Handwerk

Foto: © Annchen Witt

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Feinste französische Stickereien

Seit mehreren Jahrhunderten spielt das feine Handwerk der Stickerei eine der Hauptrollen im französischen Städtchen Sarrebourg-Lunéville.

Sarrebourg- Lunéville in Lothringen ist wegen der Nähe zu Deutschland gefragt und wird unter Kennern als Geheimtipp gehandelt. So werden Reisen in die vom Massentourismus verschonten Regionen gern unternommen und führen auf schmalen Straßen zu traditionellen Handwerksbetrieben, zu touristische Attraktionen und bieten ein Höchstmaß an Authentizität. Sehenswürdigkeiten, wie der 664 Meter hohe Felsen von Dabo und das monumentale Kirchenfenster von Chagall in Sarrebourg lassen Natur und Kunst zu einer einzigartigen Symbiose verschmelzen. Eines der Glanzlichter ist Lunéville, ein  geschichtsträchtiges Städtchen mit dem Schloss von Herzog Stanislas König von Polen, späteren Herzog von Lothringen. Diese imposante Anlage, lobte Voltaire als "kleines Versailles". Auf ausgetretenen Steinen kann das Schloss, welches 2003 durch einen Brand zerstört wurde, wieder im glänzenden Ambiente besucht werden.  

Zu Besuch bei der Gründerin im Stickerei Konservatorium

HandwerkDer kleine Eingang des rechten Seitenflügels ist zwar leicht zu übersehen, nicht so Madame Maryvonne, die hier ein Stickerei Konservatorium gründete. "Sticken ist schon immer meine Leidenschaft gewesen", erzählt sie. "So sind wir glücklich, auf dem verbliebenen Bestand aufbauen zu können. Aber das Wesentliche für mich ist: " Die lebendige Stickerei als Tradition zu pflegen und den nachfolgenden Generationen weiterzuvermitteln." "Lunéville und Stickerei, das ist doch eins", ruft sie und demonstriert im nächsten Moment, das feine Sticken. Zu verdanken sei das auch Stanislas, der süchtig, modebewusst gewesen sein soll und über prall, gefüllte Ankleideschränke verfügte. Seit dem 17. Jahrhundert waren lange Zeit,  Abnehmer der kostbaren Handarbeiten die Kirche, die Klöster oder deren Gönner. Später setzte sich die "Broderie" auch in der Kleidung durch. Stanislas sei dabei ein Vorreiter gewesen und beschäftigte eigene Hofsticker, die Aufschläge und Schärpen kunstvoll verzierten. Ursprünglich kam die verwendete Technik mit der super feinen Häkelnadel, genannt "Crochet" aus England. 

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Echte Handarbeit hat ihren Preis

Ab 1816 setzte sich die weiße Stickerei, die eine Art Relief bildet, der "Point de Lunéville", genannt, durch und gelangte zu internationalem Ansehen. Echte Handarbeit hat seinen Preis gegenüber der zunehmenden, maschinellen Fertigung. Dank eines findigen Unternehmers eroberten die Hand-Stickerinnen aus Lunéville ab 1880 einen Luxus-Markt, nämlich die "Haute Couture". 1865 ließ Louis Ferry die Stickerinnen Perlen auf einen Faden ziehen. Von links fixierten die Frauen diese mit Hilfe des Crochets, (Häkelnadel) quasi blind auf feines weißes Gewebe. Jugendstil und die Mode der 20er Jahre erhöhten die Nachfrage nach Perlstickerei. "Nach dem Ersten Weltkrieg sollen sogar fast 24. 000 Stickerinnen im Arrondissement Lunéville", gearbeitet haben, weiß Maryvonne.  Nach 1929 sei die Produktion stark zurückgegangen, doch Dior, der große Name der Haute Couture habe Spuren hinterlassen. In abgedunkelten Räumen sind prachtvolle, glitzernde Roben zu sehen. Meistens kamen nun Aufträge von Varietés, die die sogenannten Kleider des Lichts bestellten, von wild-fantastisch bis hin zu schrill-kitschig, aber unendlich aufwendig gearbeitet und immer schön.

Vom Aussterben bedroht

Auf dem Rundgang entdeckt manch ein Liebhaber sein Faible für die feinen Handarbeiten und kann auch käuflich erwerben, das was Maryvonne mit ihren Schülern kreiert. Ebenso sei das Plissieren, eine bedeutende Handwerkskunst, vom Aussterben bedroht. Es werden dicke, gefaltete Kartons zum Pressen von Stoffen verwendet. Das Ganze wird beschwert und unter Dampf gesetzt. Die eigentliche Kunst dabei sei das korrekte und aufwendige Falten des Kartons, was hier erlernt werden kann. Zum krönenden Abschluss auf den Spuren der Stickerinnen, darf ein typisches Gericht, wie eine Quiche Lorraine nicht fehlen und kann im romantischen Garten der Domaine de Stanislas mit einem edlen Wein "Vin Gris", der im Bereich Côte de Toul gekeltert wird,  probiert werden.
Wer weiter auf den Spuren des Handwerks wandeln möchte, kann die Kristallfabrik "Lehrer" zwischen dem einzigartigen Schiffshebewerk in Europa von Saint-Louis/ Arzveiler, welches 17 Schleusen ersetzt, besuchen und das Können der Kristallschleifer hautnah erleben. Nicht zu vergessen ist die Königliche Steingutfabrik in Saint Clement, wo feinste Steingutwaren in echter Handarbeit hergestellt werden und an elegante Goldschmiedekunst erinnern. Zum Relaxen gibt es eine historische Waldeisenbahn, die seit 1885 zum Holztransport des Donon – Massivs entlang der roten Saar durch die Wälder gebaut wurde und seit 1968 als Touristenattraktion erneut bis zum Weiler Grand-Soldat, dem Geburtsort des Romanautors  Alexandre Chatrian, schnauft. Ein Erlebnis für Groß und Klein.

Fotos: @ Annchen Witt

Text: / handwerksblatt.de

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