Ein Tablet für jeden Berufsschüler
Seit dem Schuljahr 2015/2016 testen Lehrkräfte und Lernende in Baden-Württemberg, wie Tablets im Unterricht von beruflichen Schulen eingesetzt werden können.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Digitale Medien in der Berufsausbildung
In der Endausbaustufe ab dem Schuljahr 2017/18 nehmen insgesamt 40 berufliche Gymnasien, Berufskollegs und Berufsfachschulen mit über 5.000 Schülerinnen und Schülern an dem fünfjährigen Schulversuch teil. Die Kosten von 4,5 Millionen Euro teilen sich das Land und die Kommunen. Das Kultusministerium beteiligt sich mit etwa zwei Millionen Euro an der Anschaffung der Geräte. Die Schulträger investieren einen gleich großen Betrag ebenfalls in Geräte und die Netzinfrastruktur. Eine weitere halbe Million des Kultusministeriums fließt in die Lehrerfortbildungen und die wissenschaftliche Begleitung.
"Jeder Schüler bekommt sein eigenes Tablet und nimmt es auch mit nach Hause", erläutert Konrad Neufeld vom baden-württembergischen Landesinstitut für Schulentwicklung das Konzept. Über eine Nutzungsvereinbarung sichern sich die Schulen ab, beipielsweise dass sich die Schüler bei Verlust oder Beschädigung mit 100 Euro an der Anschaffung eines neuen Geräts beteiligen. Ansonsten gibt die Mehrheit der Schulen die Tablets kostenfrei raus.
Keine landesweit einheitliche Lösung
Die Unterrichtsmaterialien sollen über Lernplattformen und Cloudspeicher, gehostet meist auf den jeweiligen Schulservern, bereitgestellt, verteilt und archiviert werden. Da die Schulen das Betriebssystem für die Tablets selbst auswählen konnten, und die Schulen unterschiedliche Schulserversysteme einsetzen, gibt es keine einheitliche Lösung oder verbindliche Vorgaben. "iTunes U könnten beispielsweise etwa lediglich 50 Prozent der Schulen nutzen, da sich in den ersten beiden Tranchen nur rund die Hälfte der Schulen für das iPad entschieden haben", erklärt Neufeld.
Die Tablets sollen durchgehend in allen Fächern eingesetzt werden. Die ersten Erfahrungen des Schulversuchs zeigen, dass der Fremdsprachenunterricht am meisten profitiert. Schwere Wörterbücher werden überflüssig. Vokabeln können online gelernt werden. Das Tablet ersetzt das Sprachlabor. "Man kann mit der Sprachausgabe und den Spracherkennungsassistenten die Aussprache kontrollieren und sich ein unbekanntes Wort vorlesen lassen", so Neufeld.
Aufgaben können individuell zugeschnitten werden
Die individuelle Förderung der Schüler wird erleichtert. Aufgaben können etwa auf den jeweiligen Leistungsstand zugeschnitten werden. "Einem guten Schüler wird der Übungstext oder das Lernvideo ohne Hilfen geschickt. Schwächere Schüler bekommen wichtige Vokabeln oder Einblendungen mit Untertiteln dazu", erklärt Neufeld. Ein wichtiger Aspekt des digitalen Lernens ist für ihn das unmittelbare Feedback. Der Lehrer könnte sich im Unterricht oder während der Hausaufgaben zuschalten und den Lernfortschritt kontrollieren, kommentieren und gegebenenfalls Unterstützung anbieten.
Die Lehrkräfte wurden in Workshops in der Bedienung der Geräte geschult. Gleichzeitig gab es Workshops für die technischen Administratoren der Schulen. Auch unterstützt das Landesinstitut die Schulen bei der Erarbeitung von passgenauen pädagogischen Konzepten für den eigenen Standort. Die Lehrkräfte müssen beispielsweise berücksichtigen, welche Vorbildung die Schüler und die Kollegen mitbringen und wie die technischen Begebenheiten sind. Dabei liegen allen pädagogischen Ansätzen der durchgängige Einsatz in allen Fächern, die 1:1-Ausstattung, die Bildung von pädagogischen Teams an den Schulen und die individuelle Förderung als Unterrichtsprinzip zu Grunde. Im Vordergrund steht dabei immer der pädagogische Mehrwert, das heißt den Unterricht durch den Einsatz digitaler Medien optimal zu unterstützen.
Kaum Materialien mit digitalem Mehrwert
Die Lehrkräfte arbeiten mit selbst erstellten Materialien, die sie untereinander austauschen. Diesen Austausch fördert das Landesinstitut durch die regelmäßigen Workshops für alle am Projekt teilnehmenden Schulen und das Internetportal tabletbs.de. Dort werden neben Materialien der Schulen auch Angebote des Landesinstituts zur Verfügung gestellt. Vielfach werden noch PDF- oder Word-Dokumenten eingesetzt. "Das ist zwar digital, bietet aber wenig Mehrwert."
Neufeld schweben eher Informationstexte vor, die mit Aufgaben, Videos oder Tests verknüpft sind und die ein direktes Feedback liefern. Die vom Landesinstitut entwickelten und mit Material hinterlegten Kompetenzraster in Moodle Exabis und Dakora und die "naturwissenschaftlichen Brücken" zur Erleichterung des Einstiegs in die beruflichen Gymnasien und Berufskollegs wie etwa mathebrücke.de, chemiebrücke.de oder physikbrücke.de sind erste Beispiele für neuartiges Unterrichtsmaterial. "Unsere Aufgabe für die nächsten Jahre wird es sein, mehr und bessere solcher interaktiver und niveaudifferenzierender Materialien zu entwickeln und den Lehrkräften Unterstützung in der Anwendung zu bieten."
Text:
Bernd Lorenz /
handwerksblatt.de
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