Wenn sich ein Bauprojekt über den Jahreswechsel 2021 verzögert hat, fällt wieder der höhere Mehrwertsteuersatz an. Streit kann es darüber geben, wer die Differenz zahlen muss.

Wenn sich ein Bauprojekt über den Jahreswechsel 2021 verzögert hat, fällt wieder der höhere Mehrwertsteuersatz an. Streit kann es darüber geben, wer die Differenz zahlen muss. (Foto: © ginasanders/123RF.com)

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Wer zahlt die erhöhte Mehrwertsteuer bei Verzögerungen am Bau?

Seit dem 1. Januar 2021 gilt wieder der erhöhte Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Für Bauprojekte stellt sich die Frage: Wer muss diese Zusatzkosten zahlen, weil sich die Arbeit über den Jahreswechsel verzögert hat?

Ob am Berliner Flughafen, der Hamburger Elbphilharmonie oder der Kölner Oper: Handwerksbetriebe wissen nur zu gut, wie sich die Arbeit am Bau hinziehen kann. In der Praxis führt dies immer wieder zu Auseinandersetzungen, egal von welcher Seite sie verursacht wurden. Der Ärger kann sich jetzt noch dadurch verschärfen, dass seit dem 1. Januar 2021 wieder der erhöhte Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gilt (siehe Infokasten unten).

Dann stellt sich die Frage: Wer muss diese zusätzlichen Kosten zahlen, weil sich das Projekt über den Jahreswechsel verzögert hat?

Datum der Abnahme ist entscheidend

Als Grundregel kann man sich merken, dass der abgesenkte Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent für all diejenigen Bauvorhaben greift, bei denen die Abnahme noch im Jahr 2020 durchgeführt wurde. Das gilt auch dann, wenn die Rechnung für die abgenommene Leistung erst im Jahr 2021 geschrieben wird. Diese muss dann 16 Prozent ausweisen.

Erfolgte die Abnahme erst nach dem 31. Dezember 2020, so muss der Handwerksbetrieb den erhöhten Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erheben. Achtung: Wurde die Abnahme bereits vor dem 1. Juli 2020 erklärt, sind auch für diese Bauvorhaben die 19 Prozent Mehrwertsteuer auszuweisen! Die Abnahme der Bauleistung ist also auch für die Anwendung des richtigen Steuersatzes grundsätzlich der Dreh- und Angelpunkt.

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Wer hat die Verspätung verschuldet?

Was gilt aber für Bauvorhaben, bei denen es wegen von Bauzeitverzögerungen – anders als geplant – nicht zu einer Abnahme in 2020 kam? Auch hier gilt der Grundsatz: Erfolgt die Abnahme erst nach dem 31. Dezember 2020, müssen Betriebe den erhöhten Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent berechnen. Wer aber muss die erhöhte Mehrwertsteuer bei Bauzeitverzögerungen tatsächlich zahlen: Auftraggeber oder Auftragnehmer?

In diesen Fällen gelten auch die Grundregeln zum Verzug. Das heißt, dass Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch gegen den Auftragnehmer haben können, sofern die Verzögerung auf dessen Schuld zurückzuführen ist. Als Schaden kommt hier dann unter anderem die Differenz der Mehrwertsteuersätze in Betracht. Entscheidend ist also, wer die Bauzeitverzögerung zu vertreten hat. Ist die Verzögerung auf die Wünsche des Kunden zurückzuführen und kann daher die Abnahme erst 2021 erfolgen, hat der Kunde grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch gegen den Betrieb, da diesem kein Verschulden zur Last fällt.

Bei Mitverschulden anteilig kürzen

Hat demgegenüber der Handwerksbetrieb die Verspätung verschuldet, indem er etwa nicht genügend Mitarbeiter eingesetzt oder zu wenig Material geordert hat, kann der Kunde unter Umständen die Differenz zur erhöhten Mehrwertsteuer als Schaden geltend machen. Achtung: Der Kunde kann nicht die gesamte Mehrwertsteuer ersetzt verlangen, da 16 Prozent in jedem Fall zu zahlen sind!

Tragen Kunde und Betrieb beide eine Mitschuld an der Verzögerung, ist der Schaden um den jeweiligen Mitverschuldensanteil zu kürzen, beispielsweise 50/50 oder 70/30, je nachdem.

Übrigens: Handwerksbetriebe sollten beachten, dass die Mehrwertsteuer nicht der einzige Schadensposten des Auftraggebers sein kann. Denn bei Bauzeitverzögerungen können unter Umständen noch weitere Kosten anfallen, wie etwa eine Ersatzvornahme, Vorhaltekosten oder ähnliches.

Betrieb sollte eine Behinderungsanzeige stellen

Was können Handwerksbetriebe bei Verzögerungen auf dem Bau generell tun? Ein Betrieb, dessen Arbeit behindert wird, sollte stets eine Behinderungsanzeige einschließlich der damit verbundenen Bauzeitverzögerung an den Auftraggeber schicken (Details dazu im Infokasten unten). Die Anzeige sollte immer nachweislich, etwa per Einwurf-Einschreiben, an den Auftraggeber geschickt werden. So kann man im Streitfall beweisen, dass und wann die Behinderung angezeigt wurde. Der richtige Adressat ist im Regelfall der Auftraggeber, Betriebe sollten diese Anzeige nicht nur an die Architekten oder die Bauleitung schicken.

Übrigens: Wer eine Bauzeitverzögerung in 2020 nicht per Behinderungsanzeige mitgeteilt hat, muss nicht zugleich auch die Verzögerung verschuldet haben. Hier kommt es auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls an, die im Streitfall nur immer auch bewiesen werden müssen.

Fazit

Kam es in 2020 wegen einer Bauzeitverzögerung nicht mehr zur Bau-Abnahme, können Auftraggeber Schadensersatz fordern – unter anderem die Differenz zum erhöhten Mehrwertsteuersatz. Das setzt jedoch voraus, dass der Handwerksbetrieb die Verzögerung verschuldet hat. Muss der Auftraggeber demgegenüber die Verzögerung vertreten und hat der Betrieb dies im besten Fall auch mittels Behinderungsanzeige dokumentiert, scheidet ein Schadensersatzanspruch des Auftraggebers regelmäßig aus.

Zeitweilige Mehrwertsteuersenkung in 2020 Durch die Corona-Pandemie wurde von Juli bis Dezember 2020 der Mehrwertsteuersatz befristet gesenkt: Aus 19 Prozent wurden 16 und aus 7 wurden 5 Prozent. Zum Jahresbeginn 2021 ist die Absenkung aber abgelaufen und es gilt seitdem wieder der Mehrwertsteuersatz von 19 bzw. von 7 Prozent.

Die Behinderungsanzeige Eine Behinderungsanzeige sollte, neben dem richtigen Adressaten, mindestens immer auch folgende Punkte enthalten:

- (Schrift-) Form: Die einzuhaltende Form bestimmt sich grundsätzlich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Fehlt eine solche Vereinbarung, sollte im Zweifel die Schriftform gewählt werden. Die Behinderungsanzeige sollte per Einwurf-Einschreiben verschickt werden und nicht als normales Einschreiben.

- Inhalt: Die Behinderungsanzeige sollte folgende Fragen beantworten:
1. Welche konkrete Behinderung liegt aus Sicht des Auftragnehmers vor?
2. Welche konkreten Leistungen können aufgrund der Behinderung nicht/ nicht rechtzeitig erbracht werden?
3. Können die Leistungen aufgrund der Behinderung in Gänze oder nur teilweise nicht erbracht werden?
4. Welche Konsequenzen folgen hieraus hinsichtlich des Baufortschritts?

- Zeitpunkt: Die Behinderungsanzeige sollte unverzüglich (Juristen sagen: "ohne schuldhaftes Zögern") also so schnell wie möglich nach Kenntnis der Umstände erfolgen.

- Ende der Behinderung: Sofern die Behinderung weggefallen ist und die Arbeit fortgesetzt werden kann, sollten Betriebe die Wiederaufnahme der Arbeiten ebenfalls schriftlich mitteilen. Denn dann kann im Streitfall, etwa um Schadensersatz, der genaue Zeitraum der Verzögerung ermittelt und nachgewiesen werden.

Die Autorin Anna Rehfeldt, LL.M., ist Rechtsanwältin und Datenschutzbeauftragte

Text: / handwerksblatt.de

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