Kurt Krautscheid vermisst bei der Politik Vertrauen in das Unternehmertum. (Foto: © Jörg Diester)

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Bürokratie: Vorgaben und Gesetze statt Eigenverantwortung

"Die Eigenverantwortung von Betrieben wird zunehmend durch Richtlinien, Vorgaben und Gesetze ersetzt“, sagt Kurt Krautscheid, Präsident der Handwerkskammer Koblenz. Der Dachdeckermeister kennt viele - teilweise paradoxe - Bürokratiebeispiele.

"Für jeden Handgriff gibt es inzwischen eine Vorschrift", sagt Kurt Krautscheid, Dachdeckermeister und Präsident der Handwerkskammer Koblenz. Als typisches Beispiel für Bürokratie nennt der Chef der Firma "Krautscheid Bedachungen" das Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft getreten ist und eigentlich kleine und mittlere Unternehmen zunächst nicht betreffen sollte: In der Abwicklung von Aufträgen würden die Dokumentationspflicht aber bei den Handwerksbetrieben landen, die als Zulieferer arbeiten. "Die hohe Kunst im Umgang mit diesem Gesetz ist es also, die Sorgfaltspflichten im Rahmen der Vertragsgestaltung auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen abzuwälzen", betont Krautscheid.

Oder das Arbeitsrecht. Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Arbeitszeiterfassung habe Deutschland den Weg der höchsten Bürokratie gewählt, erklärt der Unternehmer aus Neustadt/Wied. "Ich kenne Handwerksbetriebe, die zusätzliche Räume anmieten, um die Papierakten einzulagern."

Dem Unternehmer und Handwerkskammerpräsident ist wichtig, dass es in den Gesprächen mit Bundes-, Landes- oder Kommunalpolitikern um sehr konkrete Beispiele von Bürokratie geht, damit diese nach und nach entwirrt werden. Er müsse zum Beispiel in seinem Dachdeckerbetrieb eine Arbeitsplatzbeschreibung für eine Schwangere für die Gewerbeaufsicht vorhalten, "obwohl ich keine schwangere Mitarbeiterin auf der Baustelle beschäftige".

Ein anderes Beispiel sei der Datenschutz. Laut DSGVO müssen Betriebe Kunden zusichern, dass personenbezogene Daten gelöscht werden, wenn die Kundenbeziehung endet. Das Finanzamt verlangt aber, dass steuerrelevante Unterlagen zehn Jahre aufbewahrt werden. Eine Zwickmühle, die für Unternehmen nur mit viel organisatorischem und technischem Aufwand gelöst werden kann – wenn überhaupt.

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Und so würden sich viele Themen verselbstständigen, die die Unternehmerinnen und Unternehmer enorm belasten und von ihrer eigentlichen Arbeit auf der Baustelle oder in der Werkstatt abhalten.

Eine bürokratische Auflage kommt zur anderen

Noch ein Beispiel sei die Arbeitssicherheit. Laut Berufsgenossenschaft dürfen Dachdecker in der Regel nicht mehr von einer Leiter arbeiten – nur noch von einem Gerüst. "Das führt bei manchen Reparaturarbeiten zu paradoxen Situationen", erzählt der Unternehmer. "Wir meistern das und wollen unseren Mitarbeitern natürlich ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten, aber bei den Dokumentationspflichten darüber und bei der Unterweisung der Mitarbeiter, da muss aufgeräumt werden." Hier sei mehr Eigenverantwortung gefragt.

Auch beim Umgang mit PU-Schaum. Seit August 2023 gibt es eine Schulungspflicht im Umgang mit dem PU-Bauschaum. "Diese muss regelmäßig wiederholt werden", berichtet Krautscheid. Arbeitgeber sind nun verpflichtet, dies zu dokumentieren. "Paradox ist auch hier, dass man den PU-Schaum im Baumarkt kaufen und verarbeiten kann – ganz ohne Schulung und durch ungeübte Laien. Irgendwas stimmt doch da nicht."

So kommt eine bürokratische Auflage zur anderen, die die Unternehmer am Abend oder Wochenende zu bewältigen haben. Sei es die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, die für Baubetriebe einen enormen Verwaltungsaufwand bedeutet oder das Arbeitszeitgesetz, das wenig Flexibilität zulässt und das hohe Gut der Vertrauensarbeitszeit einkassiert und durch eine Dokumentationspflicht ersetzt habe. "Es kommt einem so vor, als würde die Politik an solchen Regeln klammern. Es fehlt einfach das Vertrauen in das Unternehmertum und der Praxisbezug."

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Text: / handwerksblatt.de

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