Auch Menschen mit einer Schwerbehinderung genießen eigentlich erst nach der Probezeit einen Kündigungsschutz. Der EuGH hat nun den Schutz in der Probezeit erweitert.

Auch Menschen mit einer Schwerbehinderung genießen eigentlich erst nach der Probezeit einen Kündigungsschutz. Der EuGH hat nun den Schutz in der Probezeit erweitert. (Foto: © auremar/123RF.com)

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EuGH: Kündigung von Behinderten in der Probezeit ist unwirksam

Behinderte dürfen in der Probezeit nur unter besonderen Umständen gekündigt werden. Der Europäische Gerichtshof hat den Rauswurf als Diskriminierung gewertet. Arbeitgeber müssten erst nach einer anderen, geeigneten Stelle im Unternehmen suchen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers, der wegen einer neu entstandenen Behinderung nicht mehr für die bisherige Stelle geeignet war, auch dann unwirksam ist, wenn dessen Probezeit noch läuft. Die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie  sei auch während der Probezeit anwendbar. Arbeitgeber müssten Betroffenen eine andere, geeignete Stelle im Unternehmen anbieten, sie dürften dabei aber nicht unverhältnismäßig belastet werden.

Der Fall

Geklagt hatte ein Mann, der bei der belgischen Bahn angestellt war. Der Facharbeiter war für die Wartung und Instandhaltung der Schienenwege zuständig und noch in der Probezeit, als er einen Herzschrittmacher erhielt. Weil das Gerät sensibel auf die elektromagnetischen Felder in Gleisanlagen reagieren kann, konnte der Mann danach nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion beschäftigt werden, außerdem wurde ihm deshalb eine Schwerbehinderung attestiert. Die belgische Bahn entließ den Mann noch in der Probezeit.

Grundsätzlich beginnt jedes Arbeitsverhältnis mit einer Probezeit, welche Arbeitnehmer zuerst erfolgreich ableisten müssen, bevor längere Kündigungsfristen und Kündigungsschutz greifen. Dies gilt auch bei einer Schwerbehinderung, die erst nach der Probezeit einen besonderen Kündigungsschutz unterliegt.

Der Entlassene wehrte sich vor einem belgischen Arbeitsgericht mit der Begründung, er sei wegen seiner Behinderung diskriminiert worden. Seine Kündigung verstoße gegen die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie (Richtlinie 2000/78/EG). Artikel 5 der Richtlinie verlange, dass der Arbeitgeber "angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen" treffen muss. Das belgische Gericht legte die Frage dem Europäische Gerichtshof (EuGH) vor.

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Das Urteil

Der EuGH entschied, dass die Kündigung von Arbeitnehmern mit Schwerbehinderung auch in der Probezeit nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.

Der Begriff in Artikel 5 der Richtlinie "angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung" bedeute, dass ein Arbeitnehmer, der wegen seiner Behinderung für den bisherigen Arbeitsplatz ungeeignet wurde, auf einer anderen freien Stelle einzusetzen sei, für die er die notwendige Kompetenz, Fähigkeit und Verfügbarkeit aufweist. Das gelte auch dann, wenn die Probezeit noch liefe.

Arbeitgeber darf nicht unverhältnismäßig belastet werden

Diese Maßnahmen müsse der Arbeitgeber allerdings nur ergreifen, wenn er dadurch nicht unverhältnismäßig belastet werde, so der EuGH. Maßgebliche Kriterien seien hierbei der finanzielle Aufwand sowie die Größe, die finanziellen Ressourcen und der Gesamtumsatz des Unternehmens und die Verfügbarkeit von öffentlichen Mitteln oder anderen Unterstützungsmöglichkeiten. Außderm müsse es in dem Betrieb zumindest eine freie Stelle geben, die der Betroffene einnehmen könne.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10. Februar 2022, Az. C-485/20 HR Rail 

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Text: / handwerksblatt.de

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