Start zum "course en canots“ im Hafenbecken von Quebec. Das Kanurennen ist ein Höhepunkt des jährlichen Karneval-Festivals im Februar.

Start zum "course en canots“ im Hafenbecken von Quebec. Das Kanurennen ist ein Höhepunkt des jährlichen Karneval-Festivals im Februar. (Foto: © picsol)

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Karneval in Quebec: Eiskalt und verrückt

Wo auch immer Karneval gefeiert wird, in Brasilien, in Venedig oder im Rheinland - er hat etwas Überschäumendes, Ausgelassenes, Fröhliches und Unvernünftiges, auch in Quebec. Zur Foto-Galerie!

Doch kann Karneval auch lebensgefährlich sein? Eindeutig Ja, lautet die Antwort, wenn man ihn in Quebec feiert, in der Hauptstadt der gleichnamigen kanadischen Provinz. Das zeigt sich beim "La course en canots", dem Kanurennen über den St. Lorenz-Strom. Es ist einer der Höhepunkte des 17 Tage dauernden Karneval-Festivals, mit dem die Menschen im Kalten Nordamerika Mitte Februar das Ende des Winters einläuten.   

Närrisches Treiben mit viel Gebrüll

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Start des gefährlichen närrischen Treibens ist der Binnenhafen der Stadt. An normalen Tagen wird von hier aus das Getreide aus dem Inneren Kanadas auf Hochseefrachtern über den St. Lorenz-Strom und den Atlantik in die Welt verschifft. Im Karneval wollen es die Kanus nur auf die andere Seite des Flusses und zurück schaffen. In Dreierreihen säumen die "Quebecois" das vereiste Hafenbecken und die Promenade unterhalb der Altstadt.

Mit Gebrüll schieben die sechs Mann starken Besatzungen ihr Kanu vom Start weg über das Eis. Männer, Frauen, Jugendliche – ihnen allen ist der Ehrgeiz ins Gesicht geschrieben. Nach 200 Metern ist Wasser erreicht, die Besatzungen springen ins Boot. Es geht hinaus auf den Strom, der sich auf Höhe der Stadt zu einem Delta von etwa drei Kilometern Breite öffnet. Zwischen den Eisschollen hindurch steuern die harten Kerle und die nicht weniger harten Frauen ihr Ziel auf der anderen Seite an, von wo sie im Dreieck wieder zurück zum Start müssen.

Die Kanadier müssen verrückt sein

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Und hier zeigt sich: Die Kanadier müssen verrückt sein, um dieses Wagnis auf sich zu nehmen. Wie verabredet setzt ein Phänomen ein, dass den Gezeiten des fast 600 Kilometer entfernten Atlantiks geschuldet ist. Mit der aufkommenden Flut stockt der Fluss. Für einen Moment scheinen die Eisschollen zu stehen, dann schiebt sie die Strömung bergauf, den nachfolgenden Eisschollen entgegen. Nach und nach bilden die Brocken und Platten eine zusammenhängende Masse, die den Kanufahrern die Rückkehr versperrt.

Gefährliche Eismassen
Jetzt ist vollends voller Einsatz verlangt. Auf Kommando schieben die in Neopren-Anzügen steckenden Besatzungen ihr Kanu mit einem Bein vorwärts oder springen gleich ganz auf die schwankende tückische Eismasse hinaus, schieben, ziehen und zerren das Boot über die Schollen. Wer Pech hat, den drücken die tonnenschweren Massen in Richtung Kaimauer. Ein Wunder, dass die Kanu-Crew es immer rechtzeitig auf das Eis schafft, die Boote nicht zerquetscht werden und niemand zwischen zwei Eisschollen verschwindet.

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Mit dem Kanurennen erinnert das französisch-stämmige Quebec an die Zeit, als der mächtige Fluss noch mit dem Boot überquert werden musste, weil es keine Brücken gab, und das träge fließende Eis eine ständige Gefahr darstellte. Es kann bis zu 30 Grad minus kalt sein, wenn das Spektakel startet. Als Zeichen, dass sie beim Karneval mitmachen, haben die Quebecois den "ceinture flecheé" umgebunden, einen bunten Bauchgurt. Viele Zuschauer halten sich warm mit "Caribou", einer Art Glühwein mit Gewürzen und einem hochprozentigem Schnaps, der kalt getrunken wird.

Karneval in allen Gassen
In den Gassen unterhalb des "Chateau Frontenac", des riesigen Luxushotels, das die Silhouette Quebecs prägt, drängen sich die Menschen gleich nach dem Zieleinlauf vor den Restaurants und Bars. Die historischen Plätze der Stadt sind mit Eisskulpturen geschmückt. Die ein oder andere Figur trägt die Züge des "Bonhomme Carnaval". Der dicke, gutmütig wirkende Schneeriese mit den Glupschaugen ist das Wahrzeichen des kanadischen Karnevals. In seinem eisigen Revier unterhalb des Parlaments begrüßt er die Gäste persönlich und führt sie an einigen Ausstellungsstücken mit historischen Erinnerungen entlang. Fernsehteams berichten live vom Geschehen in diesen Tagen.

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Wie in einer französischen Kleinstadt

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Quebec kann und will seine französischen Wurzeln und seine französische Lebensfreude nicht verleugnen. Europäer fühlen sich angesichts der kleinen Läden und Cafés an das Leben in einer französischen Kleinstadt erinnert. Der historische Kern der Altstadt ist von einer intakten Stadtmauer umgeben, was Quebec auf dem nordamerikanischen Kontinent einzigartig macht. Die sonst für nordamerikanische Städte so typische Hochhaus-Architektur ist an den Rand gedrängt.

Foto: © picsolFestumzug im Stadtteil Charlesbourg
Seine ausgelassene und fröhliche Seite präsentiert der Kanada-Karneval bei einem Festumzug im Stadtteil Charlesbourg. Wenn sich der Zug aus Festwagen, Musikbands und Figuren durch die breiten Straßen schiebt, kommen vage Erinnerungen an den rheinischen Karneval auf - wären da nicht das dichte Schneetreiben und die Finsternis. Der Wind presst die Flocken in die Augen.  Unter den Zuschauern kreist wieder der "Caribou".  Vermummte Polizisten fahren auf ihren Motorrädern mit  offenem Beiwagen die Zuschauerreihen entlang.

Sie winken ins Publikum, unklar, ob als Vorauskommando, als Teilnehmer des Festzuges oder als Begleitschutz. Statt Kostümen tragen die Tänzerinnen eines lokalen Vereins T-Shirts über dicken Fleece-Jacken. Statt mit politischer Satire sind die Festwagen mit Eisskulpturen  geschmückt. Sänger, Saxofonisten und Schlagzeuger spielen sich auf den Wagen die Seele aus dem Leib. Eine Turnergruppe hangelt sich an einem Gerüst entlang, das auf einem Wagen montiert ist.

Nach dem Umzug wartet das Nachtleben

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Auf riesigen Stangen montiert, schaukeln Wolfsköpfe wie Ungeheuer auf die Zuschauer zu und erschrecken sie. Vor allem die Kinder müssen zweimal hinschauen, um unter der Verkleidung die dick eingepackten Puppenspieler zu erkennen. Ein künstlicher weißer Elch, von verborgenen Menschen im Inneren zusammengehalten, wird an den Zuschauerreihen entlang geführt. Auch der "Bonhomme" ist wieder da und winkt von seinem Wagen herab in die Menge, ganz so wie ein Karnevalsprinz. Eine Stunde dauert es, dann signalisieren die Wagen von Rettungsdienst und Feuerwehr, dass der Umzug vorbei ist.  Es geht zurück in die Altstadt. Dort wartet das Nachtleben.

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Im Jahr 2017, wenn die kanadische Konföderation 150 Jahre alt wird, findet das Festival des "Carnaval de Quebec" vom 27. Januar bis 12. Februar statt. Neben dem Kanurennen und den Festumzügen ist der Eisskulpturen-Wettbewerb ein fester Programmteil. Klassische Konzerte und andere Musik-Veranstaltungen, Fahrten mit Pferde- und Hundeschlitten, ein großer Freizeitpark, die Krönung einer Karnevals-Königin und lustige Wettbewerbe sorgen für genügend Abwechslung in diesen drei Wochen.

Lohnenswert ist ein Besuch im Eishotel, das jedes Jahr neu aus Eisblöcken gestaltet wird und etwa eine Autostunde entfernt ist. Einen Einblick in die Geschichte der "first nations", der Ureinwohner, kann man in Wendake gewinnen, im Hotel-Musée Premierès Nations".

Poutine: Einmal muss man sie gegessen haben
"Das müsst ihr unbedingt probieren", drängen die "Quebecois" die Besucher und Touristen. Gemeint ist "Poutine", die lokale Spezialität: Pommes Frites, mit Bratensaft übergossen und mit fettem Käse garniert. Doch Vorsicht: Das nicht eben kalorienarme Gericht liegt über Stunden wie Blei im Magen.  "Poutine", was frei übersetzt so viel wie "Allerlei" bedeutet, gibt es in Imbissbuden, Schnellimbiss-Ketten und Restaurants in ungezählten Variationen, meistens mit Bruchkäse vom Cheddar, der beim Essen noch quietscht, mal mit Mozzarella, mal mit extra gewürzter Bratensauce, mal mit Frühstücksspeck und Zwiebeln, mal mit Sauerkraut. Zum Karneval in Quebec wartet beinahe jeder Koch mit seinem eigenen Rezept  auf. Einmal sollte jeder Besucher in Quebec  "Poutine" gegessen haben. Doch ein zweites Mal? Eher nicht.

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Text: / handwerksblatt.de

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