Aufgeraut hält besser
Ein neues Verfahren, um Metalle miteinander zu verbinden, haben Forscher an der Uni Kiel entwickelt. Kern ist ein gezieltes Aufrauen der Oberflächen.
Schweißen, kleben, löten – Fügeverfahren gibt es mehrere. "Für Metalle ist das Schweißen immer noch die Standardtechnik", weiß Professor Dr. Rainer Adelung von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. "Aber leider lässt sich das aufwendige Verfahren nicht immer einsetzen." Die erforderlichen hohen Temperaturen können das Material rund um die Schweißstelle strukturell schädigen, es verziehen und farblich verändern. Außerdem entsteht eine Naht, die nachbearbeitet werden muss. Ebenso nehmen lackierte Oberflächen in der direkten Umgebung Schaden. Zudem muss das Material ausreichend dick sein, man kommt mit dem Schweißgerät schlecht in Ecken, der Schweißer muss besonders ausgebildet sein und Schutzkleidung tragen. "Wir haben daher das ‚Metalangelo-Verfahren’ entwickelt, das all diese Schwierigkeiten nicht kennt", so der Physiker und Leiter der Arbeitsgruppe "Funktionale Nanomaterialien" der Universität.
Kern des Metalangelo-Systems ist das Nanoscale Sculpturing-Verfahren, mit dem in einer sogenannten Ätzzelle, einem kleinen Werkzeug, bei Raumtemperatur gezielt die Metalloberfläche aufgeraut wird, die später verbunden werden soll. Die Ätzzelle ist mit einem transportablen, koffergroßen Werkzeug verbunden, in dem der Elektrolyt für die elektrochemische Ätzung und der Steuercomputer untergebracht sind. "Solche Ätzzellen fertigen wir im 3D-Druck für jede Anwendung einzeln", erklärt Adelung. So lässt sich jede noch so komplizierte geometrische Situation bearbeiten, auch zum Beispiel über Kopf.
Anwendungen im Schiffs- oder Automobilbau
Durch das Ätzen entsteht auf Mikrometerebene eine feine, quaderförmige Widerhakenstruktur. "Mit dieser Verzahnung lassen sich dann Metallteile mit einem Klebstoff mit extremer Festigkeit verbinden ohne das typische Problem von adhäsivem Versagen unter Last." An eine Alurosette von 28 Millimetern Durchmesser ließen sich etwa 1,75 Tonnen Gewicht hängen, ohne dass die Verbindung versagt", verdeutlicht Dr. Ing. Mark-Daniel Gerngroß, Materialwissenschaftler und einer der Erfinder des Verfahrens. Eher würde das Werkteil oder der Klebstoff selbst versagen als die Verbindungsstelle zwischen beiden. Für Aluminium und Aluminium-Legierungen haben die Wissenschaftler das Nanoscale-Sculpturing-Verfahren bereits patentieren lassen. "Auch Materialien wie Teflon oder Silikon lassen sich auf diese Weise mit Aluminium verbinden", so die Forscher. Gemeinsam mit der Phi-Stone AG hat das Team das Verbindungsverfahren in die mobile und ganz einfach zu bedienende Fügestation "Metalangelo" umgesetzt, die sich in Handwerk und Industrie nutzen lässt. "Mit dem Namen wollen wir an Michelangelo erinnern, der ja auch Oberflächen gezielt bearbeitet hat", schmunzelt Adelung. Die Oberflächenbearbeitung läuft voll automatisiert und nur wenige Handgriffe sind notwendig für eine perfekte Klebeverbindung.
Anwendungen sehen die Forscher etwa im Schiffsbau, im Automobilbereich oder auch im Wintergartenbau – überall dort, wo Aluminiumbauteile verwandt werden. Besonders gut geeignet sei das Verfahren, um Bauteile nachträglich in schon bestehenden Konstruktio-nen anzubringen – zum Beispiel im Innenraum von Schiffen oder Autos. "Erfahrung ist zum Bedienen nicht nötig", betont Gerngroß. "Das war uns sehr wichtig." Zusammen mit der Phi-Stone AG und Anwendern aus dem Eisenbahnbau, der Luftfahrt und der Bühnentechnik wollen die Forscher ihr Verfahren nun für verschiedene Einsatzmöglichkeiten und auch für weitere Metalle optimieren.
Text:
Dr. Bettina Heimsoeth /
handwerksblatt.de
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