Fehlende Arbeitszeiterfassung kann teuer werden
Eine Mitarbeiterin einer Kfz-Werkstatt klagte die Vergütung von über 3.000 Überstunden ein. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gab ihr Recht. Lesen Sie hier, warum eine Zeiterfassung das verhindert hätte.
Dieser Artikel gehört zum Themen-Special Arbeitszeit erfassen - aber wie?
Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Laut Bundesarbeitsgericht müssen Arbeitnehmer ihre Überstunden im Streitfall darlegen. Die Zeiterfassung bringt dem Unternehmer dann Vorteile: Hat er die Arbeitszeiten erfasst, kann er die Darlegung der Beschäftigten im Gerichtsprozess leichter widerlegen. Das zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen.
Der Fall
Eine Lageristin, die in einer Kfz-Werkstatt arbeitete, verlangte die Vergütung von über 3.000 Überstunden. Sie behauptete, dass sie anstatt der vereinbarten 24 Wochenstunden in fast drei Jahren immer 44 Wochenstunden gearbeitet habe. Sie sei während der gesamten Öffnungszeiten der Werkstatt – montags bis donnerstags von 8.00 bis 18.00 Uhr und freitags von 8.00 bis 17.00 Uhr – im Dienst gewesen, jeweils abzüglich einer einstündigen Pause. Daher verlangte sie die nachträgliche Vergütung von mehr als 20 Stunden pro Woche. Als Beleg verwies sie auf die Öffnungszeiten des Betriebs.
Dem Arbeitsgericht Oldenburg genügte diese Aussage nicht, es wies die Klage ab. Daraufhin ging der Streit in die nächste Instanz zum Landesarbeitsgericht.
Das Urteil
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen sah die Rechtslage anders und sprach der Lageristin die Überstundenvergütung in großen Teilen zu. Die Lageristin habe ihre erbrachte Arbeitsleistung ausreichend dargelegt, so das Urteil. Ihre Behauptung, sie habe von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr während der Öffnungszeiten abzüglich Pause gearbeitet, könne nicht als "unglaubhaft" abgelehnt werden.
Das LAG richtete sich nach den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess. Danach muss der Arbeitnehmer darlegen,
- an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat und
- dass geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst oder ihm jedenfalls zuzurechnen sind.
Es ist dann die Sache des Arbeitgebers, sich gegen den Vortrag des Arbeitnehmers mit klaren Gegenargumenten zu wehren.
In diesem Fall hätte also der Werkstattinhaber der Behauptung seiner Mitarbeiterin konkret etwas entgegenhalten müssen, so das Urteil. Hierzu hätte er verschiedene Möglichkeiten gehabt: So hätte er insbesondere die Arbeitszeitaufzeichnung, zu der das Unternehmen gesetzlich verpflichtet ist, vorlegen können. Die Werkstatt hatte aber die Arbeitszeiten der Beschäftigten nicht erfasst und der Arbeitgeber konnte auch keine anderen Argumente, etwa mittels Zeugen, vorbringen.
Damit sah das LAG die Argumente der Lageristin im Ergebnis als richtig an. Der Arbeitgeber muss die Überstunden vergüten, weil er den Anspruch nicht widerlegen konnte.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung zeigt: Arbeitgeber ohne Arbeitszeiterfassung bekommen im Prozess um Überstunden Probleme, weil sie dem Vorbringen des Arbeitnehmers keine Aufzeichnungen entgegenhalten können. Sie sollten daher ihre Pflicht zur Arbeitszeiterfassung konsequent umsetzen. Das ist nicht nur dem Arbeitsschutz geschuldet, sondern verbessert zugleich die Chancen in einem Streit über die Vergütung von Überstunden.
Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen, Urteil vom 9. Dezember 2024, Az. 4 SLa 52/24 (Revision zum Bundesarbeitsgericht ist zugelassen)
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Text:
Anne Kieserling /
handwerksblatt.de
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