Konfrontation eines alten Mannes mit französischen Soldaten vor dem Hauptbahnhof in Essen, 1923.

Konfrontation eines alten Mannes mit französischen Soldaten vor dem Hauptbahnhof in Essen, 1923. (Foto: © Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv)

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"Hände weg vom Ruhrgebiet"

Ausstellung: Das Ruhr Museum auf der Zeche Zollverein zeigt historische Dokumente zur Ruhrbesetzung.

Wer ins Ruhrgebiet kommt, sollte unbedingt einen Abstecher zur Zeche Zollverein in Essen machen. Neben einem lohnenden Rundgang über das ehemalige Zechengelände und UNESCO-Welterbe vor eindrucksvoller Industriekulisse ist im dort angesiedelten Ruhr Museum aktuell eine kleine, aber feine Ausstellung zur Ruhrbesetzung mit dem Titel "Hände weg vom Ruhrgebiet" zu empfehlen. Zum geschichtlichen Hintergrund: Die Ruhrbesetzung war ein Nachspiel des Ersten Weltkriegs. Dabei ging es um nicht geleistete Reparationsverpflichtungen Deutschlands, die französische und belgische Truppen auf den Plan riefen. Sie besetzten 1923 das Revier als wirtschaftlich und strategisch bedeutsame Region.

60.000 Franzosen und Belgier besetzen das Ruhrgebiet

Die Ruhrbesetzung bildete den Auftakt eines Krisenjahres, das von Inflation, Umsturzversuchen, Gewalt, Armut und Arbeitslosigkeit geprägt war. Der Einmarsch ins Revier mitten im Frieden trug Züge einer Kriegsbesetzung: Rund 60.000 Franzosen und Belgier rückten mit Panzern, Infanterie, Kavallerie, Fahrrad- sowie Maschinengewehreinheiten in die Städte des Ruhrgebiets ein. Die Folge: Die im 19. Jahrhundert so prosperierende Region geriet an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belastbarkeit.

Die deutsche Regierung rief den passiven Widerstand aus und stellte alle Reparationszahlungen ein, was auf der anderen Seite zu Gegenmaßnahmen der Besatzer führte. Ausgangssperren, Verhaftungen und Ausweisungen ins unbesetzte Gebiet ließen nicht lange auf sich warten. Eine Spirale der Gewalt kam in Gang, die zwar im Sommer 1925 mit dem Abzug der Besatzungstruppen endete, sich jedoch als schwere Hypothek für die junge Republik erweisen sollte.

Über 200 Exponate als Zeitdokumente

Anhand von mehr als 200 Exponaten wird die Zeit der Ruhrbesetzung nachvollziehbar gemacht. Fotografien, seltenes Filmmaterial, Postkarten, Flugblätter, Plakate, Ausweise und weitere Dokumente zeugen von den Erfahrungen der Menschen und den Ereignissen vom Einmarsch der Truppen im Jahr 2023 bis zu den Feierlichkeiten aus Anlass des Abzugs 1925.

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Foto: © Stadtarchiv/Bochumer Zentrum für StadtgeschichteFoto: © Stadtarchiv/Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Exponate zum Verkehrssektor. Aufgrund der Verweigerung einer Kooperation sahen sich die Franzosen gezwungen, binnen kürzester Zeit eine Eisenbahn unter eigener Regie zu realisieren, was aufgrund der Komplexität des Gleissystems zu zahlreichen Unfällen und Störungen führte. Fahrpläne und Schaffneruniformen aus der Zeit zeugen von diesem Konflikt der konkurrierenden Verkehrssysteme.

Verarmung und Arbeitslosigkeit

Der von der Ruhrindustrie und vom Reich finanzierte passive Widerstand ruinierte die deutsche Währung vollends. Die Hyperinflation führte zu einer völligen Verarmung weiter Teile der Bevölkerung, die Arbeitslosigkeit erreichte bislang unbekannte Ausmaße. Die Not der Menschen wird am Beispiel zahlreicher Exponate nachvollziehbar. Doch zeigt die Ausstellung auch den Propagandakrieg um die öffentliche Meinung, der in massenhaft publizierten Flugblättern und in zum Teil rassistischen Plakaten dokumentiert ist.

Die Ausstellung schließt mit dem Abzug der Truppen und der Gedenkkultur, die die Ruhrbesetzung vor allem im Vorfeld der nationalsozialistischen Machtergreifung in Gang gesetzt hat. Auch unter diesem Aspekt ist die bis zum 27. August andauernde Galerieausstellung im Ruhr Museum unbedingt sehenswert.

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Text: / handwerksblatt.de

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