Wohnungsbau: Krisenstimmung im Baugewerbe
295.300 Wohnungen wurden in Deutschland 2022 gebaut. Deutlich weniger als die von der Ampel angestrebten 400.000 Wohnungen. Entsprechend düster ist die Stimmung im Baugewerbe. Die Branche erwartet "Wohnungsnot und Kurzarbeit".
Heute hat das Statistische Bundesamt die Zahlen zum Wohnungsbau veröffentlicht. Demnach wurden im Jahr 2022 in Deutschland 295.300 Wohnungen gebaut. Das waren 1.900 Wohnungen oder 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr, aber deutlich weniger als 2020 (306.400 Wohnungen). Das Ziel der Ampel-Koalition, jährlich 400.000 neue Wohnungen in Deutschland zu bauen, wurde damit nicht erreicht.
Heute hat auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) die Ergebnisse seiner Frühjahrsbefragung von 1.500 Bauunternehmen vorgestellt. Und die Lage in den Unternehmen ist entsprechend angespannt. ZDB-Präsident Reinhard Quast spricht von einem "giftigen Cocktail aus Fehlern in der Förderpolitik zu Beginn der Legislaturperiode, steigenden Bauzinsen und steigenden Materialpreisen". Das führe bei 76 Prozent der befragten Unternehmen zu einer negativen Konjunktureinschätzung im Wohnungsbau.
Die aktuellen Zahlen im Wohnungsbau seien noch schlechter als 2022. Für 2023 rechnet der Baugewerbeverband mit rund 245.000 neu fertig gestellten Wohnungen. Kurzarbeit und Beschäftigungsabbau, aber auch Wohnungsnot und hohe Mieten würden drohen, so Quast. Der Wohnungsbau halte der steigenden Nachfrage nicht Schritt.
Die Baupreise steigen, die Zinsen auch: Bauwillige seien verunsichert und/oder könnten es sich schlichtweg nicht leisten, zu bauen. "Auch Investoren können in der aktuellen Situation ihre Kosten durch die Mieten nicht mehr decken. So können die Wohnungsbauziele nicht erreicht werden", kritisiert der Unternehmer.
Weniger Investitionen bei sinkender Nachfrage nach Bauleistungen
Nicht nur im Wohnungsbau, sondern auch insgesamt erwarten die Bauunternehmen in den kommenden Monaten eine weiter sinkende Nachfrage nach Bauleistungen mit negativen Auswirkungen auf die Investitionsabsichten der Betriebe.
- 20 Prozent der Unternehmen beurteilten ihre Lage als gut (2022: 44 Prozent )
- rund 40 Prozent urteilen mit befriedigend und
- etwa 35 Prozent schätzen ihre Lage als schlecht ein.
- Das Urteil "schlecht" hat sich im Vergleich zum Vorjahr (17 Prozent ) mehr als verdoppelt.
Auch die Stimmung im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau sinkt gegenüber dem Vorjahr:
- Im Frühjahr 2022 bewerteten noch über 30 Prozent im Wirtschaftsbau und
- über 20 Prozent im öffentlichen Hochbau ihre Lage positiv.
- Heute sind es im Wirtschaftsbau nur noch 16 Prozent und
- im öffentlichen Hochbau 13 Prozent .
Auch die Umsatzerwartungen fallen gegenüber dem Vorjahr zurück:
- Rund 60 Prozent der Unternehmen erwarten rückläufige Umsätze.
- Im Wohnungsbau rechnen fast 70 Prozent und
- im Wirtschaftsbau und öffentlichen Bau gut 60 Prozent der Unternehmen mit Umsatzrückgängen.
Fachkräftemangel: Betriebe wollen ihre Beschäftigten halten und mehr ausbilden
Trotz der schlechten Umsatzerwartungen wollen laut der ZDB-Konjunkturumfrage über 70 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigtenstand halten. Präsident Quast wundert das nicht. "Die Unternehmen wissen, dass sie die Fachkräfte nicht von heute auf morgen zurückbekommen, wenn die Nachfrage wieder anzieht."
Das Bauhauptgewerbe habe in den vergangenen zehn Jahren mehr als 200.000 Arbeitsplätze geschaffen. Quast: "Leider kommt dieser kontinuierliche Aufbau jetzt mindestens zum Erliegen. Die Zahl derer, die noch Kapazitäten aufbauen können (14 Prozent) deckt sich mit der Zahl der Unternehmen, die mit einem Abbau rechnen. Das ist angesichts des großen Bedarfs an Bauleistungen in allen Bereichen vom Wohnungsbau, über den Klima-und Umweltsektor bis hin zum Ausbau und Erhalt unserer Infrastruktur keine gute Entwicklung."
Die Unternehmen wollen auch weiter ausbilden. 26 Prozent der Befragten wollen mehr Lehrlinge einstellen und rund 62 Prozent den Lehrlingsbestand halten.
Wie können die Probleme im Wohnungsbau gelöst werden?
Angesichts der Probleme im Wohnungsbau fordert Quast "mehr Augenmaß und Realismus". Er kritisiert "überbordende und zu detaillierte Auflagen und Vorschriften", die verhindern würden, dass Architekten und Planer sowie Bauunternehmen gute und kostengünstige Lösungen entwickeln.
Die Bestandsgebäude in Deutschland würden zeigen, "dass es früher auch mit weniger ging". "In den letzten Jahren müssen wir aber eine deutliche Inflation an kostentreibenden Vorschriften feststellen. So führen immer detailliertere Reglungen auch zu weniger Nachhaltigkeit: Alleine durch veränderte Schallschutzanforderungen können erhebliche Mengen Baustoffe gespart und der CO2-Verbrauch vermindert werden", betont Quast.
Bauherren, Architekten und Bauunternehmen müssten individuell vom Normenwerk abweichen können. "Sowohl Neubau als auch Sanierung müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Umwelt- und Klimazielen stehen."
IG BAU erwartet weiteren Rückgang
IG BAU-Chef Robert Feiger Foto: © IG BAU (Alexander Paul Englert)Die IG-BAU erwartet angesichts der Wohnungsbauzahlen "ein Desaster auf dem Wohnungsmarkt". IG BAU-Chef Robert Feiger sagt: "Ohne politisches Eingreifen steht Deutschland schon ab dem kommenden Jahr eine scharfe Rezession im Wohnungsbau bevor. In 2024 droht die Zahl der Baufertigstellungen unter die 200.000er-Marke abzustürzen."
Die Gewerkschaft fordert eine massive Aufstockung der Fördergelder für den Wohnungsbau bis Ende 2015: 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau als Sondervermögen und 22 Milliarden Euro für den bezahlbaren Wohnungsbau. Nur so könne ein "Gau am Bau" verhindert werden. Auch die IG-BAU ist für einen Abbau von unnötigen Auflagen und Vorschriften um das Bautempo zu beschleunigen.
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Text:
Kirsten Freund /
handwerksblatt.de
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