dem Fort Douaumont, das nur von 30 Soldaten gehalten werden soll. Als Douaumont fällt, läuten in Deutschland die Kirchenglocken. Die Oberste Heeresleitung ist siegessicher: Bald fällt Verdun, die stolze Festungsstadt Frankreichs. Das Gegenteil passierte, der Angriff der Deutschen wird gestoppt. Meter um Meter wird mit hohem Blutzoll gekämpft. 300.000 Tote soll die Schlacht um Verdun gefordert haben. "Verdun wurde nie von den Deutschen erobert. Verdun ist die letzte Schlacht, die Frankreich alleine gewonnen hat", erzählt Jacquot: "Verdun bleibt dennoch unser Trauma!"

Wer Verdun besetzt hat, hat den Krieg gewonnen. Das wussten die Militärführungen beider Seiten. Auch deshalb steht Verdun noch im Mittelpunkt der Erinnerungen an diesen Weltkrieg. Was die Menschen in den Schützengräben erlitten haben, ist für die Betrachter heute kaum nachvollziehbar. Deshalb legt die französische Regierung viel Wert darauf, die Erinnerung wachzuhalten. Bundeskanzler Kohl und Staatspräsident Mitterrand haben sich vor der riesigen Gedenkhalle und dem schier endlosen Soldatenfriedhof Anfang der 80er Jahre die Hände gereicht. Eine große Geste!

Knochen über Knochen

Foto: Tourismus-Départment Meuse Foto: Tourismus-Départment Meuse

Die wenigen Zeugen dieser Zeit sind ­Fotos verdächtig oft lächelnder Männer. So wie in der "lustigen Schmiede" hinter den Festungsmauern von Douaumont. Dass dies nicht der Stimmungsalltag war, weiß man heute. Gebrochene Seelen kehrten in ihre Heimat zurück, auf beiden Seiten. Die Überreste derer, die nicht zurückkehrten, liegen noch vor Ort. Bedrückend der Blick durch die Fenster in der Gedenkstätte von Douaumont! Knochen über Knochen ­liegen hier im Massengrab.

Die Leiden dieser Soldaten dürfen eben nicht vergessen werden. Das haben sich die Organisatoren des Gedenktourismus an Marne und Maas versprochen. Genau deshalb hat das Centenaire in Frankreich einen derart hohen Stellenwert.

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Bis zu 41.000 Brotlaibe buken die Soldaten mit Bäckerausbildung pro Tag in der Festung von Verdun. Foto: Tourismus-Départment Meuse Bis zu 41.000 Brotlaibe buken die Soldaten mit Bäckerausbildung pro Tag in der Festung von Verdun. Foto: Tourismus-Départment Meuse

Die Festung von Verdun ist ­rechtzeitig zum Gedenkjahr 2016 wie viele andere Gedenkstätten im ­Verteidigungsring restauriert worden. Die Besucher können in einer kleinen E-Bahn einzelne ­Stationen abfahren, dank moderner ­Digitaltechnik erwacht die Festung wieder zum Leben. 2.000 Mann ­lebten und ­vegetierten hier in dunklen ­Ziegelräumen. Eine ­Soldatenstadt hinter Stein- und Betonschutz, in der es alles gab fürs tägliche ­Leben: Offizierszimmer, Operationsräume, Kantine und Großbäckerei mit neun Öfen. Graues Brot, nicht Baguette, haben die Soldaten mit ­Bäckerausbildung hergestellt – bis zu 41.000 ­Brotlaibe pro Tag. Schlafen, Arbeiten, Kämpfen, das war der ­Alltag der jungen Männer. Weitere Informationen zum Verteidigungsring gibt es im Internet (Webpräsenz auch auf Deutsch).

Zwei Museen zur Schlacht um Verdun 
Zwei informative und eindrucksvolle Museen gibt es bei Verdun zu besichtigen. Das Weltfriedenszentrum Verdun und das "Musée informel de la Guerre 14-18", eine Erinnerungsstätte, die stark auf der Arbeit des Holländers Jean-Paul de Vries mit Freiwilligen basiert.

Weltfriedenszentrum Verdun:
 Das ­Centenaire, das 100-Jahr-Gedenken an die Grande Guerre, ist ­natürlich ein ­großes Thema im Weltfriedenszentrum in Verdun, einem ­Museum und ­Arbeitsstätte für den Frieden. Wechselnde Aus­stellungen informieren rund um das Thema Erste Weltkrieg. In diesem Jahr ­empfängt der Direktor des Zentrums ­Philippe Hansch anlässlich des ­Jahrestages die ­höchsten ­Repräsentanten des ­deutschen und ­französischen Staates. Weitere Informationen zum Centenaire gibt es, leider nur auf Französisch, im Internet.

"Musée informel de la Guerre 14–18": Dem ­beispiellosen ­Einsatz des ­Holländers ­Jean-Paul de Vries ist es zu verdanken, dass es ­dieses Museum gibt, das den Alltag der ­Soldaten zeigt. Immer wieder wechseln die ­Themen, die de Vries mit Freiwilligen ­erarbeitet und ­organisiert. Vor allem ­Schulklassen aus ­Frankreich, Holland und ­Belgien besuchen die ­Sammlung von de Vries. Deutsche ­Schulen hat er in einer ­großen Aktion ebenfalls ­angeschrieben, ­gemeldet hat sich keine der ­Schulleitungen. De Vries organisiert auch Besichtigungen der Schlachtfelder in Romagne-sous-Montfaucon. Weitere Informationen zu Anfahrt und Öffnungszeiten zum "Musée informel de la Guerre 14-18" gibt es im Internet (die Seite ist auf Englisch verfügbar).

Fotos: Rüdiger Gottschalk/Tourismus-Départment Meuse

Text: / handwerksblatt.de

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