Andreas Ehlert hofft, dass der ZDH die Empfehlungen in die Interessenvertretung in der Bundespolitik einfließen lässt. (Foto: Ingo Lammert)

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Den Druck auf die Politik aufrechterhalten

Der Präsident des NRW-Handwerks, Andreas Ehlert, will möglichst viele Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zur Zukunft des Handwerks umgesetzt sehen.

Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW und der Handwerkskammer Düsseldorf, war als Sachverständiger für die CDU-Fraktion Mitglied der Enquetekommission zur Zukunft von Handwerk und Mittelstand. Mit dem DHB sprach er über seine Erfahrungen und seine Erwartungen.

Was ziehen Sie für ein Fazit nach zwei Jahren Enquete-Kommission?
Ehlert: Drei Dinge möchte ich herausheben: Ich habe einen tiefen Einblick in den Politikbetrieb des Landtags nehmen können, was mich als Sachwalter für das Handwerk und auch persönlich bereichert hat. Dann: Nicht nur die beteiligten Abgeordneten, auch ich habe als Sachverständiger in der Kommission noch einiges Neue über das Handwerk gelernt. Und drittens – und das ist der wichtigste Aspekt – haben wir als Vertreter des Handwerks über die zwei Jahre Laufzeit der Enquete gute und inhaltsstarke Kontakte zu sehr vielen Landtagsabgeordneten bekommen. Das ist für das Handwerk ein gewaltiger Vorteil! Viele Volksvertreter sind zum Teil seit Monaten in Handwerksunternehmen und in der Handwerksorganisation unterwegs. Ich freue mich besonders über die mehrfach gehörte Aussage, dass das Handwerk ein unbedingt notwendiger Wirtschaftsbereich ist und dass es sich lohnt, dafür die Rahmenbedingungen positiv zu verändern. Alle Parteien suchen jetzt für das Handwerk zu sprechen, mit spürbarer Überzeugung, und natürlich auch, weil sie vor der Landtagswahl in einem besonderen Wettstreit der Ideen stehen; bemühen sich, in ihren Programmen positiv für das Handwerk zu formulieren. Das war nicht immer so.

Wie sieht denn die Rolle eines Sachverständigen aus, der direkt aus dem Handwerk kommt und nicht als Abgeordneter im politischen Geschäft ist?
Ehlert: Der Sachverständige in einer Kommission, der von einer Partei – in meinem Fall der CDU- Fraktion – angefragt wird und mitarbeitet, hat in dieser Zeit alle Rechte und Pflichten, die auch ein Abgeordneter hat; selbstverständlich auch Stimmrecht. Wir konnten uns jederzeit inhaltlich einbringen. Meine persönliche Rolle als Sachverständiger war auch die des Ratgebers, auch in die entsendende Fraktion hinein, die sich als Ganzes interessiert gezeigt hat, welche Schritte ich für die Handwerkspolitik empfehle. Letztlich waren alle Obleute und Fraktionen interessiert und aufgeschlossen gegenüber dem Votum aus der Praxis.

Haben Sie denn das Gefühl, dass die Abgeordneten gar nicht so viel über das Handwerk wussten, bevor sie sich in der Enquetekommission intensiver damit beschäftigten?
Ehlert: Da gab es durchaus Aufklärungsbedarf. In den ersten Sitzungen haben wir zunächst versucht, unseren Wirtschaftsbereich überhaupt einmal zu beschreiben. Da musste man schon feststellen, dass viele Landtagsabgeordneten nur Grundkenntnisse über einzelne Handwerksberufe, die Institutionen des Handwerks und die wirtschaftliche Selbstverwaltung besitzen. Es war immer wieder erforderlich, zu verdeutlichen, am Beispiel ganz konkret zu machen, worüber wir hier wirklich sprechen und wo das Problem für die kleinen und mittleren Betriebe liegt.

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HandwerkGab es zum Ende der Zusammenarbeit in der Enquetekommission Probleme, weil wir jetzt in einem Wahljahr und die Parteien mittlerweile im Wahlkampfmodus sind?
Ehlert: Gegen Ende habe ich schon festgestellt, dass sich die Abgeordneten plötzlich ein Stück weit zurückgezogen haben. Niemand wollte sich mehr zu weit heraus wagen. Über lange Zeit jedoch waren alle fünf Fraktionen innerhalb der Enquetekommission sehr stark darauf fokussiert, dem Handwerk etwas Gutes zu tun. Nachdem die fünf Obleute die Entwürfe des Abschlussberichts ihrer Fraktion vorgestellt hatten, gab es dann Widerspruch von dort. Zum Schluss war es schwierig, gemeinsame Nenner zu finden. Keiner wollte mehr hergeben, als sein Parteiprogramm vorgesehen hat. Die Arbeiten am Abschlussbericht wurden um vier Wochen verschoben, weil in bestimmten Punkten keine Verständigung möglich war. Im Einzelfall mussten wichtige Anliegen des Handwerks – beispielsweise das Tariftreue- und Vergabegesetz von vergabefremden Leistungen zu entlasten – schließlich auch ganz aus dem Dokument gestrichen werden, weil keine Einigung möglich war.

Die Handlungsempfehlungen sind ja eigentlich das Herz des Berichtes. Gibt es Empfehlungen, die Sie als besonders wichtig empfinden?
Ehlert: Für uns sind die wirtschaftspolitischen Rahmenvoraussetzungen enorm wichtig. Wir wollen einen fairen Wettstreit zwischen Industrie und Handwerk. Eine freie Kfz-Werkstatt etwa muss Zugriff auf alle Herstellerdaten haben. Und auch die Politik greift eben immer wieder in Wettbewerbsbedingungen ein. Nehmen Sie das Thema Lebensmittelhygiene und die jetzt verabschiedete Hygieneampel. Da mag man noch so sehr bekennen, dass man das Handwerk wertschätzt, aber eine solche zusätzliche Auflage stellt den handwerklichen Anbieter grundsätzlich schlechter als den industriellen, der gar keinen unmittelbaren Kundenkontakt hat.

Nimmt der Minister Johannes Remmel das eigentlich wahr? Er zeigte sich am Rande einer Veranstaltung in der Kammer Düsseldorf ja zumindest gesprächsbereit, aber da ist doch nicht viel bei rumgekommen.
Ehlert: Sicherlich beobachten wir im Umwelt- und Verbraucherministerium eine gegenüber der Wirtschaft misstrauische, regulierungsgläubige Grundhaltung. Es geht aber vor allem um Strukturen. Dem Wirtschaftsministerium in NRW sind schon in den vergangenen Jahren zu viele Kompetenzen genommen worden. Etwa der ganze Bereich der Energie und die Energieagentur; auch die Zuständigkeit für Innovationen. Selbst einem starken Minister fehlt da mittlerweile der Unterbau. So kam es zur Hygieneampel, und so hapert es auch weiterhin beim Tariftreue- und Vergabegesetz.

Merken Sie denn im Gespräch mit Wirtschaftsminister Garrelt Duin, dass er irgendwie unzufrieden ist?
Ehlert: Wir spüren sein Interesse daran, dass das Ministerium mehr Möglichkeiten hat, Einfluss zu nehmen auf Themen, die dem Handwerk sehr nahe sind. Der bisherige Zuschnitt des Ministeriums ließ dies offenbar nicht zu.

Was erwartet das Handwerk denn jetzt, was umgesetzt werden kann? Ist es realistisch, dass wirklich alle Empfehlungen umgesetzt werden?
Ehlert: Die erste von 171 Handlungsempfehlungen wurde im Landtag schon beschlossen. Das ist die Einrichtung eines runden Tisches, an dem neben der Politik auch das Handwerk sitzt. Ich möchte, dass wir uns als NRW-Handwerk dort einbringen. Das fordere ich auch ein. Im Kern geht es hierbei vor allem um eine Veränderung der derzeit bestehenden Mittelstandsförderungsstrukturen. So brauchen wir beispielsweise, was das Mittelstandsförderungsgesetz angeht, künftig eine höhere Transparenz sowie eine verbindlichere Umsetzung. Die Umstellung von der (Handwerker-)Pflichtversicherung auf eine Versicherungspflicht ist ein weiterer essenzieller Punkt. Und ja, ich erwarte, dass wir zum Ende der kommenden Legislaturperiode ganz viele Haken auf der To-do-Liste machen können. Wir hoffen auch, dass der Abschlussbericht nicht nur in NRW wirksam wird. Viele Handlungsempfehlungen sind ja auch an den Bund und an Europa gerichtet.

Ehlert3 IngoLammertWie wichtig ist denn der Bericht als Zeichen an den Bund und vielleicht auch an die einzelnen Kammern?
Ehlert: Die Präsidentenkollegen in den verschiedenen Kammern zeigen starkes Interesse an den Empfehlungen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks war ganz hervorragend. Generalsekretär Holger Schwannecke hat selbst in der Kommission vorgetragen. Wir gehen davon aus, dass das Abschlussdokument auch vom ZDH als Arbeitsauftrag verstanden und in die politische Tagesarbeit eingespeist wird. Denn für den Erfolg unserer politischen Vorstellungen ist natürlich vorrangig wichtig, dass die Handwerksorganisation Druck aufbaut und aufrechterhält. Wir wollen unter anderem, dass die Berufsbilder im Gesundheitsgewerbe weiterentwickelt werden sollen. Die schlechte Wettbewerbssituation der handwerklichen Dentallabors zum Beispiel gegenüber den Zahnärzten sollte verändert und einige Berufsbilder auch für medizinische Leistungen geöffnet werden. Hier wünschen wir uns, dass die jeweiligen Fachverbände jetzt die Empfehlung aufgreifen, und wir dann als Gesamthandwerk orchestriert auf den Erfolg hinwirken.

Wie ist da die Erfahrung, ziehen alle Branchen mit?
Ehlert: Ich glaube, daran haben alle Verbände ein großes Interesse. Es kann doch nicht sein, um beim Beispiel der Zahntechniker zu bleiben, dass Zahnärzte mit geringeren Auflagen Praxislabore aufmachen, sich dann mit eigenem Personal selbst beliefern, und auch noch andere Zahnärzte aus den eigenen Laboren bedienen. Der Fachverband und die Innungen haben ein hohes Interesse daran, dass die Politik die Wettbewerbsproblematik aufgreift und für Waffengleichheit sorgt.

Es gibt ja auch Handlungsempfehlungen, die sich an die EU richten. Wie schätzen Sie da die Chancen ein, dass das in Brüssel überhaupt gehört wird?
Ehlert: Das Land NRW soll, wo nötig, vom Mittel der Subsidiaritätsrüge Gebrauch machen, lautet eine Handlungsempfehlung. Zum Zeitpunkt der Diskussion über diesen Punkt in der Enquetekommission wussten wir noch gar nicht, dass Brüssel wieder mit abenteuerlichen handwerksschädlichen Ideen unterwegs ist, wie sie im "Dienstleistungspaket“ der EU-Kommission und der Berufsreglementierungs-Richtlinie mittlerweile offenbart haben. Die Anpassung von Ausbildungs- und Meisterordnungen an veränderte Gegebenheiten soll erschwert werden. Die Subsidiaritätsrüge bringt nationale Eigenheiten und vor allem Zuständigkeiten zur Geltung und ist deshalb ein probater Weg, sich in Europa Gehör zu verschaffen.

Wieso wird der Meistervorbehalt in Brüssel immer wieder zum Thema gemacht? Irgendwann sollte man doch die Erfolge der größten Volkswirtschaft mal anerkennen.
Ehlert: Wir alle im Handwerk sind es leid, dass wir uns permanent für die Art, wie wir uns qualifizieren, rechtfertigen müssen. Wenn das, was da jetzt aus Brüssel kommt, umgesetzt würde, würde das letzten Endes ein Einfrieren der Handwerksstrukturen bedeuten. Dann ist keine weitere Entwicklung mehr möglich. Das wird mit dem Handwerk und auch mit den heimischen Parlamenten nicht zu machen sein. Die EU laboriert sozialpolitisch und ökonomisch nach meiner Einschätzung ja gerade an unzureichenden Qualifikationsstrukturen in vielen Mitgliedstaaten herum. Insofern sind wir gut beraten, dass wir in Deutschland an unserem hohen Standard festhalten und die Akzeptanz für unsere gute Qualifikationskultur aufrechterhalten. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass jedes Land in Europa sich so qualifiziert, wie es das für richtig hält. Aber man soll uns bitte die Möglichkeit lassen, dass wir unser wertvolles Qualifizierungssystem behalten.

Das Interview führten: Lars Otten und Rüdiger Gottschalk; Fotos: Ingo Lammert

Text: / handwerksblatt.de

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