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Tischlermeisterin Johanna Röh erwartet in wenigen Wochen ihr erstes Kind und engagiert sich für eine Reform des Mutterschutzes bei selbstständigen Handwerkerinnen und für eine Betriebshilfe nach dem Vorbild der Landwirtschaft. (Foto: © HENNING SCHEFFEN PHOTOGRAPHY)
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Frauen im Handwerk - Themen-Specials
April 2022
Eine Schwangerschaft darf nicht die Existenz bedrohen. "Es braucht eine umfassende Reform des Mutterschutzes", sagt Tischlermeisterin Johanna Röh. Sie hat die Petition #meinewerkstattbleibt gestartet. Lesen Sie, was das Bundesfamilienministerium dazu sagt.
Tischlermeisterin Johanna Röh ist schwanger. In wenigen Wochen erwartet sie ihr erstes Kind. Glücklich sieht sie auf ihrem Instagram-Account nicht aus. "Schwanger und selbstständig – es wirkt so, als ob der Fall einfach nicht vorgesehen ist", erzählt die 34-Jährige. Angestellte Schwangere sind abgesichert. "Als Selbstständige muss ich es mir leisten können, nicht zu arbeiten, da es für die Zeit der Schwangerschaft keinerlei Absicherung gibt, die wirklich ernsthaft greift."
Diese Chancenungleichheit treibt Johanna Röh um, darüber schreibt sie unter dem Hashtag #meinewerkstattbleibt. "Ich hätte nicht gedacht, wie wenig dieser Schritt ins System passt", sagt sie. "Wäre mein Mann der selbstständige Tischlermeister und ich wäre angestellt im Büro, dann hätten wir überhaupt kein Problem."
Gemeinsam mit zwei Mitstreiterinnen hat die Handwerkerin eine Petition auf der Plattform Change.org gestartet. Für eine Reform des Mutterschutzes und für die Einrichtung einer Betriebshilfe wie es sie in der Landwirtschaft gibt. Johanna Röh hat einen Nerv getroffen.
Innerhalb von vier Wochen kamen über 50.000 Unterschriften zusammen. Viele Handwerkerinnen, aber auch Hebammen und andere selbstständige Frauen schildern da, dass sie nach der Geburt ihren Betrieb schließen mussten oder herbe Rückschläge hatten.
Bis Ende April kann man noch unterschreiben, dann geht die Petition an Entscheidungsträger wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfamilienministerin Anne Spiegel.
Der Zeitpunkt für das erste Kind schien perfekt. 2018 hat sich Johanna Röh mit ihrer Werkstatt einen Traum erfüllt. Nach vier Gesellinnen-Jahren auf Wanderschaft unter anderem in Japan, Kanada und Neuseeland, der Meisterprüfung und der Weiterbildung zur Restauratorin im Tischlerhandwerk konzentrierte sie sich ganz auf die Existenzgründung.
"Die Selbstständigkeit ist gut angelaufen, die Auftragsbücher sind voll, alles soweit super", sagt die Botschafterin der Kampagne "Das Handwerk".
"Unser Beruf ist gesucht. Die Menschen wollen individuelle, nachhaltige und langlebige Möbel." In der ZDF-Dokureihe 37° gibt es eine Reportage über den Werdegang der jungen Tischlerin.
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Schon zu Beginn der Schwangerschaft wurde sie dann aber mit den Hürden konfrontiert, die sich selbstständigen Frauen im Handwerk mit in den Weg stellen. Als angestellte Tischlerin hätte Johanna Röh direkt ein Beschäftigungsverbot bekommen. Die gesundheitlichen Gefahren im Tischlerhandwerk sind für die Schwangere und das Baby zu gravierend.
Als Selbstständige musste sie weiterarbeiten, bis sich eine starke Schwangerschaftsübelkeit (Hyperemesis) einstellte, die bis zum Ende des fünften Monats anhielt. Die Krankenkasse zahlte für diese Zeit aber nur wenig Krankengeld. "Weil das Geld für die Aufträge zeitversetzt reinkam und ich somit vorher zu wenig und während der Krankheitsphase zu viel verdient habe." Bis heute streitet sie sich mit der Versicherung.
ZitatJohanna Röh: "Die Folgen des Klimawandels und den daraus resultierenden Maßnahmen, gerade im Bau- und Energiesektor, können nur durch mehr Vielfalt auch in den Betriebsführungen gestemmt werden."
Als sich die Übelkeit gelegt hatte, stellte sich für die Tischlerin die Frage, welche Arbeiten sie überhaupt noch ausführen darf und wie sie die laufenden Kosten bezahlen soll. "Hätte ich nicht das Privileg, dass mich die Arthur Francke‘sche Stiftung unterstützt und mein Mann genug verdient, um mich während der Schwangerschaft mitzuversorgen, könnte ich mich während dieser Zeit weder selbst ernähren noch die Fixkosten des Betriebes erwirtschaften."
Ihr Mann arbeitet als kaufmännischer Angestellter und wird in Elternzeit gehen, damit Johanna Röh nach den zwei Partnermonaten wieder in die Werkstatt zurückkehren kann. Die Auszubildende kann in einem Kooperationsbetrieb ihre Ausbildung fortsetzen, der Geselle wird pausieren. "Ich bin in dieser glücklichen Situation, aber was wäre, wenn die Schwangerschaft ungewollt gewesen wäre und ich allein wäre", fragt die Unternehmerin. Das würde das Ende des Betriebs bedeuten.
Eine kostenlose Vertretung, die als Betriebshilfe einspringt, wenn der Chef oder die Chefin ausfallen, gibt es bislang nur in der Landwirtschaft. Auch der Bundesverband der Unternehmerfrauen im Handwerk macht sich für die Betriebshilfe im Handwerk stark. Bislang ohne Erfolg.
In wenigen Tagen beginnt bei Johanna Röh der Mutterschutz. Die gesetzliche Krankenkasse zahlt dann maximal 13 Euro pro Kalendertag. Bei Angestellten gleicht der Arbeitgeber die Differenz zum durchschnittlichen Nettolohn aus. "Selbstständige müssten sich vor der Schwangerschaft ein finanzielles Polster für den Mutterschutz und das Wochenbett aufbauen, was in der Phase einer Existenzgründung mit hohen Fixkosten schwierig bis unmöglich ist", wie Johanna Röh meint. "Es ist Zeit, dass sich etwas ändert." Sie wünscht sich eine Lösung, bei der alle in einem Umlageverfahren einzahlen.
Über die sozialen Medien sind die Bildhauerin Astrid Hilt vom Verein HandwerksGrün und Maxime Krämer mit Johanna Röh in Kontakt getreten. Gemeinsam mit anderen Betroffenen haben sie Forderungen ausgearbeitet und die Petition gestartet. Jeder fünfte Handwerksbetrieb wird heute von einer Frau geführt. "Das könnte man sicherlich durch eine funktionierende und durchdachte Absicherung während der Schwangerschaft ausbauen. Das würde nicht nur Chancengleichheit und Gerechtigkeit schaffen, sondern auch dem Problem des Fachkräftemangels und der fehlenden Betriebsnachfolger und -nachfolgerinnen begegnen", sagen die Initiatorinnen der Petition.
"Die Situation für schwangere Unternehmerinnen ist in der Tat schwierig", pflichtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bei. Die Ampel-Koalition hat angekündigt, Frauen im Handwerk zu unterstützen. Jetzt sei die Politik gefragt, Lösungen für Frauen zu finden, die das Wagnis der Selbstständigkeit eingehen, betont der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin. Eine Schwangerschaft der Betriebsinhaberin dürfe für den Betrieb kein existenzielles Risiko darstellen.
Johanna Röh lege zu Recht den Finger in eine Wunde. Der ZDH sei im Gespräch mit der Bundesregierung, um die Situation schwangerer selbstständiger Handwerkerinnen zu verbessern und eine stärkere soziale Absicherung für sie zu erreichen. Das Vertretungsmodell der Betriebshilfe nach dem Vorbild der Landwirtschaft hält auch der Handwerksverband für einen guten Lösungsansatz. "Eine solche Betriebshilfe wäre eine gesamtgesellschaftliche Leistung und müsste daher aus Steuermitteln finanziert werden und nicht über Beiträge."
Johanna Röh würde das alles zumindest bei ihrem ersten Kind nicht mehr helfen. Ihr geht es inzwischen "ums Prinzip". Das Handwerk brauche Unternehmerinnen, auch um die gewaltigen Zukunftsaufgaben zu meistern. Sie sagt: "Gerade hier in der Gegend bin ich konkurrenzlos und könnte mit meinem Betrieb ein Vorbild für andere junge Unternehmer und Unternehmerinnen sein. Dies sollte weiterhin die Geschichte einer erfolgreichen Gründung im ländlichen Raum sein."
Das Bundesfamilienministerium bestätigt auf Nachfrage des Deutschen Handwerksblatts, dass für selbstständig erwerbstätige Frauen das Mutterschutzgesetz (MuSchG) nur sehr eingeschränkt Anwendung findet. "Im Übrigen werden selbständig tätige Frauen nicht von den Vorschriften des Mutterschutzgesetzes erfasst. Grund dafür ist, dass Selbständige für die Organisation ihrer Arbeit und ihrer Arbeitsbedingungen selbst verantwortlich sind", so eine Sprecherin des Ministeriums. Gleiches gelte für ihre wirtschaftliche Absicherung.
Anders als Beschäftigte seien sie nicht davon abhängig, wie der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen organisiert. Zudem stelle die Rechtsordnung selbständige Frauen nicht schutzlos, betont die Ministeriums-Sprecherin.
"Insbesondere während der Schutzfristen nach Paragraf 3 Absatz 1 und 2 Mutterschutzgesetz haben privat krankenversicherte Frauen mit Krankentagegeldversicherung grundsätzlich Anspruch auf Leistungen gegen die Versicherung aufgrund des Verdienstausfalls. Konkrete Pläne zur Reform des Mutterschutzes bei Selbstständigen bestehen derzeit nicht."
In bestimmten Fallkonstellationen könne es jedoch etwa für Soloselbständige schwierig sein, in angemessener Form für sich einen Mutterschutz-Standard sicherzustellen, der dem für unselbstständig Beschäftigte im Wesentlichen entspricht. "Wie die Herstellung eines angemessenen Mutterschutz-Standards auch für Selbstständige gegebenenfalls erleichtert oder sichergestellt werden kann, etwa durch entsprechende Mutterschutz-Regelungen in berufsrechtlichen Regelwerken, unterliegt daher einer laufenden Prüfung."
Für die Petition unter change.org/meinewerkstattbleibt werden noch bis Ende April Unterschriften gesammelt. Die gehen dann an politische Entscheidungsträger. Das sind die Forderungen:
Eine Selbstständige erhält maximal 13 Euro pro Tag Krankengeld. Hinsichtlich der laufenden Kosten eines Betriebs sei das nicht einmal der "Tropfen auf den heißen Stein". Gefordert wird ein voll bezahlter Mutterschutz.
Ausgleichszahlungen sollten auch auf schwangere Selbstständige in Berufen, die für angestellte Schwangere unter das Beschäftigungsverbot fallen, ausgeweitet werden.
Im Falle einer Krankschreibung aufgrund von Schwangerschaftsbeschwerden wird die Zahlung des Krankentagegeldes ab dem ersten Tag der Krankschreibung gefordert. Verzögerte Zahlungseingänge dürften beim Krankengeld nicht mit angerechnet werden.
Es brauche Notfalltöpfe, um die Betriebe von selbstständigen Schwangeren vor Insolvenz zu schützen. Das finanzielle Auskommen der Schwangeren müsse gewährleistet werden.
Gefordert wird die Einrichtung einer Betriebshilfe nach dem Vorbild der Landwirtschaft, um Betrieben aus anderen Wirtschaftsbereichen unbürokratisch und kostenfrei zu helfen.
Vorherige schwangerschaftsbedingte, finanzielle Einbußen müssen abzugsfrei hinzuverdient werden können.
Gefordert wird ein Bonus für Betriebe, die die Auszubildenden während des schwangerschaftsbedingten Ausfalls übernehmen.
Die Arbeitsfähigkeit des Betriebes müsse gewährleistet bleiben.
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