Unternehmensinsolvenzen

Die Fluggesellschaft Germania hebt nicht mehr ab: Eine von vielen prominenten und traurigen Insolvenzanträgen aus dem ersten Halbjahr 2019. (Foto: © Björn Wylezich/123RF.com)

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Zahl der Firmenpleiten stagniert – noch

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland ist stabil, meldet Creditreform. Die Konsumlust der Verbraucher und die rege Bautägigkeit stützen die Konjunktur. Starken Gegenwind hat das verarbeitende Gewerbe.

Die Konjunktur in Deutschland ist zurzeit gespalten. Während das verarbeitende Gewerbe, das oft exportorientiert ist, starken Gegenwind verspürt, floriert der Binnenmarkt. Und das seit Jahren. Davon profitiert unter anderem das Handwerk, das zurzeit einen Umsatzrekord nach dem anderen melden kann. 

"Die rückläufige Umsatzentwicklung in der Industrie auch als Folge von Handelskonflikten und des Brexits ist eine ernste Angelegenheit, das zieht Spuren", das betonte Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer der Creditreform vor der Presse im Düsseldorfer Industrieclub.  

Günstige Rahmenbedingungen

Foto: © CreditreformCreditreform hat die nach eigenen Angaben "größte Datenbank mit Wirtschaftsinformationen zu deutschen Unternehmen". Demnach hat sich in der zweiten Jahreshälfte 2018 das konjunkturelle Klima zwar eingetrübt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen blieben für die allermeisten Unternehmen aber noch günstig. Das hat Einfluss auf die Insolvenzzahlen 

  • Die Gesamtzahl aller registrierten Insolvenzfälle verringerte sich um 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 54.300 Fälle.
  • Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen nahm um 2,6 Prozent ab. In ersten sechs Monaten mussten 33.400 private Verbraucher Insolvenz anmelden mussten.
  • Bei den Unternehmen gab es einen haudünnen Rückgang um 0,4 Prozent auf 9.900 Fälle. 


Seit zehn Jahren nehmen die Unternehmensinsolvenzen kontinuierlich ab. Da der Rückgang im ersten Halbjahr 2019  aber nur noch hauchdünn bei 0,4 lag, spricht man bei Creditreform lieber von einer "Stagnation". Möglicherweise finde der rückläufige Trend wegen der Schwäche der Industrie und des Außenhandels sogar sein Ende, berichtet Ulbricht. 

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Erhebliche Schäden für Gläubiger  

Die Schäden für die Gläubiger summierten sich im ersten Halbjahr 2019 auf etwa 14,6 Milliarden Euro. Im Durchschnitt sind das pro Unternehmensinsolvenz immerhin knapp 1,5 Millionen Euro an Forderungsausfällen – "eine erhebliche Größenordnung". Vor allem, da die Gläubiger in den meisten Fällen weitestgehend leer ausgehen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes mussten Gläubiger auf Basis der 2017 beendeten Insolvenzverfahren auf 96 Prozent ihrer Forderungen verzichten.

Mehr Arbeitsplätze betroffen

Auch aufgrund einiger Großinsolvenzen in diesem Jahr – wie beispielsweise die der Fluggesellschaft Germania oder die des Mode-Händlers Gerry Weber – erhöhte sich die Zahl der bedrohten Arbeitsplätze auf rund 120.000. Im ersten Halbjahr 2018 waren es noch 108.000. Bei einigen Großinsolvenzen, darunter auch die der Bäckereikette "Unser Heimatbäcker" mit Hauptsitz in Pasewalk, müssen gleich mehrere tausend Mitarbeiter um ihren Job bangen.

Welche Branchen haben einen Anstieg der Insolvenzahlen und wo gehen sie zurück?

  • Im 1. Halbjahr 2019 gab es einen leichten Anstieg der Insolvenzen im Verarbeitenden Gewerbe (plus 1,4 Prozent)
  • Ebenfalls ein Plus gab es im Dienstleistungssektor (plus 0,9 Prozent).
  •  Weiter rückläufig war das Insolvenzgeschehen im Baugewerbe (minus 1,4 Prozent) und
  •  im Handel (minus 3,7 Prozent).
  •  Die meisten Insolvenzen in Deutschland gibt es weiterhin im Dienstleistungssektor (57,2 Prozent),
  •  gefolgt vom Handel (21,1 Prozent). 


Mehr Kleinstbetriebe betroffen

Von Januar bis Juni 2019 nahmen vor allem die Insolvenzen von kleinen Betrieben und Kleinstunternehmen (Umsätze zwischen 25 und 50 Millionen Euro) zu. Sie haben mit rund 30 Prozent einen großen Anteil am Insolvenzgeschehen. Aber auch der Anteil des "kleinen" Mittelstandes beträgt mittlerweile ebenfalls fast 30 Prozent.

Ebenfalls gestiegen sei die Zahl der Insolvenzen von älteren Unternehmen, die über zehn Jahre alt sind. "Unternehmen dieser Altersklasse machen mittlerweile fast die Hälfte aller Insolvenzfälle in Deutschland aus", so Ulbricht. 2009 war es nur etwas mehr als ein Drittel.

Das Durchschnittsalter der Firmen steigt

Foto: © Creditreform

In dieser Entwicklung spiegele sich das steigende Durchschnittsalter der Unternehmen. Das liege an dem seit Jahren geringen Gründungsgeschehen. "Notgründungen wie früher gibt es heute kaum noch. Gründungen sind heute fundierter und haben ein besseres Konzept." Trotzdem erhöhte sich auch bei sehr jungen Unternehmen (bis zwei Jahre alt) diesmal die Zahl der Insolvenzen (plus 1,0 Prozent), nachdem es in den Vorjahren zu Rückgängen gekommen war.

16 Jahre alt werden Unternehmen im Schnitt

 Aber wie alt werden eigentlich Unternehmen? Die Creditreform hat eine Art Sterbetafel von Firmen erarbeitet. Demnach werden die Unternehmen im Durchschnitt 16 Jahre alt.  Mehr als die Hälfte der Firmen, die 2018 aus dem Handelsregister gelöscht wurden, war nicht einmal zehn Jahre alt, berichtet der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung Michael Bretz. "80 Prozent der Sterbefälle waren jünger als 23 Jahre." Besonders kurzlebig sind Kneipen, Restaurants Diskotheken und sonstige Dienstleister.

Besonders langlebig sind Bauunternehmen, das Verarbeitende Gewerbe und der Bergbau. Hier gibt es viele Unternehmen, die älter als 20 Jahre sind. 

Die prominentesten Insolvenzen im ersten Halbjahr 2019:

Die Katharina Kasper ViaSalus GmbH, ein Betreiber von Krankenhäusern, Pflege- und Betreuungseinrichtungen aus Rheinland-Pfalz, mit 3.000 Beschäftigten stellte im Januar Insolvenzantrag beim Amtsgericht Montabaur. 

Die DRK Klinken aus Thüringen und Brandenburg mit vier Standorten und rund 1.500 Mitarbeitern.

Die Sporthandelskette Voswinkel. Das Tochterunternehmen Intersport soll saniert und umstrukturiert werden.

Die Senvion GmbH, deutsche Tochter des börsennotierten Windanlagenbauers Senvion S.A musste im April Insolvenz anmelden und strebt jetzt eine Sanierung in Eigenverwaltung an. 

Der Damenmodehersteller Gerry Weber meldete Anfang des Jahres Insolvenz an. 120 Geschäfte sollen geschlossen werden, rund 500 Jobs würden wegfallen. Insgesamt hat das Unternehmen aus Halle (Westfalen) rund 6.000 Mitarbeiter, davon 2.200 in Deutschland.

Die Modehandelskette AWG hat ebenfalls Insolvenz beantragt. Man will eine Insolvenz in Eigenverwaltung versuchen.

Prominent war auch die Insolvenz der Germania Fluggesellschaft mbh, immerhin die viertgrößte Fluggesellschaft Deutschlands mit 1.700 Mitarbeitern. 

Auch ein Handwerksbetrieb ist unter den Großinsolvenzen: Die Bäckereikette "Unser Heimatbäcker GmbH" aus Pasewalk. Für die operativen Geschöäftsteile wird eine Insolvenz in Eigenregie durchgeführt. Das Unternehmen hat 400 Filialen in Nord- und Ostdeutschland und 2.300 Mitarbeiter.

Ebenfalls bekannte Unternehmen, die Insolvenz anmelden mussten, sind der Taschenhersteller Bree, der TV-Gerätehersteller Loewe, die Elsflether Werft AG (sollte die Gorch Fock sanieren), der Süßwarenhersteller Leysieffer und die BEV Bayerische Energieversorgungsgesellschaft mbH, ein Energieversorger aus München. 

Text: / handwerksblatt.de

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