Gemeinsame Erklärung zur Flüchtlingspolitik
BDA-Präsident Ingo Kramer, BDI-Präsident Ulrich Grillo und ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer haben eine gemeinsame Erklärung zur Asyl- und Flüchtlingspolitik veröffentlicht.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Geflüchtete: Willkommen im Handwerk!
Die Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Ingo Kramer, Ulrich Grillo und Hans Peter Wollseifer, haben heute (22. Januar) eine gemeinsame Erklärung zur Asyl- und Flüchtlingspolitik veröffentlicht. Dauerhafte Lösung seien nur gesamteuropäisch möglich, heißt es da.
Hier die Erklärung im Wortlaut:
"Deutschland leistet aktuell eine überwältigende humanitäre Aufgabe. Bund, Länder und Kommunen sind aufs Höchste angespannt. Allein im letzten Jahr wurden über 1 Million Flüchtlinge bei uns erfasst. Wer vor Krieg, Vertreibung oder politischer Verfolgung flieht, muss auch in der Europäischen Union humanitären Schutz erhalten. Unsere gemeinsamen Werte verpflichten uns, die wachsenden Flüchtlingszahlen als europäische Herausforderung anzunehmen. Die Konzentration massiver Fluchtbewegungen auf einige wenige EU-Staaten muss diese auf Dauer zwangsläufig überfordern. Nur durch EU-weite solidarische Anstrengungen, denen sich kein Mitgliedstaat entziehen darf, sind die Probleme zu meistern. Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrem Europa-Engagement für abgestimmtes Vorgehen und faire Lastenteilung. Eine Beschädigung oder gar Scheitern des Schengenraums wäre ein schwerwiegender Rückschlag für die Europäische Union und ihre Bürgerinnen und Bürger, für die Reisefreiheit und ungehinderte grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit von elementarer Bedeutung sind.
Konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber
BDA, BDI und ZDH treten dafür ein, dass Deutschland weiterhin seinen Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise leistet. Aber den wirklich Verfolgten kann man Schutz nur wirksam geben, wenn nicht gleichzeitig die Kräfte überstrapaziert werden, weil Menschen zu uns strömen, die keine Chance auf Anerkennung als Verfolgte haben. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen hat, um die Asylverfahren massiv zu beschleunigen und die Voraussetzungen für die schnelle Rückführung abgelehnter Asylbewerber zu schaffen. Herkunftsländer, die sich weigern, ihre Staatsbürger zurückzunehmen und entsprechende Ersatzpapiere auszustellen, müssen im Rahmen der bilateralen und europäischen Zusammenarbeit durch diplomatischen, notfalls auch massiven politischen Druck dazu bewegt werden, ihre Praxis zu ändern.
Die Bundesländer sind aufgerufen, die möglichen und notwendigen Rückführungen, für die sie zuständig sind, ausnahmslos auch unverzüglich und konsequent durchzuführen. Dies ist bisher noch immer nicht überall gewährleistet.
Flüchtlingszustrom reduzieren
Aber auch der weitere Zustrom von Flüchtlingen nach Europa muss deutlich nachlassen. Eine Überforderung unserer Gesellschaft birgt die Gefahr eines Erstarkens von politischen Kräften in sich, die unser freiheitliches Gesellschaftssystem nachhaltig gefährden könnten.
Wir unterstützen deshalb die Anstrengungen für eine wirksame Sicherung der EU-Außengrenzen, die Bekämpfung der Fluchtursachen, bilaterale Absprachen mit den wichtigsten Transitländern, insbesondere der Türkei, und finanzielle Unterstützung für die Staaten in den Flüchtlingsregionen, wohin die mit Abstand meisten Menschen geflohen sind – vor allem die Türkei, Jordanien und Libanon. Es ist für die Menschen humaner, materielle Hilfe, Unterbringung und Schutz nahe der Heimat der Flüchtlinge zu erhalten, als von skrupellosen Schlepperbanden auf lebensgefährliche Fluchtwege über das Mittelmeer und die Balkanroute gezwungen zu werden.
Schnelle und konsequente Integration in Ausbildung und Arbeit
Die Menschen, die zu Recht für längere Zeit oder für immer bei uns bleiben, müssen wir bestmöglich in Ausbildung, Beschäftigung und die Gesellschaft insgesamt integrieren. Die Wirtschaftsverbände, Kammern und Unternehmen haben dazu bereits eine Vielzahl an Initiativen auf den Weg gebracht. Aus den ersten Erfahrungen wissen wir: Viele Flüchtlinge sind besonders motiviert, den Sprung in eine Beschäftigung, Ausbildung oder ein Studium bei uns zu schaffen. Wir wissen inzwischen aber auch, dass dies bei vielen Flüchtlingen eine große und schwierige Herausforderung wird. In der Regel fehlende Sprachkenntnisse, nur selten vorhandene, für unseren Arbeitsmarkt verwertbare Kenntnisse und Qualifikationen sowie die Unkenntnis unseres Bildungs- und Ausbildungssystems sind wesentliche Hürden.
Viele wichtige Verbesserungen, damit Integration von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive in den Arbeitsmarkt gelingen kann, hat die Bundesregierung gerade auch auf Drängen der Wirtschaft bereits auf den Weg gebracht. Weitere wichtige Weichenstellungen sind jedoch erforderlich. Dazu haben BDA, BDI und ZDH umfassende Vorschläge vorgelegt. Insbesondere kommt es jetzt darauf an:
- Integrationskurse – inklusive Vermittlung der Werteordnung und demokratischen Rechtsordnung – für alle Asylbewerber mit Bleibeperspektive und Geduldete effektiv und vollständig zu öffnen und verpflichtend zu machen,
- auch an Schulen und Berufsschulen ausreichende Sprachförderangebote zur Verfügung zu stellen. Notwendig sind zudem eine bundesweite Schulpflicht nach drei Monaten, ein bedarfsgerechter Ausbau von Willkommens- und Sprachlernklassen und eine Sprachförderung für Kinder und Jugendliche bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Durch individuelle Verlängerung der Schulpflicht über das 18. Lebensjahr hinaus kann die Perspektive auf einen Schulabschluss verbessert werden.
- für Asylbewerber mit Bleibeperspektive und Geduldete – auch über 21 Jahre – den Ausbildungsaufenthalt bundesweit einheitlich und von vornherein verlässlich zu sichern und die Aussichten auf einen gesicherten Aufenthalt bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zu verbessern,
- für Asylbewerber mit Bleibeperspektive den Zugang zu allen Förderleistungen der Berufsausbildung ab Abschluss eines Ausbildungsvertrages und nicht erst nach 15 Monaten Aufenthalt zu ermöglichen,
- den Einsatz von Orientierungspraktika und Einstiegsqualifizierungen sowie den Einstieg in Beschäftigung zu erleichtern,
- das Beschäftigungsverbot in der Zeitarbeit – unabhängig von der jeweiligen Qualifikation – von Beginn an grundsätzlich aufzuheben.
Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens anerkennen
Integration ist keine Einbahnstraße. Flüchtlinge müssen Werte und Regeln unserer Demokratie und offenen Gesellschaft anerkennen. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau etwa oder das Gewaltmonopol des Staates darf niemand unter Hinweis auf seine eigene Kultur oder Religion infrage stellen. Raub oder sexuelle Belästigung, Bedrohung und Gewalt haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Entsprechende Taten müssen ohne Ansehen der Person und unabhängig von der Herkunft der Täter konsequent bestraft werden. Die Hürden zur Abschiebung von verurteilten Straftätern müssen abgesenkt werden."
Text:
Lars Otten /
handwerksblatt.de
Kommentar schreiben