Gerüst darf nicht zu früh abgebaut werden
Ein Gerüst muss so lange auf einer Baustelle stehen bleiben, bis die Arbeiten beendet sind. Entfernt der Gerüstbauer es früher, muss er dem Auftraggeber Schadenersatz zahlen. Selbst wenn im Vertrag eine kürzere Bauzeit vorgesehen war.
Ein nicht ungewöhnlicher Fall: Ein Gerüstbauunternehmen erhält von einem öffentlichen Auftraggeber den Zuschlag für Gerüstbauarbeiten an einer Schule. Dem Auftrag lag das Angebot des Unternehmens zugrunde, in dem das Gerüst über die Grundzeit hinaus mit Einheitspreisen pro Woche angeboten wurde. Im Übrigen sollte die VOB/B gelten. Im Bauablaufplan war der Abbau der Gerüste für die Zeit vom 16. bis 19. Juli 2010 vorgesehen.
Kurz vor diesem Termin kündigte das Gerüstbauunternehmen den Abbau der Gerüste an und bat um schriftliche Freigabe oder um Bestätigung des beigefügten Nachtrags, der Zulagen vorsah.
Der Auftraggeber nahm das Nachtragsangebot nicht an. Die Klägerin baute daraufhin sämtliche Gerüste ab und legte Schlussrechnung mit einem offenen Restbetrag in Höhe von 2.161,52 Euro ab. Als der Auftraggeber nicht zahlte, klagte das Gerüstbauunternehmen.
Der Auftraggeber verlangte Schadensersatzanspruch. Zu Recht, wie der Bundesgerichtshof entschied und in seiner Entscheidung Folgendes klarstellte:
1. Das Gerüstbauunternehmen schuldet die Vorhaltung des Gerüstes so lange, wie es für die Bauarbeiten benötigt wird.
Denn das im Vertrag angegebene Bauende hat in der Regel nicht den Sinn, den Vorhaltezeitraum zu begrenzen. Ferner sei jedem Einheitspreisvertrag eine Mengenmehrung immanent. Komme es zu einer Zeitüberschreitung und damit zu einer Erhöhung des sog. Mengenvordersatzes, dann komme § 2 Nr. 3 VOB/B zur Anwendung mit der Folge, dass den Vertragspartnern ein Preisanpassungsanspruch zusteht.
2. Das Gerüstbauunternehmen darf die Gerüste nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vorhaltezeit nicht einfach abbauen. Das gelte selbst dann, wenn man für Streitigkeiten, welche die Vorhaltung der Gerüste betreffen, Mietrecht anwendet. Denn für die Frage, wie lange das Gerüstbauunternehmen die Vorhaltung schuldet, komme es allein auf die Auslegung des Vertrags und nicht auf die rechtliche Einordnung des Vertragstyps an.
Als Ausgleich kann das Gerüstbauunternehmen anfallende Mehrkosten über § 2 Nr. 3 VOB/B beanspruchen, so z. B. Kosten für die Anmietung eines weiteren Gerüsts, weil das Vertragsgerüst bereits für die nächste Baustelle eingeplant ist.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. April 2013, Az.: VII ZR 201/12
Quelle: Handwerkskammer zu Köln
Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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