In der Regel könnten Chat-Gruppen nicht darauf vertrauen, dass nichts nach außen dringt.

Chat-Gruppen dürfen nicht darauf vertrauen, dass nichts nach außen dringt. (Foto: © Kirill Smyslov/123RF.com)

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Kündigung wegen Hetze in einer Chatgruppe

Wer in einer Chatgruppe über Kol­le­gen und Vorgesetzte beleidigend und menschenverachtend herzieht, kann fristlos gefeuert werden. Man dürfe nicht darauf vertrauen, dass die Worte vertraulich blieben, urteilte das Bundesarbeitsgericht.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass Teil­neh­me­r von Chatgruppen nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihre beleidigenden, rassistischen, sexistischen und zu Gewalt aufstachelnden Worte über Kollegen und Vorgesetzte nicht nach außen dringen. Daher war die fristlose Kündigung gegen Mitarbeiter eines Unternehmens wirksam.

Der Fall

Seit 2014 hatten sich sechs Kollegen in einer Chatgruppe ausgetauscht. Oft ging es um Fußball, immer wieder auch um Unzulänglichkeiten von Kollegen, Be­triebs­rä­ten und Vorgesetzte. Regelmäßig kam es zu Mord- und Vergewaltigungsfantasien. Zitate wie "Unter Hitler würde die Welt besser laufen" zeigen ihre politische Heimat. Über Umwege kam der Chat zum Personalleiter, der drei Mitarbeiter nach einer Anhörung fristlos kündigte.

Die Betroffenen klagten dagegen. Sie meinten, dass ihre Chats den Betriebsfrieden nicht gestört hätten. Niemand hätte vorgehabt, jemand zu ermorden. Sie hätten sich darauf verlassen, dass man als Freunde "unter sich" bleibe.

Mit dieser Argumentation hatten sie in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Sowohl das Arbeitsgericht Hannover als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hielten die fristlosen Kündigungen für unwirksam.

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Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht sah das aber anders und bestätigte die Kündigungen als wirksam. In der Regel könnten Chatgruppen nicht darauf vertrauen, dass nichts nach außen dringe. Das liege schon an der Technik, die auf die schnelle Weiterleitung von Nachrichten ausgelegt sei. Außerdem komme es auf den Inhalt der Nachrichten an. Bei beleidigenden, rassistischen, sexistischen und zu Gewalt aufstachelnden Worten sei damit zu rechnen, dass jemand etwas weitergebe.

"Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben", so das BAG wörtlich.

Die Erfurter Richter verwiesen den Fall an die Vorinstanz zurück. Dort müssen die drei Mitarbeiter noch einmal Argumente vorbringen, warum sie bei ihrer Gruppe mit dauerhafter Vertraulichkeit rechnen konnten.

Praxistipp

"Nur unter engsten Freunden und Familienmitgliedern darf ich äußern, was ich möchte, und kann ich mir sicher sein, dass eine Verwertung dieser Äußerungen durch Dritte nicht erfolgen darf", bewertet Arbeitsrechtsanwalt Prof. Michael Fuhlrott die Entscheidung. Äußerungen im Chat mit Kollegen, selbst wenn mit diesen eine Freundschaft bestehe, fielen nicht darunter. Je größer die Chatgruppe werde, umso schwerer dürfte es sein, die vom Gericht geforderte strikte und auf Dauer angelegte Vertraulichkeit zu beweisen, schätzt der Hamburger Arbeitsrechtler. "Das Bundesarbeitsgericht macht auch deutlich, dass gerade bei sozialen Medien die Gefahr einer schnellen und unkontrollierten Weiterverbreitung von Äußerungen besteht. Wenn sich ein Arbeitnehmer in einem solchen Fall gleichwohl auf Vertraulichkeit berufen möchte, muss er genau darlegen, warum er davon ausging", sagt Fuhlrott zusammenfassend.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023, Az. 2 AZR 17/23 

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Text: / handwerksblatt.de

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