Viele Studenten zweifeln daran, ob sie ihr Studium beenden werden. Sie müssen sich eine Alternative überlegen: in einen anderen Studiengang wechseln, eine duale Ausbildung beginnen oder ohne einen Abschluss arbeiten zu gehen; Foto: © ximagination/123RF.com

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29 Prozent aller Bachelorstudierenden brechen ihr Studium ab. Eine Studie des BIBB und der Uni Maastricht geht der Frage nach: Wäre die berufliche Bildung eine attraktive Alternative für sie?

Dazu haben das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und die Uni Maastricht rund 12.000 Studierende an deutschen Hochschulen befragt. "Insgesamt hat die duale Berufsausbildung ein positives, jedoch kein glänzendes Image", fasst BIBB-Forscherin Kim-Maureen Wiesner die Eindrücke der interviewten Jungakademiker zusammen.

Berufe aus dem Handwerk werden von ihnen sehr unterschiedlich wahrgenommen. Gut kommt der Tischler weg. Unter 15 zu bewertenden Berufen liegt er auf dem vierten Platz. Der Dachdecker findet sich im Mittelfeld wieder. Im letzten Drittel sind der Kaufmann für Büromanagement, Friseur und Gebäudereiniger vertreten. "Handwerkliche Berufe sind unter den Studierenden deutlich schlechter angesehen als freie Berufe und Berufe aus den Bereichen Industrie und Handel", bilanziert Kim-Maureen Wiesner.

Übergangsmöglichkeiten sind kaum bekannt

Ein grundlegendes Problem ist der Mangel an Informationen. Zwei Drittel der in der BIBB-Studie befragten Studierenden wissen kaum etwas von den Übergangsmöglichkeiten in eine duale Ausbildung. Dieses Defizit dürfte noch aus der Schulzeit stammen. "Künftig muss die Berufsorientierung vor allem an den Gymnasien unbedingt verstärkt werden", so Kim-Maureen Wiesner.

Einflussreiche Akteure wie die Eltern seien frühzeitig einzubinden und darüber zu informieren, wie man sich nach der Gesellen- oder Facharbeiterprüfung beruflich als Meister, Techniker oder Betriebswirt weiterentwickeln kann. Laut der BIBB-Studie raten besonders Eltern mit höherem Bildungsgrad ihren Sprösslingen zum Studium. "Wer nie mit dem dualen Ausbildungssystem zu tun hatte, kann seinen Kindern auch keine adäquaten Tipps für die Berufswahl geben", meint die Bildungsforscherin.

Studienzweifler gezielter ansprechen

BIBB-Studie als kostenloser DownloadAnlaufstellen für Studienzweifler gibt es genug. "65 Prozent kennen beispielsweise die Angebote der Kammern, aber weniger als zehn Prozent nutzen sie auch", hat Kim-Maureen Wiesner festgestellt. Sie plädiert für eine gezieltere und auf den Bedarf ausgerichtete Ansprache. Da potenzielle Abbrecher wohl nicht die Aktivsten seien, könnten Handwerksbetriebe etwa auf sie zugehen und ihnen Schnupperpraktika in den Semesterferien anbieten. Als weitere, attraktivitätssteigernde Maßnahme ist den Studienzweiflern wichtig, dass ihre akademischen Vorleistungen auf die berufliche Abschlussprüfung angerechnet oder die Ausbildungszeit verkürzt werden kann. Auch über eine gewisse Wertschätzung der aus dem Studium mitgebrachten Kompetenzen würden sich potenzielle Wechsler ins duale System freuen.

So sieht die Wunschausbildung aus

Könnten sie es sich wünschen, dauert die Ausbildung für jeden dritten Befragten rund zwei Jahre. Rund ein Viertel ließe sich aber auch auf drei Jahre ein. "Nachdem sie schon das Studium abbrechen mussten, haben sie scheinbar Angst, etwas zu verpassen und wollen alle relevanten Inhalte mitnehmen", spekuliert Kim-Maureen Wiesner. Ein weiteres, starkes Argument für eine Ausbildung sei die sichere Aussicht auf eine Übernahme nach der Lehre.

Im Ausbildungsbetrieb der Träume gibt es flache Hierarchien, flexible Arbeitszeiten und eine überschaubare Kollegenzahl. Viele Studienzweifler möchten laut der BIBB-Studie in einem Unternehmen arbeiten, das zwischen zehn und 49 Mitarbeiter beschäftigt. "Nach der Anonymität an der Uni erhoffen  sie sich scheinbar von einer dualen Ausbildung, dass sie enger betreut werden." Bei einigen der Anforderungen könne das Handwerk durchaus punkten.

Schock für die Bildungsforscher

Wer einmal an der Uni ist, möchte dort auch möglichst bleiben. Selbst wenn der aktuell gewählte Studiengang vorzeitig beendet wird, kommt für jeden zweiten Studienzweifler nur ein anderes Studium infrage. Bedenklich ist allerdings: 39 Prozent würden nach dem abgebrochenen Studium – und damit ohne jeglichen Abschluss – lieber direkt Vollzeit arbeiten gehen. "Das hat uns echt schockiert."

Text: Bernd Lorenz; Foto: © ximagination/123RF.com

 

Text: / handwerksblatt.de