Yvonne Gebauer ist seit Juni 2017 Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Vorher war sie fünf Jahre lang Sprecherin für Schule und Weiterbildung der FDP-Landtagsfraktion; Foto: © MSB/Susanne Klömpges

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Alle Bildungshürden müssen fallen

Betriebsführung

Damit die Schulen die künftigen Herausforderungen wie etwa die Digitalisierung meistern, muss sich auch der Bund an den Kosten beteiligen können, meint NRW-Schulministerin Gebauer (FDP).

Schulpolitik ist Ländersache. Doch nicht alle können sich die beste Bildung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene leisten. Das Kooperationsverbot hindert den Bund daran, sich stärker an der Finanzierung zu beteiligen. Solche Hürden gehören für die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) beseitigt. Doch auch in NRW gibt es noch einiges zu tun.

DHB: In den gewerblich-technischen Fächern droht bundesweit an den berufsbildenden Schulen ein Lehrermangel. Was kann Ihr Haus dafür tun, dass sich mehr junge Menschen in NRW für diesen Beruf gewinnen lassen?
Gebauer: In diesem Jahr startet eine breit angelegte Lehrerwerbekampagne, um mehr junge Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. Das soll uns langfristig dabei helfen, den Lehrerbedarf zu decken. Im Rahmen der Kampagne werden wir auch für mehr Wertschätzung dieses wichtigen Berufs werben. Denn noch immer erfahren Lehrerinnen und Lehrer in der Gesellschaft zu wenig Anerkennung. Notwendig sind aber auch kurz- und mittelfristig wirksame Maßnahmen. Dabei gehen wir auch neue Wege. Zum Beispiel mit dem Dualen Studium für das Lehramt an Berufskollegs. An den Standorten Wuppertal, Siegen, Paderborn, Münster und Aachen können Fachhochschulabsolventen mit einem Bachelorabschluss in technischen Fachrichtungen einen Master of Education für das Berufskolleg erwerben. Während ihres Studiums arbeiten sie dann mit fünfzig Prozent als Lehrkraft an einem Berufskolleg. Darüber hinaus werben wir selbstverständlich auch auf Berufsmessen und Absolventenkongressen um Nachwuchs.

DHB: Welche Rolle spielen Seiten- und Quereinsteiger, um den Fachlehrermangel zu beheben?
Gebauer: Grundsätzlich ist es das Ziel der Landesregierung, freie Lehrerstellen mit grundständig ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern zu besetzen. Aber besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger helfen den Schulen dabei, die aktuelle Lehrerlücke zu schließen und Unterrichtsausfall zu vermeiden. Außerdem können sie mit ihrer persönlichen Berufsbiografie vielfach auch eine Bereicherung für das Schulleben sein. Damit der Start gelingt, erhalten alle Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger eine berufsbegleitende Qualifizierung, in der ihnen die pädagogischen Grundlagen des Lehrerberufs vermittelt werden. Wer einen zweijährigen berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst absolviert und anschließend eine Staatsprüfung ablegt, ist den anderen Kolleginnen und Kollegen gleichgestellt.

DHB: Die Berufsorientierung muss an allen Schulformen intensiviert werden. Wie geht es mit dem Übergangssystem Schule-Beruf weiter?
Gebauer: Wir werden das Landesvorhaben „Kein Abschluss ohne Anschluss“ im nächsten Schuljahr landesweit und flächendeckend umsetzen. Damit erhalten erstmals in einem Flächenland alle Schülerinnen und Schüler in den Jahrgangsstufen 8, 9 und 10 eine systematische Berufsorientierung, um später eine fundierte und gute begründete Berufs- oder Studienwahlentscheidung zu treffen. Zugleich soll dieses bundesweit beispielgebende System weiterentwickelt und dabei an einigen Stellen auch praxistauglicher gestaltet werden, zum Beispiel was Zeiträume und Orte anbelangt, an denen einzelne Standardelemente durchgeführt werden. Das muss mit Augenmaß geschehen, ohne die unbestrittenen Erfolge des Systems zu gefährden. Wir haben uns daher bereits in ersten Workshops mit allen Partnern des Ausbildungskonsenses auf den Weg gemacht, entsprechende Potentiale zu identifizieren. Eine Verbesserung wird übrigens die Einführung von Standardelementen auch in der Sekundarstufe II sein. Denn die in der Sekundarstufe I gewonnene Berufswahlkompetenz muss auch in der Sekundarstufe II weiter gefördert werden, damit wir auch bei diesen Absolventinnen und Absolventen aus Gesamtschulen, Gymnasien und Berufskollegs möglichst realistische Entscheidungen und wenig Ausbildungs- oder Studienabbrüche erzielen.

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DHB: Künftig soll es wieder Zuschüsse für Auszubildende geben, die zum Besuch der Berufsschule auswärtig untergebracht werden müssen. Wie soll die Förderung konkret aussehen?
Gebauer: Es ist uns wichtig, dass wir hier zweigleisig fahren: Einerseits sorgen wir dafür, dass die breit abgestimmten und auch durch eine einstimmige Empfehlung des Landesausschusses getragenen Flexibilisierungsmöglichkeiten zum Erhalt ortsnaher Beschulungsmöglichkeiten auch wirklich genutzt werden können. Mit 250 zusätzlichen Stellen für die Berufskollegs im Haushalt 2018 haben wir auch Grundlagen geschaffen. Andererseits sehen wir, dass bei insgesamt über 300 Ausbildungsberufen auch demografisch bedingt für manche Ausbildungsberufe nur wenige Standorte in NRW oder gar bundesweit verfügbar sind. Hier soll die Unterbringung bei auswärtigem Blockunterricht nicht mehr zu Lasten der Auszubildenden gehen. Mit 8,4 Millionen Euro haben wir über zehn Mal so viele Mittel im Haushalt vorgesehen als zuletzt im Jahr 2012 zur Verfügung standen. Aktuell wird eine Richtlinie entwickelt, die eine möglichst einfache und rechtssichere Beantragung und Auszahlung eines noch genau zu bemessenden Zuschusses ermöglichen soll.

DHB: Die Kassen des Bundes sind voll. Dagegen hängen einige Länder und Kommunen finanziell eher in den Seilen. Sollte das Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufgehoben werden?
Gebauer: Beste Bildung darf nicht an Zuständigkeiten scheitern. Alle stehen in der Verantwortung: Kommunen, Länder und auch der Bund. Alle gesetzlichen Hürden, die einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung im Wege stehen, müssen beseitigt werden mit dem Ziel, im föderalen Aufbau unseres Landes wieder neue Kooperationsmöglichkeiten zu schaffen, die wir für die Gesamtfinanzierung unseres Bildungssystems nutzen wollen. Wir brauchen die Unterstützung des Bundes, um beispielsweise die Jahrhundertaufgabe Digitalisierung unserer Schulen erfolgreich zu gestalten. Ich erwarte hier ein klares Signal von den Gesprächen über eine Regierungsbildung in Berlin.

Die Fragen stellten Bernd Lorenz und Lars Otten.

Foto: © MSB/Susanne Klömpges

Text: / handwerksblatt.de

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