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Durch Gesetzesänderungen gibt es mehr Möglichkeiten bei der Zwangsvollstreckung. Foto: © bartusp/123RF.com

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Außenstände: Schuldner werden immer dreister

Betriebsführung

Handwerker, die für Städte oder Gemeinden arbeiten, müssen immer noch lange auf ihr Geld warten. Bei Privatkunden ist die Zahlungsmoral zwar deutlich besser, doch bei Neukunden muss man vorsichtig sein.

"Oh je, meine Geldbörse habe ich jetzt leider nicht zu Hause, schicken Sie mir doch eine Rechnung zu." Mit diesen Worten speiste die Kundin eine Metzgerei, die ein großes Catering geliefert hatte, an der Haustür ab. Was die Handwerker nicht wussten: Die Masche hatte die Frau schon vier Mal gefahren. Immer waren die beauftragten Caterer aus dem Raum Leipzig auf ihrem Geld sitzen geblieben. "Die Zahlungsmoral wird zwar besser. Aber die Schuldner werden auch immer dreister und hinterhältiger", beobachtet Rechtsfachwirt Hartmann, Leiter der Mahn- und Inkassostelle der Handwerkskammer zu Leipzig.

Hartmann rät deshalb dazu, vor allem bei neuen Privatkunden vorsichtig zu sein, auf Vorkasse zu bestehen oder eine Bonitätsabfrage in die Wege zu leiten. Und das gelte nicht nur für Bau- und Ausbauhandwerker, sondern auch für Bäcker, Metzger oder Augenoptiker. Hätte der Caterer eine solche Bonitätsabfrage gemacht, hätte er erfahren, dass die Kundin bereits komplett überschuldet war.

Fadenscheinige Ausreden ad absurdum geführt

Ist das Kind in den Brunnen gefallen, sprich wird die Rechnung nicht bezahlt, haben Hartmann und Kollegen bei den Mahn- und Inkassostellen der Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaften durch die geänderte Gesetzeslage bei der Zwangsvollstreckung deutlich bessere Möglichkeiten. "Meine Erfolgsquote liegt aktuell bei 80 Prozent, früher waren es 50 Prozent", so der Experte. Fadenscheinige Ausreden, warum man denn nicht zahlen könne, würden durch die Möglichkeit des Einholens von Drittauskünften, etwa beim Bundeszentralamt für Steuern, der Rentenversicherung oder dem Kraftfahrt-Bundesamt, ad absurdum geführt. "Der Schuldner ist nahezu gläsern geworden." Auch die Einführung des Pfändungsschutzkontos, des P-Kontos, sei ein Erfolg gewesen. "Jetzt müsste der Gesetzgeber nur noch die Gerichtsvollzieher bevollmächtigen, auch Einblick in die Grundbücher nehmen zu können", sagt Hartmann.

Kaum Zahlungsausfälle bei Betrieben

Insgesamt gibt es zurzeit vergleichweise wenig Grund zum Klagen. Höchtens 30 Tage müssen Deutschlands Unternehmen im Schnitt warten, bis das Geld für eine Leistung auf dem Firmenkonto ist. "Längere Außenstände haben einen Seltenheitswert", so eine Umfrage der Wirtschaftsauskunftei Creditreform von Herbst 2017. Überschaubar blieben in letzter Zeit auch die Forderungsausfälle. Knapp ein Drittel der Betriebe hatte in den letzten Monaten gar keine Ausfälle. Ähnlich sind die Zahlen einer Umfrage des Bundesverbandes der Inkasso-Unternehmen (BDIU) von Ende 2017. "Die Zahlungsmoral-Ampel steht weiter auf grün", heißt es da.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen liegt ebenfalls auf dem niedrigsten Stand seit 1994. Kirsten Pedd, Präsidentin des Inkassoverbandes, warnt trotzdem vor Sorglosigkeit. "Liquiditätsengpässe durch Zahlungsverzögerungen oder gar vollständige Forderungsverluste stellen Unternehmen nach wie vor auf die Probe." Vor allem konsumintensive Branchen wie der Online-Handel seien betroffen.

Das Handwerk steht hier an zweiter Stelle der "Problem-Branchen". Trotz bester Konjunktur und positiver Zahlungsmoral in der Wirtschaft würden viele Handwerker unter stockender Versorgung mit Liquidität leiden. 44 Prozent der befragten Inkassounternehmen sagten, dass das Handwerk Schwierigkeiten habe, das Geld der Kunden pünktlich zu bekommen. Hier seien es aber nicht die Privatkunden, die Zahlungen verschleppen, sondern vor allem öffentliche Auftraggeber.

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Immer noch Zahlungsprobleme bei öffentlichen Auftraggebern

Dass Städte und Gemeinden oft nur nachlässig zahlen, ist seit Jahren ein leidiges Thema für die Bau- und Ausbaubranche. Mängelrügen oder das Herauszögern fälliger Zahlungen sind eher die Regel als die Ausnahme, wenn man es mit der öffentlichen Hand als Auftraggeber zu tun hat, heißt es beim BDIU. Schon vor einem Jahr sagte Kirsten Pedd: "Die Steuereinnahmen sprudeln, und dennoch müssen Handwerker und Baufirmen, die Aufträge etwa für Städte und Gemeinden ausführen, um jeden Cent ihrer Rechnungen bangen. Das ist paradox. Die öffentliche Hand ist ein wichtiger Auftraggeber, und sie hat eine Vorbildfunktion. Diese sollte sie auch beim Zahlungsverhalten ausüben." An der Situation hat sich bis heute nichts geändert.

Der Leiter der Mahn- und Inkassostelle der Handwerkskammer Leipzig sieht das pragmatisch: "Von den 3.000 Stammhandwerkern, die ich betreue, arbeiten vielleicht noch fünf Prozent mit der öffentlichen Hand zusammen. Die Lose sind zu groß, die Preise werden viel zu gering diktiert. Das machen die Betriebe nicht mehr mit. Sie bewerben sich gar nicht mehr auf Ausschreibungen, das müssen sie in der aktuellen Auftragssituation auch nicht."

Text: Kirsten Freund
Foto: © bartusp/123RF.com

Ausfällen vorbeugen: 

Bevor man einen Auftrag annimmt und mit der Arbeit beginnt, sollte man einige typische Risikofaktoren abklären:

  • schriftlichen Auftrag verlangen,ausführliches Angebot, Auftragsbestätigung,
  • Rechnung: nur schriftlich erteilen, auf einheitliche Bezeichnung des Auftraggebers im Schriftverkehr achten (Vor- und Zuname, Firma, Anschrift),
  • Vertretungsberechtigung des Verhandlungspartners für den Auftraggeber prüfen,eventuell Eintragung im Handelsregister prüfen,
  • nach Möglichkeit Vorkasse (für Materialkäufe oder ähnliches) und Abschlagszahlungen vertraglich vereinbaren,
  • Nachtragsangebote nur schriftlich unter Angabe von voraussichtlichem Umfang und Kosten und nur gegenüber der berechtigten Person abgeben,
  • vor Ausführungsbeginn schriftliche Bestätigung des Nachtrags durch den Auftraggeber abwarten.

Quelle: HWK zu Leipzig


Erst prüfen, dann arbeiten:

Bei Neukunden oder auch bei Großaufträgen kann eine Bonitätsauskunft über den Auftraggeber eine gewisse Sicherheit geben. "Derartige Auskünfte gibt es unter Umständen kostenfrei über die eigene Bank des Handwerkers, die eine Auskunft bei der Bank des Kunden einholt", heißt es bei der Handwerkskammer zu Leipzig. Auch bei den Betriebs- und Rechtsberatern der Handwerkskammern kann man kostenfrei nachfragen. Oft kennen sie ihre "Pappenheimer" im Kammerbezirk. Gegen Gebühr kann eine solche Auskunft auch über Wirtschaftsauskunfteien eingeholt werden (siehe auch diesen Artikel). "Es empfiehlt sich jedoch, zunächst die Höhe der Kosten für die Auskunft abzuklären", rät die Handwerkskammer.

 

Text: / handwerksblatt.de