Lift, Widerruf, Urteil, recht BGH: Ein Lift, der ganz auf den Kundenwunsch zugeschnitten ist, wird nicht gekauft, sondern als Werk hergestellt, sagt der Bundesgerichtshof.

Ein Lift, der ganz auf den Kundenwunsch zugeschnitten ist, wird nicht gekauft, sondern als Werk hergestellt, sagt der Bundesgerichtshof. (Foto: © Dmitry Kalinovsky/123RF.com)

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Werkvertrag: Der widerrufene Lift

Bei Werkverträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, gilt das Widerrufsrecht für Verbraucher. Der Bundesgerichtshof hat jetzt das erste Mal darüber entschieden.

So mancher Handwerker ist schon verzweifelt am Widerrufsrecht für Verbraucher. Eingeführt wurde es 2014, jetzt hat der Bundesgerichtshof seine erste Entscheidung dazu gefällt. Und er sagt: Bei Werkverträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, gilt das Widerrufsrecht. In dem entschiedenen Fall hat ein Privatkunde einen solchen Vertrag zur Anfertigung eines Liftes wirksam widerrufen und seine Anzahlung zurückbekommen.

Vorweg gesagt: Dieses Urteil betrifft nur Verträge mit Verbrauchern, das heißt Privatkunden. Unter Geschäftsleuten findet das Verbraucher-Widerrufsrecht keine Anwendung.

Was ist passiert?

Ein Besitzer eines Wohnhauses schloss in seiner Wohnung mit einem Liftbauer einen Vertrag über den Einbau eines Senkrechtlifts. Er wurde nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, das Verbraucher in solchen Fällen haben. Die Firma übersandte die Planungsunterlagen, und der Kunde zahlte einen Vorschuss von 12.435 Euro. Da die Planung ihm nicht gefiel, verlangte der Hausherr Nachbesserung. Als er damit erfolglos blieb, widerrief er den Vertrag und verlangte Rückzahlung seines Vorschusses.

Was sagt der BGH?

Das höchste deutsche Zivilgericht gab dem Kunden recht (Az. VII ZR 243/17). Er habe einen Anspruch auf Rückzahlung, da er den Werkvertrag wirksam widerrufen habe. Das Widerrufsrecht stand dem Auftraggeber zu, weil der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen wurde. Da der Kunde auch nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden war, konnte er den Vertrag nach einem Jahr und 14 Tagen widerrufen.

Keine Ausnahme vom Widerrufsrecht

Das Widerrufsrecht war auch nicht ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall handelte es sich nach Ansicht des BGH um einen Werkvertrag, da der Schwerpunkt auf der Anfertigung und Montage des Lifts lag. Es handelte sich nicht um einen reinen Kaufvertrag. Wegen der Individualanfertigung wollte sich der Liftbauer auf den Ausschluss des Widerrufs berufen: Denn bei Kaufsachen, die auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind, schließt das Gesetz den Widerruf aus. Aber auf Werkverträge ist diese Ausnahme gar nicht anwendbar, sagt der BGH.

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Ein Widerruf ist auch bei erheblichen Umbaumaßnahmen ausgeschlossen. Um solche Umbaumaßnahmen handelt es sich grundsätzlich nur dann, wenn diese wie ein Neubau zu bewerten sind. Der Bau eines Senkrechtlifts erfüllt dieses Kriterium laut BGH jedoch nicht. Das Widerrufsrecht des Kunden ist damit nicht ausgeschlossen, und er hat wirksam davon Gebrauch gemacht. Der Liftbauer muss den Vorschuss zurückzahlen.

Fazit

Handwerker sollten bei allen Verträgen, die sie mit Verbrauchern außerhalb von Geschäftsräumen abschließen, eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vornehmen.

Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M., BerlinWiderrufsrecht beim Werkvertrag

Seit Juni 2014 gilt das neue Verbraucherschutzrecht. Danach haben Privatkunden unter anderem ein 14-tägiges Widerrufsrecht bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen wurden (AGV). Beispiel für einen AGV: Der Handwerker nimmt Aufmaß vor Ort und schließt anschließend beim Kunden direkt einen mündlichen ­Vertrag.

In solchen Situationen müssen Betriebe ­Verbraucher rechtzeitig und umfassend über ihr Widerrufsrecht belehren. Ab diesem Zeitpunkt kann der Kunde 14 Tage lang den Vertrag widerrufen, ohne Angaben von Gründen.

Achtung: Falls die Belehrung über das Widerrufsrecht fehlt, falsch oder unvollständig ist, verlängert sich das Recht auf 12  Monate und 14 Tage! Beginnt der Handwerker mit seiner Arbeit auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden bereits während der 14-tägigen Frist, sollte er auf keinen Fall die Belehrung vergessen. Denn dann muss der Kunde, wenn er den Vertrag widerruft, die bereits erbrachten Leistungen bezahlen. Ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung geht der Handwerker in solchen Fällen leer aus! 

Der Widerruf hat übrigens nichts mit der Abnahme der Werkleistung zu tun und ist hiervon unabhängig. Die Abnahme hat auf das Widerrufsrecht grundsätzlich keinen Einfluss. Das heißt, der Widerruf kann trotz Abnahme und Zahlung noch erklärt werden, wenn die Belehrung fehlte und der Kunde die Frist (12 Monate und 14 Tage) eingehalten hat.

Kein Widerruf bei Notfalleinsätzen

In Einzelfällen hat der Kunde kein Wider­rufsrecht, selbst wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wurde. Solche Ausnahmen sind zum Beispiel "Notfalleinsätze" wie dringende Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, zu denen der Verbraucher den Handwerker ausdrücklich angefordert hat. Das kann etwa ein Rohrbruch sein oder die Beseitigung von Sturm- oder Hagelschäden. Achtung: Die Ausnahmen gelten nicht automatisch. Vielmehr muss der Handwerker den Verbraucher darüber belehren, dass ihm hier kein Widerrufsrecht zusteht.

Fazit: Um Ärger mit Widerrufen zu vermeiden, sollten Handwerker Verträge nicht mehr vor Ort beim Privatkunden, auch nicht per Handschlag abschließen. Auch ein Vertrag per ­Telefon, Fax oder E-Mail ist riskant. Wer einen AGV abschließt und direkt mit der Arbeit beginnen will, sollten den Kunden ­neben der Widerrufsbelehrung auch einen Verzicht auf das Widerrufsrecht unter­schreiben lassen.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat Musterformulare für Handwerker erstellt, unter anderem eine Widerrufsbelehrung für Verbraucher. Alle Muster, Informationen sowie einen Ratgeber zum Thema Verbraucher-Widerrufsrecht finden Sie ­kostenlos zum Herunterladen auf zdh.de

Text: / handwerksblatt.de

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