Hans Hund (2. v. l.), Anja Weber und Stefan Nacke (r.) gemeinsam mit Minister Karl-Josef Laumann vor dem Bildungszentrum der Handwerkskammer Münster.

Hans Hund (2. v. l.), Anja Weber und Stefan Nacke (r.) gemeinsam mit Minister Karl-Josef Laumann vor dem Bildungszentrum der Handwerkskammer Münster. (Foto: © WHKT)

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"Fortschritt kann nicht durch Dumping kommen"

Bei einer Veranstaltung des WHKT ging es um um die Rolle der Tarifbindung bei der Fachkräftesicherung im Handwerk. Vertreter Politik, Wissenschaft und Handwerk tauschten sich aus.

Vor der Corona-Pandemie war die Fachkräftesicherung das beherrschende Thema in Deutschland. Und aller Voraussicht nach wird sie auch danach ein wichtiges Thema bleiben. Welche Rolle dabei die Tarifpartnerschaft und mit ihr die Tarifbindung spielt, besprachen Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Handwerk im Rahmen einer Online-Veranstaltung des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT), des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) NRW und des Landesverbands NRW des Kolpingwerks. "Berufnachwuchs, Fachkräftesicherung und Ausbildung sind wichtige Themen im Handwerk", sagte Hans Hund. Hier spiele auch die Partnerschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine große Rolle, so der WHKT-Präsident.

"Tarifverträge sorgen für Gerechtigkeit, Fairness und Attraktivität", erklärte Anja Weber vom DGB NRW. "Für uns Gewerkschaften ist klar: Wir müssen gute Arbeit im Handwerk realisieren." Dazu brauche es auch Tarifverträge im Handwerk. Nur dann sei es zukunftsfähig. "Damit junge Menschen zur Fachkräftesicherung gewonnen werden können und sich für einen Berufsweg im Handwerk entscheiden, brauchen sie Verlässlichkeit und Verbindlichkeit bei den Verdienstmöglichkeiten", betonte Stefan Nacke vom Kolpingwerk NRW.

Faire Vergütung wichtig

Nach der einführenden Bestandsanalyse von Detlef Sack, Dekan von Universität Bielefeld sprach Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) über faire Arbeitsbedingungen in NRW. "Ohne Handwerk würde unser Land stillstehen. Deswegen ist es essenziell, auch für mich als Arbeitsminister, dass das Handwerk zukünftig weiterhin für den Fachkräftenachwuchs attraktiv bleibt", betonte der Minister. Dazu sei neben guten Arbeitsbedingungen auch eine faire Vergütung wichtig. "Daher bin ich davon überzeugt, dass gerade tariflich geregelte Löhne sich für die Handwerksbetriebe und für die Beschäftigten lohnen."

Die Entlohnungsfrage müsse über Tarifverträge gelöst werden, um die Attraktivität des Handwerks zu steigern und Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, so Laumann. Der Wettbewerb in einer Branche dürfe nicht über die Löhne oder die Urlaubsfrage geführt werden, sondern über Qualifikation, Qualität und Zuverlässigkeit. "Fortschritt kann nicht durch Dumping kommen." Wenn es auf der einen Seite in der sozialen Marktwirtschaft einen Ordnungsrahmen wie die Handwerksordnung gibt, sei es die logische Konsequenz, dass es für Arbeitnehmer einen Ordnungsrahmen des Flächentarifvertrags gibt. "Ich glaube, dass man da gut arbeiten kann, wo man sich auf der Arbeit gegenseitig achtet."

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Image des Handwerks stärken

In einer sich anschließenden Podiumsdiskussion sagte Berthold Schröder, Vizepräsident des WHKT für die Arbeitgeberseite, dass auch die Handwerkskammern ein Interesse daran hätten, den Wirtschaftszweig für Fachkräftenachwuchs attraktiv zu halten. Eine wesentliche Komponente dafür seien verlässliche Arbeitsbedingungen. "Tarifverträge tragen zur Schaffung guter Arbeits-, Ausbildungs- und Einkommensbedingungen bei und können somit einen Beitrag dazu leisten, das positive Image des Handwerks zu stärken." Tarifliche Entlohnung sei ein Zeichen von Wertschätzung, schloss sich Felix Kendziora an. "Wir müssen jungen Menschen sagen können, dass wir ihnen mit dem dualen System nicht nur ein international anerkanntes und hoch entwickeltes Berufsbildungssystem bieten. Wir müssen ebenfalls sagen können, dass sie gute Chancen auf eine gute Bezahlung haben werden", so der WHKT-Vizepräsident für die Arbeitnehmerseite.

Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung, befürchtet eine "sehr ernsthaftes Fachkräfteproblem in vielen Branchen des Handwerks". Entsprechende Gegenmaßnahmen müssten eine "echte Lenkungswirkung" haben. Der Blicke müsse auch in Richtung der jungen Menschen gehen, die noch keine ausbildungsstelle gefunden haben, erklärte Torben Schön, Geschäftsführer der Kommission Handwerk des Kolpingwerkes. "Wir haben viele Baustellen rund um das Thema Tarifbindung", so Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. "Die Frage der Nutzwertorientierung kapselt sich ab von der Frage solidarischer Bindung aus traditionellen Gründen." Es müsse besser erklärt werden, welche positiven Wirkungen Tarifbindung hat.

Politik soll die richtigen Weichen stellen

Einerseits seien nur noch 30 Prozent der Beschäftigten im Handwerk überhaupt von einem Tarifvertrag erfasst. Die Lohnlücke im Handwerk liege bei 20 Prozent, berichtete Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes DGB. "Wenn man attraktiv sein will, muss man gute Löhne zahlen." Damit die Tarifbindung steigen kann, müsse auch die Politik die richtigen Weichen stellen. Es sei nicht einfach, junge Menschen zu begeistern, stellte Lisa-Kristin Kapteinat, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der NRW-SPD fest. "Tarifbindung ist ein Label, das auch bei jungen Menschen mehr bedeutet, als eine Imagekampagne bedeuten kann." Das Tarifsystem in Deutschland sei ein Erfolgssystem, das sich seit dem Zweiten Weltkrieg hervorragend entwickelt habe. Gleichwohl müsse man bei der Frage, was alles in Tarifverträgen geregelt werden soll, auch darauf achten, wer das am Ende bezahlt“, sagte Hans-Joachim Hering, Präsident des Unternehmerverbandes Handwerk.

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Text: / handwerksblatt.de

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