Rudolf Müller, Präsident der HWK Trier, fordert ein noch engeres Zusammenrücken der Handwerksorganisationen, um Betriebe besser für die Aus- und Weiterbildung zu briefen.

Rudolf Müller, Präsident der HWK Trier, fordert ein noch engeres Zusammenrücken der Handwerksorganisationen, um Betriebe besser für die Aus- und Weiterbildung zu briefen. (Foto: © Yousef Hakimi / Fotostudio Yaph)

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"Selbst aktiv werden statt treiben lassen."

Handwerkspolitik

Im Interview: Rudolf Müller, Präsident der Handwerkskammer Trier, über Aus- und Weiterbildung sowie die wirtschaftlichen Folgen im Corona-Jahr.

Mit dem Lockdown trifft Corona Wirtschaft und Gesellschaft hart. Welche Folgen das für die Betriebe im grenznahen Bereich hat und wie es um die Aus- und Weiterbildung im neugebauten Bildungszentrum steht, verrät Rudi Müller, Schreinermeister und Präsident der Handwerkskammer Trier. Sein Credo: Statt zu resignieren und auf Hilfe von außen zu hoffen, müssen die Handwerker die Chancen in ihren eigenen Betrieben noch besser nutzen!

DHB: Herr Müller, Ihr neues Bildungszentrum hat jetzt Fahrt aufgenommen, aber sollte es nicht schon früher losgehen?
Müller: Ursprünglich hatten wir die Eröffnung 2019 vorgesehen, aber die Fertigstellung hatte sich leider hingezogen. Ganz fertig sind wir noch immer nicht, es sind Arbeiten an der Außenanlage notwendig. Allerdings sind schon letztes Jahr erste Gewerke umgezogen, die anderen folgten peu à peu. Das war ein Kraftakt und daher danke an die Mitarbeiter!

DHB: Kann der Unterricht in Zeiten von Corona normal ablaufen?
Müller: Der Betrieb läuft rund! Wir haben im Bereich der ÜLU und der Meisterkurse viel Präsenzunterricht, selbstverständlich nach den entsprechenden Hygiene-Vorgaben. Mit Hochdruck setzen wir jetzt auch auf digitale Formate, vor allem in der Weiterbildung und der Betriebsberatung.

DHB: Wie fit ist das Bildungszentrum für den digitalen Unterricht?
Müller:Von Mitte März bis Mitte Mai mussten wir das Bildungszentrum schließen. Diese Zeit haben wir genutzt, um digitale Formate zu entwickeln. Wir hatten durch das neue Gebäude auch den Vorteil, dass die erforderliche Technik und Infrastruktur steht, mit Whiteboards, mit interaktiven Tafeln, mit neuer Software und entsprechender Datenbandbreite.

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DHB: Technik und Infrastruktur sind das eine, wie sieht es aber mit den Menschen aus, die sie nutzen (müssen)?
Müller: Die Digitalisierung ist natürlich eine Herausforderung. Zumal am Anfang der Aufwand extrem hoch ist. Was die Dozenten vorher "zu Fuß" erstellt haben, müssen sie in die digitale Welt übertragen. Das kann aber nur funktionieren, wenn sie dazu auch bereit sind. Um sie dabei zu unterstützen, ermitteln wir unter den Dozenten per Umfrage die konkreten Herausforderungen sowie deren Weiterbildungsbereitschaft.

DHB: Wie groß ist denn die Weiterbildungsbereitschaft Ihrer Einschätzung nach?
Müller: Unsere fest angestellten Meisterdozenten wollen die Digitalisierung nach vorne bringen. Die sind mit voller Begeisterung dabei, weil sie im Bildungszentrum mit neuester Technik arbeiten. Wir haben aber festgestellt, dass wir hier vor allem an der Kommunikation mit unseren externen Dozenten arbeiten müssen. Da herrscht nicht selten eine gewisse Angst vor der Digitalisierung. Denen müssen wir noch deutlicher die Vorteile der Digitalisierung vermitteln. Wenn alles einmal umgestellt ist, wird auch für die Dozenten vieles einfacher.

DHB: Hat sich die Pandemie auf die Teilnehmerzahlen ausgewirkt?
Müller: Bei den Meisterkursen sind wir zufrieden, viele Kurse sind sogar überbelegt, so dass manche Kandidaten jetzt schon für 2021 gebucht haben. Die guten Zahlen hängen zum einen mit den staatlichen Zuschüssen zusammen, zum anderen mit unserem Marketing. Von unseren rund 7.000 Betrieben stehen etwa 1.000 vor einer Übergabe – für Jungmeister eine Top-Gelegenheit! Es lohnt sich daher, sich schon jetzt für den Meisterkurs anzumelden. Durch die modulare Meisterausbildung schaffen wir es auch, die angehenden Jungmeister zeitlich flexibel zu qualifizieren.

DHB: Gab es einen Rückgang bei den Lehrlingszahlen?
Müller: Da hatten wir leider einen Einbruch, der letztendlich dann doch nicht so dramatisch war mit aktuell 6 Prozent weniger Lehrverträgen als 2019. Bei den einzelnen Gewerken sieht es völlig unterschiedlich aus: Im Bau- und Ausbaubereich boomt es. Bei manchen Berufen, darunter Friseure, Fotografen, Brauer, Messebauer oder Goldschmiede, sind die Zahlen eingebrochen. Derzeit sind mehr als 500 Lehrstellen unbesetzt. Aber, sehr positiv, die Zahl der Ausbildungsbetriebe hat sich trotz Corona um 35 erhöht.

DHB: Wie ist es denn um die Ausbildungsfähigkeit der Azubis bestellt?
Müller: Schon zu meiner Lehrlingszeit hieß es, dass die Auszubildenden immer schlechter werden. An den Haushalten und der Schulbildung können wir wenig ändern. An den Ausbildungsstandards wollen wir nicht rütteln. Also müssen wir als Betriebsinhaber nicht jammern, sondern uns die Frage stellen: Was können wir aktiv tun? Also müssen wir uns viel mehr auf die jetzige Generation, die Generation Z, einstellen. Hier können wir vor allem aus den Lehrabbrüchen lernen, wo betriebsseitig vielleicht ein Manko vorliegt – und so die Betriebe besser briefen. Durch das neue Bildungszentrum bieten wir entsprechende Weiterbildungen an, um so unsere Fachkräfte in den Betrieben zu stärken und sie noch besser für die Ausbildung zu qualifizieren.

DHB: Zur Ausbildung gehört ja auch, dass die Betriebe Verantwortung übernehmen.
Müller: Ganz genau. Sie müssen Verantwortung für die Mitarbeiter, für die Azubis übernehmen und sich dafür qualifizieren. Da muss man auch den Mut haben, laut zu sagen, dass die Betriebe etwas tun müssen. Da haben wir Luft nach oben – und deshalb müssen wir innerhalb der Handwerksorganisation, also Kammer, Innung, Kreishandwerkerschaft, noch enger zusammenrücken, um hier etwas zu tun.

DHB: Wie sieht denn die Lage der Betriebe im Corona-Jahr aus?
Müller: 84 Prozent der Betriebe sind mit der aktuellen Lage zufrieden, ausgenommen die schon gerade genannten Corona-geschädigten Gewerke. Der Auftragsbestand liegt im Schnitt bei zehn Wochen – und drei Viertel rechnen mit einer gleichbleibenden oder sogar besseren Auftragslage. Also insofern ist die Stimmung gut, wir sind zufrieden.

DHB: Wie hat sich das grenzüberschreitende Geschäft für die Betriebe entwickelt?
Müller: Jeder zehnte Euro im Kammerbezirk wird mit Luxemburger Kunden erwirtschaftet – und das ging im Lockdown auf null runter. Aber Auslandstätigkeiten haben wieder an Fahrt aufgenommen. Bleiben noch immer die bürokratischen Hürden, die für beide Seiten gelten, also auch Betriebe aus Luxemburg, die bei uns arbeiten wollen. Deshalb setzen wir uns mit dem Interregionalen Rat der Handwerkskammern der Großregion dafür ein, bürokratische Hürden abzubauen. Ein Beispiel sind die Anmeldungen der Arbeiten bei den Behörden. Wenn plötzlich die Heizung ausfällt, kann man nicht einfach loslegen. Das ist aber nicht spezifisch Luxemburg, sondern wird durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geregelt – und da bewegen wir uns auf EU-Ebene.

DHB: Wenn Sie drei Wünsche für 2021 für das Handwerk frei hätten …
Müller: … fände ich es schön, wenn wir den frischen Wind durch das neue Bildungszentrum nutzen würden, uns als Kammer weiterzuentwickeln und die Bereitschaft ausleben, etwas Neues zu wagen. Die Betriebe müssten auch deutlicher erkennen, dass sie selbst mehr Aus- und Weiterbildung für ihre Qualifizierung tun müssen, um ihren Fachkräftemangel zu entschärfen. Der dritte Wunsch ist ein noch engeres Zusammenrücken der Handwerksorganisationen, wobei uns die Digitalisierung auch hilft, eine noch bessere Kooperation hinzubekommen. Dass das funktioniert, haben die gemeinsamen Bemühungen rund um das Friseurhandwerk gezeigt, als es darum ging, die Betriebe nach dem Lockdown wieder zu öffnen.

Das Interview führte Stefan Buhren.

Text: / handwerksblatt.de

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