Die neue Bundesregierung steht zwar noch nicht fest, doch die alte hat ihr auf den letzten Metern noch ­ihren rentenpolitischen Stempel ­aufgedrückt.

Die neue Bundesregierung steht zwar noch nicht fest, doch die alte hat ihr auf den letzten Metern noch ­ihren rentenpolitischen Stempel ­aufgedrückt. (Foto: © gajus/123RF.com)

Vorlesen:

BaV: Das bringt die neue Nahles-Rente

Betriebsführung

Ab 2018 ­entsteht mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eine völlig neue Welt für die betriebliche Altersvorsorge – auch im Handwerk.

Baugeld ist billig. Die Mieten steigen trotzdem. Ein ausgesprochen komfortables Umfeld für das Handwerk – wäre da nicht der lähmende Fachkräftemangel. Immer mehr Gewerke klagen inzwischen über Nachwuchsprobleme. Um Fachkräfte zu finden und langfristig an sich zu binden, müssen die Jobs in erster Linie attraktiver gemacht werden. Das fängt bei Aufstiegschancen an und hört bei mehr Lohn und Gehalt nicht auf.

Ein klassisches Anreizinstrument von Arbeitgebern ist die Zusage einer Betriebsrente – lange Zeit dem Top-Management vorbehalten. Das soll sich Neuer ZDH-Flyer zur Betriebsrentenreformjetzt ändern. Die Anreize, die für  "oben" funktionieren, sollen nun auch "unten" greifen. Und jüngere Bewerber wissen nur zu gut, dass sie mehr fürs Alter zurücklegen müssen. Es ist vielmehr die Frage, wovon? Genau an diesem wunden Punkt setzt das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) an.

Arbeitgeber aus Haftung nehmen

Vater Staat will Geringverdiener mit einem bunten Strauß an Fördermaßnahmen ködern. Rund zwölf bis 13 Millionen Menschen verfügen noch über keine betriebliche Altersversorgung (bAV). Besonders selten ist sie in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) verbreitet. Die Unternehmer meiden bAV-Zusagen wegen unüberschaubarer Haftungsfallen. Dieses Hemmnis will das BRSG nun ebenfalls abbauen.

Die neue "Nahles-Rente", wie sie nach ihrer Schöpferin, Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) auch genannt wird, soll die Arbeitgeber komplett aus der Haftung nehmen. Im Gegenzug sollen sie zusätzliche Beiträge zahlen. Enthaftung plus staatliche Förderung – aus dieser Zauberformel besteht die neue bAV-Welt. Das hat es bisher in Deutschland nicht gegeben. Nun sind die Risiken natürlich nicht weg, bloß weil die Arbeitgeber nicht mehr dafür haften. Sie befinden sich woanders: Das Risiko, ob und wie viel am Ende an Betriebsrente rausspringen wird, geht vom Arbeitgeber auf den Mitarbeiter über.

Damit hier die Gewerkschaften mitspielen, hat man sie ins Boot geholt. Sie sollen in den Tarifverträgen zusammen mit den Arbeitgebervertretern die neuen Rentenbedingungen aushandeln, steuern und kontrollieren. Beispielsweise können sie Vorgaben für die Geldanlage machen. Außerdem hat die Finanzaufsicht ein Auge drauf. Als Durchführungswege sind nur Direktversicherung, Pensionskasse oder -fonds erlaubt.

Der Löwenanteil der neuen bAV-Verträge wird heute von den Beschäftigten im Wege der Entgeltumwandlung selbst finanziert, das heißt ein Teil ihres Bruttoentgelts wird in Beiträge für eine spätere Rente umgewandelt. Der Clou dabei: Beiträge bis zu 3.120/2.784 Euro jährlich bleiben steuer- und sozialabgabenfrei. Das sind vier Prozent der für 2018 in West-/Ostdeutschland vorgesehenen Beitragsbemessungsgrenze der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Das BRSG verdoppelt den Freibetrag auf acht Prozent (6.240/5.568 Euro), allerdings beschränkt sich die Sozialabgabefreiheit weiterhin auf die alte Vier-Prozent-Obergrenze. Auch der Arbeitgeber sparte dabei bisher Sozialversicherungsabgaben. Das galt bislang unausgesprochen als Kompensation für seinen Verwaltungsaufwand.

Der Arbeitgeber schießt 15 Prozent im Jahr zu

Das BRSG verlangt jetzt aber, dass der Arbeitgeber 15 Prozent des Betrages, den der Mitarbeiter aus eigener Tasche für seine spätere Betriebsrente vom Gehalt abzweigt, pro Jahr zuschießt – soweit er durch die Umwandlung ­Sozialversicherungsbeiträge spart. Was das Wörtchen "soweit" heißt, werden die Ministerien noch gesondert klarstellen. Der Angestellte zwackt dann monatlich beispielsweise 100 Euro vom Bruttolohn für eine Direktversicherung ab, im Jahr 1.200 Euro. Sein Chef muss ihm dann pro Jahr 180 Euro drauflegen. Das haben die Gewerkschaften für ihre Klientel durchgesetzt.

Kaum war die Tinte unter dem neuen Gesetz getrocknet, riet die Zeitschrift Finanztest auf Seite 25 der Juli-Ausgabe von 2017 Arbeitnehmern, darauf zu pochen, dass der Chef ordentlich Geld dazu tut. Und wenn nicht: "warten Sie noch. Spätestens 2019 muss er es tun."

Denn im ersten Schritt müssen alle Arbeitgeber, die in ihrer Branche künftig an einen Betriebsrenten-Tarifvertrag nach dem BRSG gebunden werden, bei neuen Entgeltumwandlungen mindestens diese 15 Prozent auf den Beitrag drauflegen. Ab 2019 gilt das dann auch für alle nicht-tariflich gebundenen Arbeitgeber für Neuverträge. Ab 2022 muss die pauschale Sozialversicherungsersparnis auch an alle vor 2019 abgeschlossenen und noch laufenden Entgeltverträge ausgekehrt werden.

Auch die Kehrseite bedenken

Die Beschäftigten müssen allerdings auch die Kehrseite bedenken. In der Ansparphase führen sie nicht auf das volle Brutto­entgelt Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ab. Die gesetzliche Rente fällt später entsprechend kleiner aus. Obendrein müssen diese Betriebsrenten später voll versteuert und noch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt werden. Nur für Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner mit weniger als 148,75 Euro Betriebsrente fällt kein Kranken­kassenbeitrag an. 

Das könnte Sie auch interessieren:

Was also tun? "Der größte Fehler bei der Altersvorsorge, den man machen kann, ist nicht vorzusorgen", bringt es der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) auf den Punkt. Im Handwerk bietet jeder zweite Betrieb eine bAV an. Etwa jeder vierte Mitarbeiter nimmt sie in Anspruch. "Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz dürfte im Handwerk die Durchdringung mit betrieblicher Altersvorsorge weiter zunehmen", vermutet ein ZDH-Sprecher.

Ansprechpartner für tarifgebundene Handwerksbetriebe sind ihre Innungen/Fachverbände. Die Begeisterung für die neuen Zielrenten hält sich jedoch offenbar noch in Grenzen oder gut verborgen, denn dem ZDH sind "aktuell keine tarifvertraglichen Verhandlungen im Handwerk zur Zielrente bekannt". 

Checkliste: die neue Betriebsrente im Überblick

  • Das Betriebsrentenstärkungsgesetz legt die neue Nahles-Rente in die Obhut der Tarifpartner, im Handwerk also die Fach­verbände und die jeweiligen ­Gewerkschaften. Sie haben große Gestaltungsfreiräume. ­Beispielsweise dürfen sie ausdrücklich auch "Opting-Out-Systeme" vorschreiben. Dann könnte das ausgehandelte Rentenmodell automatisch für die gesamte Belegschaft gelten. Wer nicht mitmachen will, muss widersprechen. Nicht-Tarifgebundenen "soll" der Zugang zu den durchführenden ­Versorgungseinrichtungen nicht verwehrt werden (Öffnungsklausel).  

  • Als Paradigmenwechsel bezeichnet die Fachwelt die Enthaftung der Arbeitgeber. Sie müssen nicht mehr für eine Mindest­rentenhöhe geradestehen. Es genügt ­künftig, einen Beitrag an eine durchführende Einrichtung (Direktversicherung, Pensionskasse oder -fonds) zu zahlen – ohne jegliche Garantie. Pay and forget wird das genannt, zu Deutsch reine Beitragszusage oder auch Zielrente. Theoretisch kann am Ende ­beim Arbeitnehmer weniger rauskommen als eingezahlt wurde. Grundgedanke: Höheres Risiko birgt höhere Chancen.  

  • Die Gewerkschaften haben zum Ausgleich der Enthaftung zusätzliche Sicherungs­beiträge der Arbeitgeber ausgehandelt; im BRSG steht allerdings nur eine "Soll"-­Formulierung. Die Sicherungsbeiträge sind aber steuer- und abgabenfrei.  

  • Für Geringverdiener mit einem Jahresentgelt von maximal 26.400 Euro im ersten Dienstverhältnis legt der Staat auf die zusätzlichen Arbeitgeberbeiträge (in Höhe von mindestens 240 und höchstens 480 Euro jährlich) 30 Prozent Förderung obendrauf, das heißt 72 bis 144 Euro pro Jahr. Die Förderung wird einfach bei der nächsten Lohnsteuer­abführung verrechnet.  

  • Bei Entgeltumwandlung wird der Arbeit­geber verpflichtet, einen Teil seiner Sozial­versicherungsersparnis (15 Prozent des umgewandelten Entgelts) als Zuschuss zur bAV an die Versorgungseinrichtung zu überweisen. Obendrein wird sowohl für die neue Nahles-Rente als auch die bAV-Riester-Rente ein Freibetrag in der Grundsicherung geschaffen und zwar bis zur Höhe des halben Sozialhilfesatzes in der Regelbedarfsstufe 1 (aktuell 202 Euro). Damit soll bAV sich besonders für Geringverdiener lohnen. 

  • Übrigens kommt die Nahles-Förderung ­on top, das heißt die neue Förderung wird nicht auf die bisherigen Förder­regelungen nach § 3 Nr. 63 EStG sowie für Riester angerechnet. Im Gegenteil: Die ­Riester-Grundzulage wird von 154 auf 175 Euro jährlich angehoben. Und bei bAV-­Riester-Renten entfällt später die Doppel­verbeitragung der Sozialversicherung.  

  • Erhöhung der steuerfreien Dotierungsgrenze auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (2018: rund 6.000 Euro monatlich) statt der aktuellen Vier-Prozent-Grenze plus 1.800 Euro für Neuzusagen. Beibehaltung der 20-prozentigen Pauschalbesteuerungsmöglichkeit für Bestandsfälle und Anrechnung der tatsächlich pauschalbesteuerten Beiträge im Kalenderjahr auf den Acht-Prozent-Rahmen. Gleichzeitig wird der neue Dotierungsrahmen für Abfindungen und gebrochene Erwerbsbiografien flexibilisiert, durch Einräumung einer zusätzlichen steuer­freien Dotierungsmöglichkeit in Höhe von bis zum Zehnfachen des Jahresvolumens und einer Nachholmöglichkeit von bis zu zehn Jahren rückwirkend ab 2018. 


Eingeschränkte Wahlfreiheit

Nahles-Renten dürfen nur die folgenden Einrichtungen durchführen:

Direktversicherung Bei diesem Durchführungsweg handelt es sich um eine Lebensversicherung, die über den Betrieb bei herkömmlichen Versicherungsunter-nehmen abgeschlossen wird. Meist hat der Arbeitgeber hierfür mit einem Lebensversicherungsunternehmen einen Gruppenvertrag abgeschlossen, der praktisch eine Art Mengenrabatt gewährt. Der Arbeitgeber ist der Kunde (Versicherungsnehmer) und der Arbeitnehmer der Begünstigte.

Pensionskasse Im Unterschied zur Direktversicherung handelt es sich bei der Pensionskasse nicht bloß um einen Versicherungsvertrag, sondern ein ausschließlich auf die betriebliche Altersversorgung spezialisiertes Lebensversicherungsunternehmen. Großunternehmen besitzen oft eigene Pensionskassen, die nur deren Mitarbeitern offenstehen. Es gibt aber auch überbetriebliche Branchen-Pensionskassen.

Pensionsfonds 
Der Fonds ist wie die Pensions­kasse ein eigenständiger Anbieter, häufig von Arbeitgebern zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung ihrer Mitarbeiter gegründet. Im Unterschied zur Pensionskasse darf der Fonds das Vorsorgever­mögen freier anlegen als die strengen aufsichtsrechtlichen Regeln unterliegende Pensionskasse. Ins­besondere investieren Pensionsfonds stärker in Aktien. 

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: