Die Helfer von Deathcare sahen unfassbares Leid. Das Erdbeben hat Familien zerstört, ausgelöscht, Eltern ihrer Kinder beraubt und Kinder zu Waisen gemacht.

Die Helfer von Deathcare sahen unfassbares Leid. Das Erdbeben hat Familien zerstört, ausgelöscht, Eltern ihrer Kinder beraubt und Kinder zu Waisen gemacht. (Foto: © Deathcare Embalmingteam Germany e.V.)

Vorlesen:

Erdbeben: Bestatter geben den Toten ihren Namen zurück

Im Erdbebengebiet der Türkei haben die Bestatter von Deathcare bis zu 300 Verstorbene täglich ­umsorgt und die Familien begleitet. Bestattermeister Daniel Niemeyer berichtet vom Einsatz der ehrenamtlichen Helfer im Katastrophengebiet.

Noch am 6. Februar, dem Montag, an dem die Erde in der Türkei und Syrien jüngst erstmals bebte, bekundete das ehrenamtliche Deathcare Embalmingteam Germany seine Hilfsbereitschaft gegenüber einem Türkischen Generalkonsulat. "Dann ging alles rasend schnell", berichtet Bestattermeister und Deathcare-Pressesprecher Daniel Niemeyer. Auf Einsätze bei Unfällen und in Katastrophengebieten ist der gemeinnützige Verein vorbereitet.

Foto: © Deathcare Embalmingteam Germany e.V.Foto: © Deathcare Embalmingteam Germany e.V.

Ein Container mit Werkzeugen, Arbeitsgeräten und Materialien steht am Flughafen Münster-Osnabrück immer startklar bereit. Schon am Freitag saß das erste Team im Flugzeug nach Kahramanmaras¸ mit Zwischenstopp in Istanbul: Einsatzleiter Markus Maichle mit 13 Bestatterkollegen aus ganz Deutschland, zwei Dolmetschern und Organisatoren. Der türkische Innenminister empfing sie am Flughafen.

Die ­Reise ging weiter in das schwer verwüstete Gebiet in Richtung Gaziantep. Dort kontaktierte die Gruppe Polizei, Staats­anwaltschaft und Gerichtsmedizin. Sogleich begann die Arbeit in Kooperation mit den anwesenden Rettungsorganisationen, auch zu deren psychischer und physischer Entlastung.

Deathcare ist zur Stelle, wenn Tote aus den Trümmern geholt werden, wenn es nicht mehr um Lebensrettung geht. 150 bis 300 Leichen barg das Team täglich behutsam aus dem Schutt eingestürzter Gebäude. Die verletzten Körper wurden würdevoll versorgt, desinfiziert und zur Identifikation durch Angehörige vorbereitet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Rasches Handeln dient dem Seuchenschutz

Foto: © Deathcare Embalmingteam Germany e.V.Foto: © Deathcare Embalmingteam Germany e.V.

In Absprache mit der Regierung übergaben die Bestatter die Toten auf neu angelegten Friedhöfen an ihre türkischen Kollegen. Diese konnten sich nun rund um die Uhr auf die Beisetzungen nach der islamischen Religion konzentrieren. "Als Mediziner, Forensiker, Psychologen und Bestatter sind wir mit Tod und Trauer in unserem Arbeitsalltag vertraut", sagt Niemeyer.

Jedoch auch die Profis waren von dem Erlebtem bewegt: Etwa als drei Kindern im Alter von fünf bis acht Jahren zur großen Leichenhalle kamen, um ihre Eltern zu suchen. Man fand sie dort. Die Geschwister mussten erfahren, dass sie Waisen geworden waren.

Aber es gab auch das freudige Ereignis, als nach über zehn T­agen eine junge Frau in einem Hohlraum lebend gefunden wurde, die bei ihrer Entdeckung winkte. Die Belastung der Handwerker war ebenso körperlich höchst anstrengend; individuelle Hygiene in der zerstörten Stadt ist nicht möglich. Es gab nur wenige Stunden Schlaf in der zur Unterkunft umfunktionierten Eissporthalle. Aber: "Die Arbeit stieß auf große Dankbarkeit der Menschen. Sie gaben Essen und Wasser, obwohl sie teils selbst alles verloren hatten", so Niemeyer.

Nachdem offizielle Stellen eine Verlängerung des Einsatzes angefordert hatten, reiste das zweite Team eine Woche später als Ablösung an. Es bestand aus Leiter René Strawinski, insgesamt zehn Bestattern und einem Dolmetscher.

Das bundesweite Medieninteresse an der Freiwilligenarbeit war enorm. Rund um die Uhr gingen Anfragen von Journalisten beim Pressesprecher ein. Der Zweck von Deathcare bestehe in der Hilfeleistung, erklärt er dann. "Es ist unser Anliegen, den Verstorbenen ihren Namen zurückzugeben. Nur so ist eine würdige Bestattung möglich."

Deathcare wird überall tätig, wenn dies gewünscht wird

Foto: © Deathcare Embalmingteam Germany e.V.Foto: © Deathcare Embalmingteam Germany e.V.

Dieser Fokus umfasse auch den sensiblen und respektvollen Umgang mit den trauernden Hinterbliebenen. So habe sich der Verein hohe moralische Standards gesetzt und wolle den Teamgedanken der 72 aktiven Helfer umsetzen. Das Team fängt sich auf, unterstützt sich gegenseitig und kann so die Kraft zum Weitermachen schöpfen. Was als loser Zusammenschluss 1999 auf Initiative von Bestattermeister Dieter Sauerbier begann, führte 2005 zur Gründung eines weltweit einzigartigen Vereins.

Deathcare wird grundsätzlich überall tätig, wenn dies gewünscht wird. "Die 2021 bei offiziellen Stellen angebotene Hilfe nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wurde nicht angenommen", antwortet Niemeyer den Stimmen, die ihn jetzt über Soziale Medien fragen, wo die Helfer damals gewesen seien.

Für das professionelle Vorgehen sorgt vereinsinternes Know-how; viele Mitglieder haben Erfahrung aus Rettungsdiensten, Bundeswehr, Feuerwehr oder Technischem Hilfswerk. Zu den 77 Fördermitgliedern gehört der Bundes­verband Deutscher Bestatter, dessen Vizepräsident Maichle ist. "Qualifizierter Nachwuchs – Thanatopraktiker, Bestattergesellen und -meister – sind im Deathcare Embalmingteam Germany willkommen", lädt Niemeyer zur Mitarbeit ein. deathcare.de

DHB jetzt auch digital!Einfach hier klicken und für das digitale DHB registrieren!

Text: / handwerksblatt.de

Das könnte Sie auch interessieren: