Die neuen Regeln betreffen schwere Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Geschirrspüler, aber auch Smartphones, Tablets oder Fahrräder.

Ersatzteile für Smartphones, Tablets und große Haushaltsgeräte sollen günstiger werden. (Foto: © Mark Agnor/123RF.com)

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EU-Parlament stimmt für Recht auf Reparatur "light"

Reparieren statt wegwerfen! Nach dieser Devise hat das europäische Parlament jetzt das Recht auf Reparatur eingeführt. Kritikern geht es aber nicht weit genug, weil es während der Verhandlungen entschärft wurde.

Ist ein elektrisches Gerät defekt, landet es häufig im Müll. Denn eine Reparatur ist zumeist teuer, umständlich oder ganz unmöglich. Diese Praxis will der europäische Gesetzgeber mit einem EU-weiten Recht auf Reparatur abschaffen. Das Europäische Parlament hat dem Ergebnis der Trilog-Verhandlungen am 23. April 2024 zugestimmt. Alle elektrischen Geräte sollen länger repariert werden können, für einige Gerätegruppen werden Ersatzteile günstiger.

Diese Verbesserungen wird es geben:

  • Die gesetzliche Gewährleistungsfrist des Verkäufers wird ab dem Zeitpunkt der Reparatur für alle reparaturfähigen Geräte um ein Jahr verlängert, wenn sich die Verbraucher für eine Reparatur entscheiden. Dies wird in den meisten EU-Ländern zu einer Gewährleistungszeit von drei Jahren führen. 
  • Verbraucher können auch nach Ablauf der Gewährleistung des Händlers künftig eine Reparatur vom Hersteller verlangen. Dieser soll nicht aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen dürfen.
  • Die Reparaturen müssen von den Herstellern zu einem "angemessenen Preis" durchgeführt werden.
  • Für bereits reparierte Produkte darf eine erneute Reparatur künftig nicht verweigert werden.
  • Ersatzeile und Werkzeuge für Produkte der Ökodesign-Verordnung sollen an unabhängige Werkstätten "zu einem vernünftigen Preis, der die Reparatur nicht abschreckt" abgegeben werden. Dies gilt aber nur für Smartphones, Tablets, Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Kühlschränke, Displays, Schweißgeräte, Staubsauger, Server und Fahrräder. 
  • Softwarepraktiken, die eine unabhängige Reparatur und die Verwendung kompatibler Ersatzteile verhindern, werden verboten. Unabhängige Werkstätten können also künftig gebrauchte oder mit 3D-Druckern hergestellte Ersatzteile nutzen, ohne dass Funktionseinbußen drohen.
  • Eine europäische Reparaturplattform soll den schnellsten Weg zu Reparaturwerkstätten, Repaircafés und Verkäufern überholter Waren in ihrer Nähe aufzeigen.
  • Die neuen Regeln betreffen nur schwere Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Staubsauger, sowie Smartphones, Tablets oder Fahrräder – also Geräte, die die Ökodesign-Verordnung erfasst. Heizungen, Laptops, Spielzeuge oder kleinere Haushaltsgeräte – zum Beispiel Kaffeemaschinen – werden hingegen nicht reguliert. Diese Liste kann aber in den kommenden Jahren noch erweitert werden.
  • Die Mitgliedsstaaten sollen mindestens eine nationale Fördermaßnahme, etwa einen Reparaturbonus, einführen.
  • Händler können während der Reparatur ein Ersatzgerät verleihen. Falls eine Reparatur nicht möglich ist, kann der Verbraucher sich für ein generalüberholtes Gerät entscheiden.
  • Das Recht ist beschränkt auf Waren, die von Verbrauchern gekauft werden, B2B-Käufe oder Industriegüter sind nicht betroffen.

Nach der Verabschiedung durch das EU-Parlament wird mit der formalen Zustimmung der Mitgliedsstaaten noch vor Juni gerechnet. Danach haben die Staaten zwei Jahre Zeit, um die EU-Richtlinie in ihre nationalen Gesetze zu übertragen.

Die EU-Gesetzgeber einigten sich auch auf eine neue Ökodesign-Verordnung. Diese Rahmenverordnung ermöglicht es der EU-Kommission, Mindestanforderungen an die Reparierbarkeit weiterer Produkte festzulegen. Energieverbrauchsrelevante Produkte und andere Elektronikprodukte werden als nächstes geprüft.

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Gesetzentwurf wurde deutlich abgeschwächt

Im Zuge der Trilogverhandlungen wurden aber weitergehende Regelungen des ursprünglichen Richtlinien-Entwurfs fallengelassen:

  • Das Recht des Verbrauchers, einen Gewährleistungsanspruch direkt beim Hersteller geltend zu machen.
  • Der zwingende Vorrang einer Reparatur gegenüber einem Ersatzprodukt.
  • Das Recht für unabhängige Werkstätten, Reparaturen im Rahmen der Gewährleistung durchzuführen.
  • Der Zugang zu allen Ersatzteilen für alle Produkte und allen reparaturbezogenen Informationen sowie Werkzeugen, einschließlich Diagnoseinstrumenten – für einen Zeitraum, der mindestens der voraussichtlichen Lebensdauer des Produkts entspricht.
  • Die Verpflichtung der Hersteller, alle reparaturbezogenen Informationen, etwa Reparatur- und Ersatzteilpreise, auf ihren Websites zu veröffentlichen.
  • Die Möglichkeit für den Gesetzgeber, weitere Produkte in die Liste aufzunehmen, auch wenn sie nicht unter das Ökodesign oder andere Anforderungen fallen.
  • Das Formular für Reparaturinformationen (mit Angaben zu Preis und Dauer der Reparatur) ist nur freiwillig, nicht zwingend.

Bundesweiter Reparaturbonus gefordert

Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) begrüßt die Regelungen. Er ist erfreut, dass dem Kfz-Gewerbe kein verbindliches Reparaturformular auferlegt wurde, da dies zu einer erhöhten Bürokratiebelastung für die Betriebe geführt hätte.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zieht eine gemischte Bilanz: "Beim Gesetzgebungsvorschlag zum Recht auf Reparatur konnten wir zwar verhindern, dass ein zwingendes Reparaturformular eingeführt wurde und somit zusätzliche Bürokratie verhindern. Die Verlängerung der Gewährleistungsfrist nach einer Reparatur ist jedoch kritisch zu sehen, denn sie führt zu höheren Haftungsrisiken für Handwerksbetriebe", erklärt ZDH-Chef Holger Schwannecke.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält die Richtlinie für einen guten ersten Schritt, Reparaturen zu erleichtern. Der Verband fordert die Bundesregierung auf, die Umsetzung zügig anzugehen und noch in dieser Legislaturperiode einen bundesweiten Reparaturbonus einzuführen. Solche Boni gibt es bereits in Thüringen, Sachsen, Österreich und Frankreich. Ramona Pop, Vorständin des vzbv, erklärte: "Oft entscheidet der Preis, ob ein Produkt repariert wird. Verbraucher:innen müssen daher finanziell unterstützt werden, wenn sie sich für eine Reparatur entscheiden. Der Reparaturbonus als Modell in Thüringen oder Sachsen war ein großer Erfolg. Das kann ein Vorbild für die bundesweite Einführung sein."

"Zu viele Schlupflöcher"

Der Runde Tisch Reparatur und das europäische Bündnis Right to Repair Europe sind nur teilweise zufrieden: "Wir befürworten die Vorschriften über angemessene Preise für Ersatzteile sowie das Verbot von Softwarepraktiken, die eine unabhängige Reparatur und die Verwendung kompatibler und wiederverwendeter Ersatzteile verhindern." Jedoch habe die EU eine große Chance verpasst, einen wirklich fairen Reparaturmarkt in Europa zu schaffen, betonen die Verbände. Sie bedauern es, dass nur wenige Produkte betroffen sind und dass "viele Schlupflöcher eingeführt" worden seien. Auch fehle eine klare Definition, was "angemessene" Preise für Ersatzteile sind.

Der Branchenverband Bitkom fordert insbesondere, die Mehrwertsteuer auf Ersatzteile und Reparaturdienstleistungen für IT-Geräte wie Smartphones und Laptops zu senken.

Mit der Ökodesign-Richtlinien wollte die Europäische Kommission bereits 2021 dazu beitragen, dass große Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen öfter repariert werden. Aber nicht alle Hersteller halten sich an die Vorgaben, wie eine Studie herausfand. Nach Berechnungen der EU-Kommission fallen jedes Jahr rund 35 Millionen Tonnen Abfall an, weil Produkte zu früh entsorgt anstatt repariert werden. Der jährliche Schaden beträgt geschätzte 12 Milliarden Euro.

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Text: / handwerksblatt.de

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