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Die neu eingeführte Flexi-Rente hat die Weiterbeschäftigung Älterer vereinfacht. Doch damit sind längst nicht alle Probleme gelöst. (Foto: © Markus von Offern)
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Sie sind 65 Jahre oder älter, werden als Fachkräfte dringend gebraucht und wollen auch gerne weiterarbeiten. Die neu eingeführte Flexi-Rente hat die Weiterbeschäftigung Älterer vereinfacht. Doch damit sind längst nicht alle Probleme gelöst.
Eigentlich könnte Dieter Hösen längst im Ruhestand sein. Denn der Automechaniker hat bereits Ende 2013 die Regelaltersgrenze von damals 65 Jahren und zwei Monaten erreicht. Doch der Rentner arbeitet weiter beim Autohaus Breuer in Grevenbroich: "Ich kann noch arbeiten und will es auch", betont Hösen. "Wenn man zu Hause herumsitzt, macht man nur Dummheiten, sagt meine Frau immer."
Sein Chef, Autohausbesitzer Heinz Breuer, war mit der Weiterbeschäftigung einverstanden. Doch eine Verlängerung des bisherigen Arbeitsvertrags wäre schwierig gewesen: "Hätte ich dem Mitarbeiter zu einem späteren Zeitpunkt doch kündigen müssen, so hätte er auf einen Besitzstand von mehr als 50 Jahren Betriebszugehörigkeit pochen können. Ich wollte keine hohe Abfindung riskieren." Deshalb schloss Breuer mit Hösen einen neuen, befristeten Vertrag. Möglich war das aber nur, weil Hösen seinen Nachfolger einarbeiten muss – ohne besonderen Grund dürfen zuvor unbefristet angestellte Arbeitnehmer nämlich nicht in einen befristeten Vertrag wechseln.
Dass diese Regel bei Arbeitnehmern jenseits der Regelaltersgrenze absurd ist, hat mittlerweile auch der Gesetzgeber erkannt. Zum 1. Juli wurde deswegen die sogenannte Flexi-Rente eingeführt: Will ein Beschäftigter über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, das Ende des Beschäftigungsverhältnisses bis zu einem Termin ihrer Wahl hinauszuschieben.
Eine Verlängerung ist möglich, ohne dass der Arbeitgeber sich gleich zu einer unbegrenzten Weiterbeschäftigung verpflichten muss. Das Abfindungsrisiko entfällt – und damit "eine Riesen-Rechtsunsicherheit", wie der Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann sagt. Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung hatte sich maßgeblich für die Einführung der Flexi-Rente eingesetzt.
Die Zahl der arbeitenden Rentner steigt seit Jahren. Ende 2013 waren nach Zählung der Bundesagentur für Arbeit mehr als eine Million Menschen über 65 erwerbstätig. Davon waren allerdings nur 178.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Rest, 889.000 Rentner von 65 aufwärts, arbeiteten als Minijobber.
Dieter Hösen nützt die Neuregelung aber nichts mehr. Wenn sein befristeter Vertrag im Dezember ausläuft, würde er gern einen weiteren abschließen – auch sein Chef sieht darin kein Problem. Sollte Hösen danach allerdings noch einmal eine Verlängerung wünschen, könnte das wegen der Vorschriften gegen Ketten-Befristungen schwierig werden. Bei der Flexi-Rente dagegen ist ein wiederholtes Hinausschieben des Ruhestands kein Problem – aber sie gilt eben erst seit dem 1. Juli und kann nicht rückwirkend angewandt werden.
Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände sieht deshalb Nachbesserungsbedarf. Die Flexi-Rente sollte "dadurch ergänzt werden, dass Arbeitnehmer, die bereits aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, erneut eine zeitlich begrenzte Beschäftigung bei ihrem alten Arbeitgeber eingehen können", so die BDA in einem aktuellen Positionspapier. Bislang war dies nur möglich, wenn – wie im Falle Hösen – ein besonderer Sachgrund vorlag oder der Arbeitnehmer nach Ablauf seines unbefristeten Vertrags mindestens vier Monate lang beschäftigungslos war.
Ärgerlich finden es viele Unternehmer, dass sie für Beschäftigte über 65 weiter Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung zahlen müssen – auch wenn der arbeitende Rentner damit keine Ansprüche mehr erwirbt. Diese Vorschrift soll verhindern, dass Betriebe zwecks Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen Rentner beschäftigen, statt junge Arbeitnehmer einzustellen. Nach Ansicht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) ist dieses Argument aber überholt: "Diese Gefahr besteht vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels nicht mehr", sagt ZDH-Experte Jörg Hagedorn.
Der Ehrenpräsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Heinrich Traublinger, erwägt sogar eine Musterklage gegen die für arbeitende Rentner fälligen Sozialversicherungsbeiträge. Traublinger beschäftigt in seiner Bäckerei einen Haustechniker und eine Hausmeisterin über 65: "Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, für die beiden Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen – das müsste ich für jüngere Arbeitnehmer schließlich auch. Was aber nicht korrekt und meiner Meinung nach auch verfassungswidrig ist, ist, dass aus dieser Zahlung keine Gegenleistung entsteht."
Die Große Koalition hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit einer Reform der umstrittenen Regelung befasst. Der CDU-Abgeordnete Linnemann sieht zwei Möglichkeiten: Entweder die Beitragspflicht für die Arbeitgeber wird gestrichen. Oder: "Wenn man sie nicht streichen will, muss es eine Gegenleistung geben."
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