Wie beim ersten Date ist der erste Eindruck auch am ersten Arbeitstag entscheidend. Wie der Tag verläuft, wie der oder die Neue empfangen wird, entscheidet mit darüber, ob sich ein Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb entwickelt,

Wie beim ersten Date ist der erste Eindruck auch am ersten Arbeitstag entscheidend. Wie der Tag verläuft, wie der oder die Neue empfangen wird, entscheidet mit darüber, ob sich ein Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb entwickelt. (Foto: © opolja/123RF.com)

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Onboarding: Die neue Willkommenskultur im Unternehmen

Onboarding ist ein Prozess, um neue Mitarbeiter zu begeistern und ins Team zu integrieren – sie also an Bord zu nehmen. Wie das auch in kleinen Betrieben mit wenig Aufwand gelingt und warum das dem Marketing in eigener Sache hilft.

Jeder dritte Azubi kündigt laut einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) seinen Ausbildungsvertrag noch vor Ausbildungsende. Das heißt aber nicht, dass die Jugendlichen ihre Lehre komplett abbrechen, sie wechseln "nur" zu einem anderen Betrieb. Die Azubis wissen genau, dass sie sich die besten Betriebe aussuchen können – und tun das auch.

Ähnliches gilt für Gesellen, Meister oder Bürokräfte – selten waren Beschäftigte so wechselwillig wie in Zeiten des Fachkräftemangels. Handwerksbetriebe investieren genau wie andere kleine und mittlere Unternehmen viel Zeit und Geld in die Personalsuche und wollen die Neuen entsprechend nicht nach kurzer Zeit wieder verlieren.

Onboarding beginnt schon beim Bewerbungsgespräch

Hier kommt "Onboarding" in Spiel – ein Prozess, um Beschäftigte ins Boot zu holen und nachhaltig ins Team zu integrieren. "Das beginnt schon beim Bewerbungsgespräch, also noch vor dem ersten Arbeitstag", sagt Marloes Göke, Unternehmensberaterin mit dem Schwerpunkt Handwerk aus Nordhorn. Sie teilt den Onboarding-Prozess in drei Phasen, wobei vor allem für den ersten Arbeitstag der Betrieb perfekt vorbereitet sein sollte.

Phase 1: Der Bewerbungsprozess

Marloes Göke, Unternehmensberaterin und Autorin des Buchs Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe Foto: © Anja Tiwisana Marloes Göke, Unternehmensberaterin und Autorin des Buchs Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe Foto: © Anja Tiwisana

"Im Bewerbungsprozess ist es enorm wichtig, vorab die Erwartungshaltung zu klären", betont Marloes Göke. Wenn Handwerker ihre Erwartung klar fixieren, können sie eher erkennen, ob eine Bewerberin oder ein Bewerber wirklich zum Betrieb passt. Das sei eine Hausaufgabe, die jeder Firmenchef – und je nach Betriebsgröße auch die erste Führungsebene – machen sollte. "Ich erlebe häufig, dass eine unausgesprochene Erwartungshaltung vorhanden ist", berichtet Göke. Das sei nicht fair gegenüber den Bewerbern. "Wenn diese wissen, was von ihnen erwartet wird, dann können sie sich daran orientieren und sich klar für oder gegen den Betrieb entscheiden."

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Umgekehrt sollte unbedingt erfragt werden, was dem Bewerber oder der Bewerberin wichtig ist, damit er oder sie motiviert und eigenständig arbeiten kann. "Das kann ein echter Gamechanger sein", weiß die Beraterin aus Erfahrung.

Wenn der Vertrag dann unterschrieben wurde, sei es wichtig, den Kontakt bis zum ersten Arbeitstag zu halten – besonders weil Azubis die Ausbildungsbetriebe inzwischen auch mal "ghosten", also nach Vertragsunterzeichnung abtauchen und sich nie wieder melden. Den Kontakt hält man, indem man die Neuen vorab schon zu Teamevents einlädt oder bei mehreren neuen Auszubildenden ein Auftakt-Event gemeinsam mit den Eltern organisiert.

Phase 2: Der erste Arbeitstag

Wie beim ersten Date ist der erste Eindruck auch am ersten Arbeitstag entscheidend. Wie der Tag verläuft, wie der oder die Neue empfangen wird, entscheidet mit darüber, ob sich ein Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb entwickelt, sagt Marloes Göke. Deshalb sollten alle Beschäftigten vorbereitet sein. Also zum Beispiel den Namen und die Position der neuen Kollegin oder des neuen Kollegen vorab kennen.

Natürlich sollte alles vorhanden sein, was man braucht, um zu starten. "Dazu gehören Schlüssel, Zugänge, je nach Branche passende Arbeitskleidung und eventuell ein eigener Spind. Wenn es eine Tätigkeit in der Verwaltung ist, dann eine E-Mail-Adresse, Passwörter und Arbeitsmaterialien." Eine nette Geste ist auch ein Blumenstrauß und/oder ein Willkommenspaket mit Werbeartikeln, etwa einer Kaffeetasse, einer Trinkflasche oder einem Rucksack mit dem Firmenlogo.

"Der Chef oder die Chefin plus die direkte Führungskraft sollte es einrichten, den Neuen oder die Neue an diesem Tag persönlich zu begrüßen", empfiehlt die Unternehmensberaterin. In etwas größeren Betrieben habe es sich bewährt, dem Neuen eine Patin oder einen Paten zur Seite zu stellen, der sich kümmert und Ansprechpartner ist, wenn es darum geht, sich im Betrieb zurechtzufinden. "Das schafft sofort eine persönliche Bindung."

Zum Abschluss des ersten Tages wäre es sinnvoll, ein kurzes Feedbackgespräch zu führen. Wichtig sei, so Göke: "Man kann auch mit Kleinigkeiten dafür sorgen, dass sich die oder der Neue willkommen fühlt."

Für diesen ersten Tag biete es sich an, eine Checkliste anzulegen, die man immer wieder nutzen kann, wenn jemand Neues ins Unternehmen kommt. Das habe den Vorteil, dass man das Rad nicht immer wieder neu erfinden muss und dass man den Onboarding-Prozess kontinuierlich verbessern kann.

Checkliste Onboarding Jeder Betrieb sollte seine Checkliste zum "Onboarding" individuell anlegen und je nach Bedarf anpassen. Eine Anregung gibt es unter anderem beim "KOFA – Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung", das kleine und mittlere Unternehmen bei der Personalarbeit unterstützt. Mehr dazu und die Checkliste finden Sie hier!
Der erste Tag entscheidet darüber, ob sich die Person wohl und willkommen fühlt. Davon hängt auch ab, wie sie sich engagiert und welche Bindung sie zum Betrieb aufbaut. "Vom ersten Tag wird zudem am meisten berichtet. In der Familie, im Freundeskreis – alle im Umkreis fragen nach, wie der erste Tag gelaufen ist. Wenn der gut gelungen ist und gut vorbereitet wird, spricht man positiv über den Betrieb und das ist dann wiederum gut fürs Marketing."

Wichtig sei dann, bis zum Ende der Probezeit den Kontakt zu halten. "Es geht darum, klare Leistungskriterien und Entwicklungsfelder festzulegen und diese über Feedbackgespräche zu reflektieren." Auch, damit man als Arbeitgeber am Ende der Probezeit eine Entscheidungsgrundlage hat und nicht aus dem Bauch heraus entscheiden muss.

Phase 3: Wir nehmen den neuen Kollegen / die neue Kollegin ins Team auf 

Steht am Ende der Probezeit die Entscheidung fest, die Person fest zu übernehmen, sollte man das idealerweise ins Team kommunizieren – vielleicht sogar zu einem kleinen Umtrunk einladen. "Bei allen Maßnahmen geht es darum, der Person Wertschätzung entgegenzubringen. Ihr und dem Team zu signalisieren: Du und Ihr seid uns wichtig".

Es seien nicht unbedingt Vergünstigungen wie Jobräder, Getränke oder Gehaltszulagen, die über Zufriedenheit, Loyalität und gute Leistungen entscheiden. "Gefragt ist gute Führung", betont Göke. "Wenn ich nur auf diese Vergünstigungen in den Vordergrund stelle, dann bekomme ich auch nur Mitarbeitende, die darauf anspringen. Die sind dann aber auch schnell wieder weg, wenn andere Firmen mehr versprechen."

Eher sollten die Werte im Unternehmen und der Umgang miteinander in den Vordergrund gestellt werden. Denn das entscheide darüber, ob die Menschen zufrieden sind. Dazu gehöre Wertschätzung, Interesse an der Person, Fördern und Fordern, Feedback und Austausch.

Zur Person Foto: © Haufe VerlagFoto: © Haufe VerlagAls Unternehmensberaterin mit betriebswirtschaftlichem und psychologischem Studium unterstützt Marloes Göke inhabergeführte Unternehmen und Selbständige dabei, sich stärker zu professionalisieren — mit dem Ziel, ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Unternehmen und Privatleben zu führen. Zu ihren Klienten gehören Handwerksbetriebe deutschlandweit. Ihr Buch "Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe" ist 2023 im Haufe Verlag erschienen (ISBN-13: ‎978-3648167458; 34,99 Euro). Zu bestellen: https://vh-buchshop.de/buchtipps

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Text: / handwerksblatt.de

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