Nur ausnahmsweise ist Leiharbeit auch am Bau erlaubt.

Wer einen Kran mitsamt Bedienpersonal mietet, muss sich fragen: Ist die Personalüberlassung bei wirtschaftlicher Betrachtung nur ein unerheblicher Teil des Gesamtgeschäfts? Wenn ja, liegt keine Arbeitnehmerüberlassung vor. (Foto: © yuttana jeenamool/123RF.com)

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Kurzfristig mehr Personal durch Leiharbeit, ARGE oder Kollegenhilfe

Der Fachkräftemangel ist ein zentrales Thema im Handwerk. Manch ein Betriebsinhaber denkt deshalb über Leiharbeit nach. Wir haben einen Fachanwalt gefragt, was es dabei zu beachten gilt und welche Alternativen sich für Handwerker anbieten.

"Wie kommen wir an geeignetes Personal?" fragen sich derzeit viele Betriebe, nicht nur im Handwerk. Eine mögliche Antwort darauf ist die Leiharbeit, um etwa bei kurzfristigen Arbeitsspitzen vorübergehend Personal aufzustocken. Dieses Verfahren ist in Deutschland unter anderem im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Gerade in der Baubranche wird Leiharbeit häufig genutzt. Rechtsanwalt Kai Sturmfels LL.M., Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Arbeitsrecht, erklärt, was Betriebe beachten sollten, die Leiharbeitnehmer einsetzen wollen. Und welche Alternativen es gibt.

DHB: Wer Personal sucht, kann bei einem Verleihbetrieb anfragen. Worauf sollte man dabei achten?
Sturmfels: Wichtig ist zuerst einmal, dass der Verleiher eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Dieses Papier sollte sich der Entleiher immer vorlegen lassen. Denn ohne eine Erlaubnis handelt es sich grundsätzlich um eine illegale Arbeitnehmerüberlassung. Dies zieht gravierende Folgen nach sich: Zum einen wird der "Entleiher" automatisch Arbeitgeber des Personals – mit allen Konsequenzen bei Lohn, Haftung und Sozialversicherungspflicht. Zudem drohen erhebliche Bußgelder und gegebenenfalls sogar strafrechtliche Ermittlungsverfahren.

DHB: Wer erfolgreich einen Leiharbeitsvertrag geschlossen hat, muss bestimmte Pflichten erfüllen. Welche sind das?
Sturmfels: Grundsätzlich haben Leiharbeitnehmer Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen und das gleiche Arbeitsentgelt wie ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer. Zunächst gibt es viel Organisatorisches zu beachten: Beispielsweise muss der Entleiher die Arbeitszeiten dokumentieren, und mindestens zwei Jahre lang aufbewahren. Daneben muss er den Leiharbeitnehmer über Vieles informieren, etwa über freie Arbeitsplätze im Unternehmen und den Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel Betriebskindergärten, Kantinen, Pausen- und Ruheräume zu gewähren. Schließlich ist der Entleiher für den Arbeitsschutz verantwortlich.

DHB: Das Gesetz sieht eine Höchstdauer von 18 Monaten für Leiharbeit vor. Was passiert, wenn diese Zeit überschritten wird?
Sturmfels: Sofern keine abweichende Regelung in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche im Hinblick auf eine längere Überlassungsdauer oder eine Tariföffnungsklausel existiert – der Tarifvertrag für die Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie etwa ermöglicht es tarifgebundenen Entleihern, die Ausleihe auf maximal 48 Monate zu verlängern – , geht das Gesetz von einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung aus. Das Arbeitsverhältnis mit dem Leiharbeitnehmer geht mit allen Pflichten auf den Entleiher über, der damit Arbeitgeber wird. Neben der Haftung können zudem erhebliche Bußgelder verhängt werden.

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DHB: Was sind die wichtigsten Merkmale für Leiharbeit im Unterschied zum Werkvertrag, bei dem ein Selbstständiger beauftragt wird?
Sturmfels: Wesentliche Abgrenzungskriterien sind das Weisungsrecht und die Eingliederung des Mitarbeiters in den Betrieb. Bei einem Werkvertrag muss der Arbeitnehmer des Auftragnehmers im Wesentlichen ohne Weisungen des Betriebsleiters oder Bauleiters des Auftraggebers tätig werden. Schädlich ist auch die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers, so zum Beispiel das Tragen der gleichen Arbeitskleidung oder die Arbeitszeiterfassung durch den Auftraggeber. Problematisch kann auch sein, wenn ausschließlich zeitbezogen – nach Stunden – und nicht leistungsbezogen – etwa nach Einheitspreisen – abgerechnet wird. Ausschlaggebend ist dabei, wie der Vertrag in der Praxis gelebt wird. Wie die Parteien ihn nennen, ist irrelevant. So können sich in einigen Fälle Werkverträge als Scheinwerkverträge und somit eine illegale Arbeitnehmerüberlassung entpuppen. Ein absolutes Abgrenzungskriterium gibt es hier leider nicht. Einige zentrale Kontrollfragen sind aber: Ist ein konkreter, werkvertragsfähiger Leistungsgegenstand vereinbart? Wer übt das Weisungsrecht aus? Wer organisiert die Arbeitsabläufe?

DHB: Können Handwerker auch ohne die Regularien des AÜG mit fremdem Personal arbeiten?
Sturmfels: Das Gesetz kennt einige Ausnahmen. Da bietet sich zum Beispiel die sogenannte Kollegenhilfe an, sie ist geregelt in § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG. Diese erfordert keine Überlassungserlaubnis, wenn es sich um einen Betrieb mit weniger als 50 Beschäftigten handelt, der Kurzarbeit oder Entlassungen vermeiden will. Die Überlassung darf nicht länger als zwölf Monate dauern und muss vorher schriftlich bei der Bundesagentur angezeigt werden. Wenn Arbeitnehmer zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die zur Herstellung eines Werks gebildet wurde, abgeordnet werden, findet das AÜG ebenfalls keine Anwendung. Dies gilt auch für Bauarbeitsgemeinschaften. Für alle Mitglieder der ARGE müssen in fachlicher Hinsicht die Tarifverträge desselben Wirtschaftszweigs gelten. Überlassungen in einem Konzern sind ebenfalls – mit Ausnahme des Bauhauptgewerbes – privilegiert. Alternativ kann man unter Umständen auch Selbständige mittels eines Dienstverschaffungsvertrags beauftragen. Und dann gibt es noch die Personalgestellung als Nebenleistung bei einem gemischten Vertrag.

DHB: Wie sähe ein solcher gemischter Vertrag beispielsweis aus?
Sturmfels: Wenn man etwa einen Kran mitsamt Bedienpersonal mietet. Dann stellt sich die Frage: Wo liegt der Schwerpunkt des Vertrags? Ist die Personalüberlassung bei wirtschaftlicher Betrachtung nur ein unerheblicher Teil des Gesamtgeschäfts, liegt keine Arbeitnehmerüberlassung vor und man kann loslegen.

DHB: Sie erwähnten eben die Selbständigen. Was können Unternehmer tun, um beim Thema Scheinselbstständigkeit nicht falsch zu liegen?
Sturmfels: Hier gelten ähnliche Abgrenzungskriterien wie bei der Arbeitnehmerüberlassung. Ein Selbständiger kann Arbeitsort, Arbeitszeit und Art und Weise der Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen. Wer sicher gehen möchte, leitet ein Statusfeststellungsverfahren bei der Rentenversicherung ein. Das geht neuerdings auch schon im Vorfeld des Vertrags.

DHB: Und wenn man dann doch einen Scheinselbstständigen eingesetzt hat?
Sturmfels: Dann muss der Arbeitgeber neben Bußgeldern alle Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, schlimmstenfalls rückwirkend bis zu 30 Jahre. Hinzu kommen Zinsen von zwölf Prozent pro Jahr und eine Netto-Brutto-Hochrechnung der Sozialversicherungsbeträge, was im Ergebnis sehr teuer werden kann. Hierfür haftet ein Geschäftsführer einer GmbH auch gegebenenfalls mit seinem Privatvermögen. Außerdem macht man sich strafbar.

DHB: Wenn Zollbeamte auf einer Baustelle kontrollieren, können sie den Leuten oft nicht ansehen, in welchem Arbeitsverhältnis sie stehen. Wie geht der Zoll dann vor?
Sturmfels: Beim Stichwort Baustelle muss man zuerst einmal voranstellen, dass der Verleih von gewerblichen Arbeiternehmern in Betriebe des Bauhauptgewerbes grundsätzlich verboten ist; so steht es in § 1b AÜG. Das Baunebengewerbe, etwa das Elektrikerhandwerk, ist davon jedoch nicht betroffen. Nur ausnahmsweise ist Leiharbeit auch am Bau erlaubt. Es funktioniert dort, wo Betriebe des Baugewerbes an andere Betriebe des Baugewerbes – also als Hilfe unter Kollegenbetrieben – Arbeitnehmer überlassen. Voraussetzung ist, dass Verleiher- und Entleiherbetrieb in den fachlichen Geltungsbereich desselben Rahmen- und Sozialkassentarifvertrags fallen oder von dessen Allgemeinverbindlichkeit erfasst werden. Die im Baubereich existierenden Tarifverträge der vier Tarifbereiche Bauhauptgewerbe, Dachdecker- und Gerüstbauhandwerk, Garten- und Landschaftsbau sind ausnahmslos für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Arbeitnehmerüberlassung ist aber nur innerhalb des jeweiligen Tarifbereichs zulässig, das heißt, ein Dachdeckerbetrieb kann nur Arbeitnehmer an einen anderen Dachdeckerbetrieb verleihen. Nicht gestattet ist umgekehrt ein sogenannter Über-Kreuz-Verleih, also eine Arbeitnehmerüberlassung zwischen Betrieben des Bauhauptgewerbes und des Garten- und Landschaftsbaus. Selbstverständlich benötigt der verleihender Baubetrieb für die Arbeitnehmerüberlassung eine Verleiherlaubnis. Schließlich muss der Verleiher vor der Arbeitnehmerüberlassung seit mindestens drei Jahren nachweislich tarifgebunden sein.

Rechtsanwalt Sturmfels hält regelmäßig Seminare, unter anderen zu diesem Thema auch bei der EIC Trier GmbH in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Trier.

Aktuelles Urteil des EuGH Schlechter bezahlte Leiharbeiter müssen Ausgleich bekommen!  > Hier mehr lesen!Leiharbeiter in DeutschlandAm 30. Juni 2021 hat es in Deutschland rund 788.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Leiharbeitskräfte gegeben. Das sind 2,3 Prozent der rund 33.802.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Am 30. Juni 2016 hat dieser Anteil noch 3,0 Prozent betragen. Diese Zahlen nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke. Weiter heißt es, dass von den Leiharbeitskräften rund 225.000 keinen Berufsabschluss, 407.000 einen anerkannten Berufsabschluss und 74.000 einen akademischen Abschluss gehabt hätten. Üblicherweise könne angenommen werden, dass Beschäftigte mit einem anerkannten Berufsabschluss, die eine Helfer-Tätigkeit ausüben, und Beschäftigte mit einem akademischen Abschluss, die eine Helfer- oder Fachkraft-Tätigkeit ausüben, unterhalb ihres Qualifikationsniveaus eingesetzt würden. Dies treffe auf rund 188.000 der 407.000 sozialversicherungspflichtigen Leiharbeitskräfte mit einem anerkannten Berufsabschluss und auf 36.000 der 74.000 sozialversicherungspflichtigen Leiharbeitskräfte mit einem akademischen Abschluss zu.

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Text: / handwerksblatt.de

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