Das Eiskratzen im Winter oder das Reinigen der Scheiben vor der Fahrt sind laut Gericht vorbereitende Tätigkeiten für den versicherten Weg

Das Reinigen der Scheiben oder das Eiskratzen im Winter vor der Fahrt sind laut Gericht vorbereitende Tätigkeiten für den versicherten Weg (Foto: © tan4ikk/123RF.com)

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Arbeitsunfall: Autoscheibe wischen gehört zum Arbeitsweg

Ein Bäcker wollte die Windschutzscheibe seines Autos säubern, stürzte dabei und brach sich einen Finger. Weil er gerade zum Job fahren wollte, ist das ein Arbeitsunfall, entschied das Sozialgericht Hamburg.

Arbeitnehmer sind im Job gesetzlich unfallversichert. Auch auf dem Weg zur Arbeit und beim Gang zur Kantine werden Unfälle als sogenannte Wegeunfälle von der Berufsgenossenschaft abgedeckt. Wer aber den Arbeitsweg unterbricht, um privat etwas zu erledigen, ist ohne gesetzliche Unfallversicherung unterwegs. Dabei müssen Gerichte immer wieder urteilen, wo genau die Arbeit endet und das Privatleben beginnt. Wer vor Antritt der Fahrt zum Job die Windschutzscheibe säubern will und sich dabei verletzt, ist gesetzlich unfallversichert, entschied nun das Sozialgericht Hamburg.

Der Fall

Ein Bäcker verließ nachts seine Wohnung, um zur Arbeit zu fahren. An diesem Morgen gab es viel Laub und Schmutz auf den Scheiben seines Autos. Bevor er losfahren konnte, reinigte er die Autoscheiben. Dabei stolperte er über eine Bordsteinkante. Bei dem Sturz brach er sich einen Finger.

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Der Bäcker beantragte bei der Berufsgenossenschaft, dass sein Unfall als Wegeunfall anerkannt wird. Die Unfallkasse lehnte den Antrag ab und argumentierte, der Unfall gehöre nicht zum Schutzbereich der Wegeunfallversicherung. 

Das Urteil

Das Sozialgericht (SG) Hamburg sah das anders und erkannte den gebrochenen Finger als Wegeunfall an. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gilt ein Ereignis als Wegeunfall, wenn die versicherte Haupttätigkeit und das Zurücklegen des Arbeitswegs miteinander verbunden sind. Entscheidend ist laut Gericht ein sachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Handlung, die zum Unfall führte.

Das SG musste hier prüfen, ob die Handlung – also das Scheibenwischen – innerhalb der Grenze liegt, bis zu der der gesetzliche Versicherungsschutz reicht. Das Gericht stellte klar, dass nicht der Weg als geografische Strecke versichert ist, sondern die Handlung des "Sichfortbewegens" auf diesem Weg.

Auch Vorbereitung ist versichert

Es handelt sich hier laut SG um eine einheitliche, versicherte Vorbereitungshandlung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Zu den versicherten Tätigkeiten gehörten nämlich auch Handlungen, die das Zurücklegen des Wegs erst ermöglichen oder sichern, beispielsweise das Eiskratzen im Winter oder das Reinigen der Scheiben vor der Fahrt. Diese Handlungen sind laut Gericht keine privaten Tätigkeiten, sondern sie gelten als vorbereitende Tätigkeiten für den versicherten Weg, da sie direkt mit dem Fortbewegen zur Arbeit im Zusammenhang stehen.

Es gab hier auch keine erhebliche Unterbrechung auf dem Arbeitsweg, da der Vorgang nur wenige Minuten dauerte und der Bäcker keine andere, unversicherte Tätigkeit ausübte. Der Fingerbruch war damit gesetzlich unfallversichert, die Berufsgenossenschaft musste zahlen.

Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 20. Juni 2025, Az. S 40 U 140/23 D

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Text: / handwerksblatt.de

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