Der Vorstand von Handwerk.NRW formuliert die Erwartungen des Handwerks, "wie unter diesen politischen Rahmenbedingungen die Energie- und Rohstoffstrategie unseres Landes aussehen muss".

Der Vorstand von Handwerk.NRW formuliert die Erwartungen des Handwerks, "wie unter diesen politischen Rahmenbedingungen die Energie- und Rohstoffstrategie unseres Landes aussehen muss". (Foto: © kebox/123RF.com)

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Darauf kommt es in der Energie- und Rohstoffkrise an

Handwerkspolitik

Der Vorstand von Handwerk.NRW hat einen Beschluss über Leitlinien der Energie- und Rohstoffpolitik gefasst. Aus seiner Sicht kommt es auf 16 Punkte an, um die Herausforderungen zu bewältigen.

Auch das nordrhein-westfälische Handwerk erlebt die schwerwiegenden Auswirkungen, die die aktuell stark steigenden Preise und die akute Materialknappheit auf die Betriebe hat. Der Vorstand von Handwerk.NRW hat deswegen jetzt Leitlinien für die Energie- und Rohstoffpolitik beschlossen. Darin formuliert sind die Erwartungen des Handwerks, "wie unter diesen politischen Rahmenbedingungen die Energie- und Rohstoffstrategie unseres Landes aussehen muss". Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe viele Gewissheiten erschüttert, von denen sich die deutsche Außen-, Wirtschafts- und Klimapolitik bisher leiten ließ, so der Vorstand.

Er verzichtet aber bewusst auf eine Bewertung außen- oder sicherheitspolitischer Grundentscheidungen der Bundesregierung als Reaktion auf den Krieg, sondern konzentriert sich auf die unmittelbaren Interessen des Handwerks. "Wir brauchen eine umfassende Strategie, die unsere Wirtschaftsordnung weniger erpressbar und fragil und gleichzeitig anpassungsfähiger und kreativer im Aufspüren und Umsetzen neuer Lösungen macht – auch im Hinblick auf den Klimaschutz", heißt es im Beschluss.

Abhängigkeiten reduzieren

Dabei komme es aus Sicht des Handwerks auf 16 Punkte an. Es gelte, Abhängigkeiten von unzuverlässigen Staaten zu reduzieren. Anders sei eine Versorgungssichheit auf lange Sicht für Energie und Rohstoffe nicht herzustellen. Dazu gehöre auch, Liefer- und Wertschöpfungsketten zu diversifizieren. "Wir müssen lernen, uns auf solche Partner zu konzentrieren, die Handelsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit respektieren." Zur Versorgungssicherheit könnten auch dezentrale Lösungen, zum Beispiel Photovoltaikanlagen, beitragen.

Das NRW-Handwerk kritisiert schon lange die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen auf etablierte Märkte des Handwerks. Die Ausdehnung dieser Betätigung durch den Ausbau der Fernwärme oder bei der Ladeinfrastruktur wäre ein "energie- und wettbewerbspolitischer Irrweg" und der künftigen Energieversorgungsstrategie nicht dienlich. Private Investitionen sollten durch beschleunigte und entbürokratisierte Planungs- und Genehmigungsverfahren angeschoben werden. Mit ensprechenden Förderprogrammen könnten die Handwerksbetriebe niedrigschwellige Beratungsangebote für Verbraucher bereitstellen, um Investitionsbereitschaft auslösen. Generell sei es für alle Akteure von großer Bedeutung, "dass einfache und verlässliche Förderstrukturen bestehen und die politischen Rahmenbedingungen für energierelevante Investitionen Planungssicherheit geben".

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Technologieoffenheit statt Verbote

Handwerk.NRW spricht sich gegen Verbote und technologische Vorgaben aus. Sinnvoller seien gezielte Anreize für Verhaltensänderungen und Investitionen. Gerade im Gebäudesektor komme es dabei auf Technologieoffenheit an, weil für jeden Einzelfall geprüft werden müsse, welche energetischen Maßnahmen an Gebäudehülle oder Gebäudetechnik für ein konkretes Gebäude die besten sind. In puncto Gasumlage müsse die Politik Wettbewerbsverzerrungen zulasten des Handwerks und der kleinen und mittleren Betriebe vermeiden. "Die gasbetriebene Prozesswärme einer Bäckerei darf nicht anders behandelt werden als die gasbetriebene Heizwärme einer Industrieanlage."

Energie- und Klimawende könnten nur gelingen, wenn ausreichend Fachkräfte den Weg in das Handwerk finden – besonders für die klimarelevanten Berufe seien kurz- und mittelfristig zusätzliche Wege, um deutlich mehr geeignetes Personal für die Unternehmen der einzelnen Branchen zu erschließen.

16 Punkte1. Langfristige Versorgungssicherheit für Energie und Rohstoffe werden wir nur erreichen, indem wir die Abhängigkeit von unzuverlässigen Staaten konsequent reduzieren. Wir müssen Lieferketten und Wertschöpfungsket- ten diversifizieren und damit flexibler machen. Wir müssen lernen, uns auf solche Partner zu konzentrieren, die Handelsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit respektieren.

2. Die aktuelle Situation ist eine gewaltige Herausforderung für den Betrieb und die Netzstabilität der leitungsgebundenen Versorgungsinfrastruktur. Zur Versorgungssicherheit können deshalb auch dezentrale Lösungen wie PV- Anlagen beitragen, wenn die Einspeisung der dort erzeugten Energie ge- steuert wird und wenn die Tragfähigkeit der Netze für erneuerbare Energien ausgebaut wird. Daraus entsteht Wettbewerb, der das Versorgungssystem insgesamt stabiler, anpassungsfähiger und weniger fragil macht.

3. Für eine erfolgreiche Transformation müssen wir auf Wettbewerb setzen. Die Ausdehnung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen durch den Ausbau der Fernwärme oder bei der Ladeinfrastruktur wäre ein energie- und wettbewerbspolitischer Irrweg, insbesondere wenn dadurch die Wahl- möglichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher beschränkt werden. Die jetzigen Herausforderungen sind kein Anlass, einer Ausdehnung der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand zulasten der Privatwirt- schaft das Wort zu reden. Die Schwächung der unternehmerischen Privat- initiative durch eine Ausdehnung der öffentlichen Wirtschaft wäre den Ziel- setzungen der künftigen Energieversorgungsstrategie nicht dienlich.

4. Um Versorgungsstabilität zu erreichen und Produktionsprozesse in der ge- samten Wirtschaft anzupassen, werden viele öffentliche und private Investi- tionen nötig sein. Es ist deshalb wichtig, Planungs- und Genehmigungsver- fahren zu überprüfen, zu beschleunigen und zu entbürokratisieren.

5. Die Reduzierung von Energieverbrauch und die nachhaltige Senkung von Energiekosten sind eine kurz- und langfristige Aufgabe. Regulatorische Rahmenbedingungen, die dem entgegenstehen, müssen systematisch auf den Prüfstand gestellt werden. Konkret gilt dies z.B. für die geltenden Ab- standsregeln für Wärmepumpen im Außenbereich und die geltenden Ab- standsregeln von PV-Anlagen, die sinnvolle Investitionen verhindern.

6. Die Handwerksbetriebe können durch niedrigschwellige Beratungsangebote für Verbraucher Verhaltensänderungen und Investitionsbereitschaft auslö- sen, mit denen der Energieverbrauch reduziert wird.

7. Die Handwerksorganisationen haben mit der Landesregierung eine Initiative verabredet, um Beratungs- und Informationsangebote zu verstärken. Dafür müssen Förderprogramme geschaffen werden, die die Inanspruchnahme von Beratung attraktiver machen.

8. Das Handwerk steht bereit, sich auf kommunaler und regionaler Ebene in Bündnisse einzubringen, in denen viele unterschiedliche Akteure miteinan- der vereinbaren, Nachhaltigkeit im umfassenden Sinne in Energieversor- gung, Mobilität und Stadtentwicklung zu ermöglichen.

9. Von besonderer Bedeutung für das Gelingen der Energie- und Klimawende und für die Versorgungssicherheit ist die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften. Das Handwerk bietet jungen Menschen gerade auch in den dafür relevanten Tätigkeitsfeldern chancenreiche Bildungs- und Karriere- wege. Speziell für die klimarelevanten Berufe brauchen wir kurz- und mittel- fristig zusätzliche Wege, um deutlich mehr geeignetes Personal für die Handwerksbetriebe zu erschließen. Die technologischen Anforderungen verlangen eine klare Qualitätsorientierung in der Qualifikation.

10. Für alle Akteure ist es wichtig, dass einfache und verlässliche Förderstruk- turen bestehen und die politischen Rahmenbedingungen für energierele- vante Investitionen Planungssicherheit geben. Ein vielversprechender Weg wäre es, ein einfaches Anreizsystem mit Prämien für das Energieeinsparen einzuführen.

11. Preise, die Anreize für Verhaltensänderungen und Investitionen setzen, sind der bessere Weg als Verbote und technologische Vorgaben. Trotz al- lem müssen Energie und Rohstoffe bezahlbar bleiben, um soziale Verwer- fungen zu vermeiden. Die Absenkung von Energiesteuern, die derzeit oh- nehin etwa die Hälfte des Energiepreises ausmachen, wäre ein erster Schritt.

12. Die Systematik von Steuern und Abgaben muss widerspruchsfrei und nachvollziehbar sein und alle Sektoren des Energieverbrauchs diskriminie- rungsfrei einbeziehen. Wir brauchen eine sektorübergreifende CO2- Bepreisung, die klare Signale setzt, anstelle einer unsystematischen und widersprüchlichen Energiebesteuerung. Abgaben aller Art müssen also da- hingehend hinterfragt werden, ob sie nur aus fiskalischen Motiven erhoben werden oder ob sie dem ordnungspolitischen Ziel dienen, externe Kosten der Ressourcennutzung in die Wirtschaftsrechnung der Marktakteure zu in- tegrieren.

13. Nicht nur im Gebäudesektor kommt es darauf an, dass dezentrales Wissen um Umstände und Besonderheiten genutzt wird, um wirklich effiziente Lö- sungen zu ermöglichen. Welche energetischen Maßnahmen an Gebäude- hülle oder Gebäudetechnik für ein konkretes Gebäude die besten sind, lässt sich nicht am politischen Reißbrett entscheiden, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Technologieoffenheit ist daher in allen Fragen der Energiewende von entscheidender Bedeutung.

14. Eine mögliche Rationierung der Energieversorgung durch politische Vorga- ben wirft schwerwiegende Fragen auf. Das Handwerk ist eng verflochten in Wertschöpfungsketten, von denen auch die sogenannte kritische Infrastruk- tur abhängt. Beispielsweise sind Krankenhäuser zwingend auf die Leistun- gen der Textilreiniger angewiesen. Dieser Verflechtung muss die Politik Rechnung tragen.

15. Wo die Politik – wie aktuell bei der Gasumlage – zu Privilegierungen greift, müssen Wettbewerbsverzerrungen zulasten des Handwerks und der klei- nen und mittleren Betriebe verhindert werden. Die gasbetriebene Prozess- wärme einer Bäckerei darf nicht anders behandelt werden als die gasbe- triebene Heizwärme einer Industrieanlage.

16. Handwerk ist ein entscheidender Partner für die Transformation. Deshalb nützt es, das Handwerk auf allen Ebenen in den politischen Dialog zur künf- tigen Energieversorgungsstrategie einzubinden. Nur dann kann das Hand- werk sein Wissen um Marktsituationen einbringen. Nur dann können die Belange der Betriebe in politischen Entscheidungen berücksichtigt werden.

Quelle: Handwerk.NRW

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Text: / handwerksblatt.de

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