Mit einem neuen Infektionsschutzgesetz will die Bundesregierung eine bundesweit einheitliche Corona-Regeln einführen.

Mit einem neuen Infektionsschutzgesetz will die Bundesregierung eine bundesweit einheitliche Corona-Regeln einführen. (Foto: © Inna Bigun/123RF.com)

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Infektionsschutzgesetz: Regierung plant Bundesnotbremse

Die Bundesregierung plant ein neues Infektionsschutzgesetz. Einheitliche Corona-Regeln sollen her und das Maßnahmendickicht mit den unterschiedlichen Regeln der eínzelnen Bundesländer lichten.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie will die Bundesregierung auf einheitlichere Regeln setzen. Dazu plant sie ein neues Infektionsschutzgesetz, das die unterschiedlichen Regelwerke auf Länderebene ersetzen soll. In Zukunft sollen bundesweit verbindliche Regeln gelten, wann es zu einem Lockdown kommen soll und wann es Lockerungen der Beschränkungen geben kann.

Eigentlich hatten Bund und Länder bereits beschlossen, ab einem gewissen Inzidenzwert die Notbremse zu ziehen und damit strengere Regeln für Wirtschaft und Bürger durchzusetzen. Jedoch: Nicht jedes Bundesland macht hier mit und einige gehen im Hinblick auf den Mix von Beschränkungen und Lockerungen eigene Wege, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Die dritte Welle rollt

Richtig erfolgreich war das bisher nicht. In Deutschland rollt die dritte Infektionswelle und die Zahlen steigen derzeit weiter. Nun soll die Bundesnotbremse her. Eine Reform des Infektionsschutzgesetzes soll dafür die Grundlage sein und die Länder verpflichten, bestimmte inzidenzbedingte Maßnahmen auch wirklich umzusetzen.

Sollte der Sieben-Tage-Inzidenzwert in Kreisen und kreisfreien Städten von über 100 an drei aufeinander folgenden Tagen überschritten werden, greift die Notbremse bundesweit mit strengeren Maßnahmen. Lockerungen darf es erst geben, wenn der Wert an drei Tagen hintereinander unter 100 bleibt.

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Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperre

Konkret geplant sind strenge Kontaktbeschränkungen und eine Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr. Geschäfte müssen schließen, wenn sie nicht Produkte des täglichen Bedarfs anbieten. Das gilt nicht für Augenoptiker, Hörgeräteakustiker und Friseure. Betriebe müssen ihren Mitarbeitern die Arbeit von Zuhause aus ermöglichen, wenn keine betriebsbedingten Gründe dagegensprechen.

Schulen und Kitas sollen erst ab einem Inzidenzwert von mehr als 200 geschlossen werden. Dann soll es nur noch eine Notbetreuung geben. Die bezahlten Kinderkrankentage pro Elternteil sollen von 20 auf 30 Tage erhöht werden. Außerdem ist eine Pflicht für Unternehmen vorgesehen, ihre Mitarbeiter regelmäßig zu testen. Sie sollen den Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten, mindestens einen Test, in Ausnahmefällen zwei Tests, pro Woche anbieten.

Bäckerhandwerk übt Kritik

Das Bäckerhandwerk reagierte zuerst auf die Pläne der Bundesregierung. Es hält das geplante Gesetz für "nicht zielführend" und fordert Nachbesserungen. Eine weitergehende Begrenzung der zulässigen Kundenzahl in den Verkaufsstellen ignoriere die mittelständische Struktur des Lebensmittelhandwerks. Eine mögliche Testpflicht sei blinder Aktionismus.

Daniel Schneider Foto: © ZV BäckerhandwerkDaniel Schneider Foto: © ZV Bäckerhandwerk

Eine strengere Begrenzung der Kundenzahl in Verkaufsräumen könne zu unnötigen Warteschlangen und damit zu Menschenansammlungen vor den Geschäften führen. Hinzu käme ein weiterer Umsatzverlust für die Betriebe. "Die Politik muss auf Eigenverantwortung der Betriebe setzen“, fordert Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks.

Testpflicht wird abgelehnt

Die Testpflicht lehnt der Verband ab: "Schon jetzt bieten die meisten Betriebe ihren Mitarbeitern Selbsttests an. Eine Pflicht ist daher gar nicht notwendig. Den Betrieben wird hier eine Aufgabe übertragen, die eigentlich dem Staat obliegt - wir protestieren entschieden dagegen, den Betrieben immer weitere Belastungen aufzuerlegen, ohne dass sie gleichzeitig adäquat entlastet werden", sagt Schneider.

Hans Peter Wollseifer Foto: © ZDH/SchueringHans Peter Wollseifer Foto: © ZDH/Schuering

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sieht das ähnlich: "Die jetzt beschlossene gesetzliche Verpflichtung für Arbeitgeber, ihren Beschäftigten Tests anzubieten, ist das falsche Signal und belastet unsere Handwerksbetriebe zusätzlich in einer für sie ohnehin schwierigen Lage." Sie sei ein unnötiger Versuch, die beim Staat liegende Verantwortung für die Pandemiebekämpfung auf die Wirtschaft zu verlagern.

"Einheitliche Regeln schaffen Klarheit"

Richtig sei es allerdings, dass der Bund das "Auslegungs- und Umsetzungswirrwarr der Länder" bei der Notbremse durch eine bundesweit einheitliche Regelung ersetzt. Das schaffe zumindest etwas mehr Klarheit und damit auch Planungssicherheit für die Betriebe, besonders wenn sie überregional tätig sind.

Weiter problematisch sieht Wollseifer die Inzidenzfixiertheit der Maßnahmen. Er befürchtet auch mit Blick auf allgemeinen und damit interpretationsanfälligen Regeln unterschiedliche Auslegungen des Gesetzes vor Ort und einen weiter bestehenden Flickenteppich, der die Betriebe verunsichern könne.

Autohäuser öffnen

Für kleine Ladengeschäfte mit Thekenverkauf in den Lebensmittelhandwerken fordert Wollseifer weiter Regeln ohne "starre Quadratmetervorgabe", solange der Mindestabstand zwischen Kunden gewährleistet werden kann. Dem Kfz-Handwerk mit seinen ausgefeilten Hygienekonzepten müsse endlich eine Öffnung seiner großflächigen Autohäuser erlaubt werden.

Das ist derzeit aber nicht geplant. Entsprechend enttäuscht ist das Kraftfahrzeuggewerbe. Die Pläne der Regierung seien eine "Irrfahrt durch die Inzidenzzonen", wettert der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK).

ZDK kritisiert fehlende Planbarkeit

Jürgen Karpinski Foto: © ProMotorJürgen Karpinski Foto: © ProMotor

Sobald der Inzidenz-Tacho die 100 überschreite, sei jetzt wieder eine Vollbremsung fällig. Und nur alle darüber hinausgehenden härteren Regelungen sollen fortbestehen, sagt ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. "Wie soll ein Unternehmer mit diesen Vorgaben vernünftig planen? Mögliches Öffnen und Schließen im Fünf-Tages-Rhythmus kann niemand mehr nachvollziehen. Im Zweifel bleiben die Kunden Zuhause, und das nun schon seit vier Monaten."

Laut Karpinski empfiehlt auch der ZDK den Autohäusern und Kfz-Werkstätten, die Mitarbeiter in den Betrieben regelmäßig testen zu lassen. Karpinski: "Dieses Engagement ist in den vergangenen Wochen kontinuierlich ausgeweitet worden. Wir setzen hier auf das freiwillige Engagement der Betriebe und lehnen eine Zwangsverpflichtung ab."

Minimales Risiko in Autohäusern

Wenn die Politik die Übernahme der Testkosten durch die Betriebe als Beitrag zur Pandemiebekämpfung deklariere, werde im Falle des Automobilhandels vergessen, welche wirtschaftlichen Belastungen die Betriebe wegen des monatelangen Verkaufsverbots schon zu tragen hätten.

"Auch unter Infektionsschutzgesichtspunkten halten wir die Aufnahme des Automobilhandels in die vom Öffnungsverbot ausgenommenen Ladengeschäfte für gerechtfertigt und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sogar für zwingend notwendig. Aufgrund der großen Ausstellungsflächen und der typischerweise sehr geringen Zahl gleichzeitig anwesender Kunden ist das Infektionsrisiko im Automobilhandel minimal“, betont Karpinski.

Text: / handwerksblatt.de